Vorgetankt

Diesmal war Mehl das Objekt der Begierde in dem kleinen Supermarkt am Bülowbogen. Die ansonsten nette und super geduldige Kassiererin wirkte gestresst. Denn auch die Mitnahme von Mehl ist rationiert, und sie musste die Einkäufer(innen) ständig darauf hinweisen und mit ihnen herumdiskutieren.
Ich hatte im Park am Gleisdreieck die Nase in die Sonne gestreckt. Eine Menge Menschen radelten, spazierten, joggten, skateten auf den Wegen oder saßen wie ich einfach irgendwo herum. Nicht immer habe ich Spaß daran, wenn mir Kiff-Geruch in die Nase steigt und dazu dumpfbackiger Rap-Gesang an meine Ohren dringt. Sowas stört mein inneres Gleichgewicht. Da half der Apfelwein, den ich dabeihatte, nur wenig. Ich zog mich in den nahen Biergarten zurück, aber dort hielt ich es auch nur ein Bier lang aus. Wenn mich erstmal der Schwarze Hund am Wickel hat, brauche ich entweder guten Sex oder zumindest eine gute Unterhaltung, um mich zurück ans Licht zu holen. Ich hatte also null Chance.
Immerhin tankte ich etwas Sonne vor. Heute grüßt ein trister Donnerstag durchs Fenster. Das Pub wird mir fehlen.

 

Uff!

Ich machte Nägel mit Köpfen und nahm mir für den Rest des Monats unbezahlten Urlaub. Die Geschäftsleitung hatte uns dies im Zuge der „Corona-Problematik“ angeboten. Mir passt es ganz gut, da ich mich bereits seit Wochen büro-müde fühle. Die Hühner fragten freilich gleich nach dem Finanziellen. Was soll ich sagen? Es wird mich weniger kosten als mein letzter Teneriffaurlaub. Und nein, ich bin kein Großverdiener. Der Gedanke reifte übers Wochenende, und als ich heute Morgen auf meiner Begrüßungsrunde war, schlug ich spontan zu. Die stellvertretende Chefin war schon vor Ort. Die Abwicklung meines Wunsches gestaltete sich problemlos.
Schön. Nun erstmal durchatmen. Die Sonne scheint. Draußen sind die Straßen kaum leerer als sonst. Ja, die Schüler(innen) fehlten. Der Supermarkt war bereits voll, aber vielleicht ist er das immer zu dieser morgendlichen Zeit – das weiß ich nicht. Ich kaufte ein, was in meinen Rucksack passte. Normalerweise hätte ich mir erstmal eine Kneipe für einen Umtrunk gesucht… Okay, man kann nicht alles haben.

 

Wo der Spaß aufhört

Gespenstische Sonntagsruhe. Vielleicht auch Einbildung. Viel schneller noch, als sich das Corona-Virus ausbreiten kann, nahm ein schwer zu beschreibendes ungutes Gefühl kollektiv Besitz von den Einwohnern der Stadt.
Wie immer tätigte ich gestern Mittag meinen Wochenendeinkauf. Viele luden ihre Einkaufswägen randvoll. Einige Regale waren tatsächlich leergeräumt. Als ich zum Wein kam, griff auch ich zu. Zwei Flaschen Müller-Thurgau statt der üblichen einen. Anschließend im Pub mit der Vernichtung meiner Gehirnzellen weitergemacht. Meine Lieblingsbeschäftigung. Neben mir an der Bar saß Rainer, ein siebzigjähriger Hüne aus Münster, dem die untere Zahnreihe fast komplett fehlte. Wir fanden schnell ins Gespräch über die Virus-Panik, das Altwerden, den Trottel Trump und die trottelige Welt im Ganzen. Er hatte ein wildes Leben hinter sich. Ein Alt-Achtundsechziger, der nicht total zum Spießer mutiert war. Wir witzelten über das Virus, was der Wirt so gar nicht lustig fand, denn der hatte einen dicken Hals. Ab Dienstag sollen alle Berliner Bars, Kneipen und Clubs schließen. (Heute las ich in den Internetnachrichten, dass es wohl schon ab sofort gilt.) Scheiße. Was mache ich den lieben langen Tag, wenn Berlins Kneipen dicht sind? Was für öde Wochen stehen mir bevor?! Das ist nun wirklich nicht mehr lustig! Am Ende geht der Wirt pleite, und mein gestriger Pub-Besuch war für alle Zeiten mein letzter… Und ich dachte, ich könnte den Weltuntergang im Pub oder in irgendeiner anderen Kneipe begießen… Das Leben ist hart.
Die Sonne lacht. Wenigstens sie hat den Humor noch nicht verloren. Gute alte Sonne. Trinkst du einen mit? Nachher auf der Parkbank. Ich kann dir ein paar Geschichten erzählen. Ja, aus meinem Leben. Mann o Mann. Wir Menschen sind schon… speziell.

 

Herzlichen Glückwunsch zum Virus

Ich will nicht sagen, dass ich glücklich über die Pandemie bin. Die Entwicklungen muten doch recht unheimlich an, seitdem das Virus das Land erreichte, in dem ich wohne/arbeite/lebe. Vorher waren es Berichte von weit entfernten Orten in China. Als dann Italien betroffen war, mussten die europäischen Staaten realisieren, dass es vor Covid-19 kein Entkommen gab. Es brauchte keine große Hellseherei. Das Virus verbreitet sich allzu leicht in einer von Menschen wimmelnden und vom Mobilitätswahnsinn erfassten Welt. Der unsichtbare Feind überflutet die Erde in Wellen, bis er jeden Quadratmeter eingenommen hat. Die Pandemie wird noch tausende Menschenleben kosten. Da es keinen Impfstoff gibt, kann man die Erkrankungsgefahr lediglich durch das Vermeiden sozialer Kontakte mindern. Der träge Behördenapparat in einem föderalen System wie der Bundesrepublik Deutschland ist für eine flächendeckende Einleitung der notwendigen Schutzmaßnahmen total ungeeignet. Von den Hampelmännern/-Frauen in der Politik will ich gar nicht reden. Die meisten Maßnahmen, die nun langsam ins Rollen kommen, waren längst überfällig. Mal wieder ein Paradebeispiel dafür, wie wenig vorausschauend die Politik agiert. Dazu ein Mangel an gesundem Menschenverstand. Covid-19 steht nicht an der Tür und klopft an… Du erkennst ihn erst als Gast, wenn es bereits zu spät ist.
Warum sollte ich also glücklich über diese Pandemie sein? Dieser Feind ist äußerst unheimlich und nicht ganz so harmlos, wie uns anfangs weißgemacht wurde. Und doch kann ich eine gewisse Freude nicht verhehlen: Endlich ein Ereignis, welches wenigstens kurzfristig dem Größenwahn der Spezies Mensch Einhalt gebietet und unsere kapitalistische Welt mit ihrem Wachstumsdenken und seinen Machtstrukturen in Frage stellt… Freilich wird nach der Krise alles so weiterlaufen wie bisher. Ein Tor, wer sich ein Umdenken erhoffte.