Von den Straßen

Wir spielten in den Gassen. Die Straßen brachten uns zur Schule. Die Straßen wuchsen mit uns. Niemand sagte uns, wohin; wir sollten einfach den Straßen folgen. Ein Stehenbleiben war nicht gern gesehen. Wer gar rückwärtsging, wurde umgestoßen, beschimpft oder ausgelacht. Ich suchte ein Versteck. Ich wollte nicht ständig vorwärtsgeschubst werden. Die Kneipe war lange Zeit mein Versteck. Nur weg von den Straßen, dachte ich. Es waren nicht meine Straßen.

Es war gestern und ist doch heute

Zittern vor Kälte oder vor Liebe

die Kälte einer Frau
nachdem ich sie spüren durfte
auf einer Wiese pflücke ich Blumen
für den Muttertag
wie schnell sie welken
gestern waren wir noch wir
heute nur noch ich und du
der Hader trieb sich um
in unseren Seelen
die Kälte
das ist die Eiszeit unserer Empfindungen
erfroren in den Gedanken
ich liebte dich
in dieser Kathedrale
die ich für die Ewigkeit baute
und heute sehe ich die Ruine
auf den Mauern
moosbewachsen
liege ich nur noch
als Träumer und bete für eine bessere Welt
für gute Menschen
mein Knochengerüst juckt
auf dem harten Untergrund

du erzählst mir Geschichten
die unsere Liebe unmöglich machen
es sind die Argumente der Politiker
die ich tagtäglich in den Foren
der Medien höre
auf den schwarzen Steinen
ihrer Vernunft
die Adern in Marmor gegossen

ich muss nachgeben
weich will ich sein
damit sich alles in mich ergießt
es war ein schöner Augenblick mit dir

29.09.2004

Von Erwartungen

Als ich ein Baby war, erwartete ich fast nichts… Als Kind wurde ich süchtig nach Spielsachen und Süßigkeiten. Ich erwartete von meinen Eltern, dass sie Spielzeug und Süßigkeiten für mich kauften. Als ich zum Teenager heranreifte, räumte ich die Spielsachen unters Bett. Ich war überwältigt von für mich neuartigen Erwartungen.  Die hatten etwas mit Mädchen zu tun. Als junger Mann war ich ein Spielball meiner Hormone. Ich war lange ein junger Mann… Gewissermaßen bin ich es heute noch. Aber der Trieb ließ nach. Was für ein Leben hatte ich erwartet? Ich wollte nie eine Familie gründen. Schule und Berufsausbildung empfand ich als Zwang. Ich verstand das Leben nicht. Es wurde mir aufgestülpt. Vielleicht lernte ich auch nie die Richtige oder das Richtige für mich kennen. Scheiß drauf… Ich landete früh an der Flasche. Es tut mir leid, liebe Leute, dass ich mein Leben derart vergeudete. Ich verstehe es selbst nicht. Nichts verstehe ich. Warum ist die Welt, wie sie ist?
Am liebsten würde ich alle Erwartungen in mir abtöten.