November-Blues 23

Die Woche ist rum. Gestern pennte ich im Homeoffice beinahe ein. Ich hatte dutzende Pathoberichte abzuarbeiten. Sowieso fühle ich mich derzeit ziemlich schlapp und müde. Wahrscheinlich liegt es am Wodka. Und dann werde ich nicht jünger. Die Tage huschen an mir vorbei wie Karussellrunden. Die Todesengel fahren mit und warten darauf, dass sie mich packen und vom Karussell runterheben. Ich löse mich in ihren Händen auf… Wie auch immer. Es wird der Tag kommen, wie es auch den Tag meiner Geburt gab.
Der Himmel über Berlin erstrahlt in sattem kaltem Hellblau. Die Sonne schlägt durch die Fenster. Die Gruft meines Geistes tut sich auf, und ich trete hinaus, dehne meine Glieder kurz am Türrahmen, trete wieder zurück.
„Hallo!“ rufe ich ins Nichts und Alles, „seid ihr alle da?!“

Am Morgen

Bis Donnerstag fiel in den Büroräumen die Heizung aus. Es stand uns frei, solange im Homeoffice zu arbeiten. Normalerweise sollen wir mindestens 2 Tage/Woche im Büro sein.

Ich stehe unter der Woche sehr früh auf, gegen 5 Uhr. Ich mag den Morgen mehr als den Nachmittag und Abend. Wahrscheinlich Gewohnheitssache. Ich wechsele eigentlich nur von einem Zimmer zum anderen – vom Bett zur Couch. Stress ist nicht mein Ding. Ich gleite langsam in den neuen Tag. Draußen ist noch dunkel. Ich schalte den Fernseher ein, um Stimmen zu hören. Der Wetterbericht geht an mir vorbei. Na gut, denke ich, der wird halbstündlich wiederholt. Und außerdem interessiert er mich nicht wirklich. Mir geht es in der Hauptsache um die Stimmen. Nur mit einem Ohr höre ich auf das, was sie sagen. Die halbstündigen Nachrichten takten meinen Morgen. Zwischendurch erhebe ich mich von der Couch, spüle das Geschirr vom letzten Tag, mache das Bett, putze mir die Zähne und rasiere mich, dusche. Langsam dämmert es. Ich sehe die Konturen der Hausfassade gegenüber immer klarer. In manchen Wohnungen brennt Licht. Ich höre den Müllwagen vorfahren. Der ein oder andere Nachbar ist schon auf den Beinen. Die Haustür fällt zu. Ich habe noch etwas Zeit, bis ich mich auf dem Weg mache. Der Wetterfrosch im TV redet von Tiefdruckgebieten und Regen. Als ob mich das sonderlich juckte. Aber der Typ wirkt sympathisch.

Nichtsmachen ist das Allerbeste

Ich fühle mich gut. Es ist Samstag. Eine normale Arbeitswoche liegt hinter mir. Überarbeitet habe ich mich nicht. Aber was heißt das schon, wenn man die Tätigkeit öde findet – ich kann euch sagen, Tumordokumentation ist nicht nur öde, sondern zusätzlich ganz schön difficile, nichts für Dumpfbacken. Nach Feierabend bin ich kognitiv erschöpft. Ich höre den ein oder anderen von euch sagen: Warum machst du es dann? Und ich antworte: Weil ich die Arschwischerei satthatte. Weil ich meine Miete finanzieren muss, mein Feierabendbier und all das andere Trallala. Mich würde interessieren, wie viel Prozent der arbeitenden Bevölkerung ihr Job Spaß macht. Vielleicht lügen sich einige in die Tasche. Ehrlich gesagt, fand ich jeden Job, den ich machte, eine Mühsal, wie ich auch nie gern zur Schule ging. Das ganze System ist nicht meins, aber das zu erörtern würde hier zu weit führen…
Für mich gibt`s nichts Schöneres, als meine Tage ohne größere Pflichten zu begehen. Besonders die Zeit nach dem Aufstehen genieße ich, wenn ich weiß, dass nichts anliegt. Ich gleite einfach schwerelos in den Tag mit meiner Lieblingsmusik… und meinen Gedanken. Und wenn ich mich mal erhebe, um ein paar Handgriffe im Haushalt zu machen, dann ist das okay. Die Wohnhöhle muss schließlich fürs Wohlgefühl in Schuss gehalten werden.
Menschen, die Hummeln im Arsch haben, ertrage ich ungern. Ich hatte vor vielen Jahren mal eine Freundin, die nur zur Ruhe kam, wenn sie einen Joint rauchte. Wenigstens versuchte sie nicht immer, mich in ihre Umtriebigkeit einzubinden. Ich war verliebt, und sie hatte ihre Qualitäten. Kein Mensch ist eindimensional (nicht mal Riesenfaultiere wie ich). Wir Menschen sind im Großen und Ganzen interessante/ambivalente Tiere… Schließlich trennten wir uns, weil sie zu sehr psycho war. Sie hatte regelmäßig aggressive Anwandlungen. Auch ihre nächsten Partner merkten bald, dass sie sich eine Furie eingehandelt hatten, klopften an meine Tür und heulten sich aus. Ich kann nicht verhehlen, dass ich dabei eine gewisse Genugtuung empfand. Okay, das alles ist längst Geschichte. Ich schreibe gern ins Blaue hinein.

Es muss nicht ständig was passieren. Wenn mir in meiner Wohnhöhle zu langweilig wird, gehe ich raus und tauche ein in die Großstadt. Meist habe ich schnell genug.

Das Riesenfaultier lebt

Es ist jedes Mal erstaunlich, wie schnell man nach einem Urlaub wieder in seine Gewohnheiten zurückfällt. Im Job war ich schneller drin, als mir lieb war. Wobei ich ehrlich sage, dass mir das Wiedersehen mit den Hühnern guttat. Die Vertrautheit kam fast instantan zurück. Nicht, dass sie sowas wie eine Familie für mich wären…, aber mir wurde bewusst, dass ich inzwischen seit über 6 Jahren in diesem Betrieb arbeite.
Die Arbeitswoche verlief relativ angenehm. Auch wenn mir die Tumordokumentation seit geraumer Zeit zum Halse heraushängt. Damit muss ich klarkommen. Wer hat schon das Glück, eine Arbeit zu machen, die ihm wirklich Spaß bereitet. Okay, es gibt Leute, denen macht Briefmarkensammeln Spaß. Die wären, glaube ich, in meinem Job genau richtig.
In Berlin wurde es in dieser Woche richtig heiß. In der Sonne wollte ich mich nicht lange aufhalten. Vom norddeutschen Kühlschrank in die Berliner Sommerhitze. Alte Säcke brauchen etwas Zeit, um sich zu akklimatisieren.  
Vielleicht bin ich da, wo ich hingehöre. Vielleicht bin ich auch am total falschen Platz. Ich weiß es nicht. Ich arrangiere mich mit den Gegebenheiten (so gut ich kann). Möglicherweise gibt es den idealen Platz nicht.
Let`s go on.

Verabschiedung

Der Büro-Freitag verging schnell. Ein gemeinsames Frühstück zur Verabschiedung einer langjährigen Kollegin in den Ruhestand war angesagt. Auch meine Lieblingskollegin, deren Zeitvertrag auslief, kam noch vorbei, um ihre Sachen zu holen sowie Transponder und Dienstlaptop abzugeben. Ich hatte mich dafür stark gemacht, dass sie bleiben kann, aber daraus wurde nichts. Und sie selbst machte am Ende auch nichts dazu. Wir tauschten unsere Nummern und E-Mailadressen aus. Einen gemeinsamen Besuch des Grosz Museums in der Bülowstraße schieben wir schon seit einer guten Weile vor uns her. Sie ist ein lieber Mensch. Schade, dass ich sie als Kollegin verliere.
Den Feierabend begoss ich in der Kupferkanne in kleiner Runde. Die alte Gabi bediente. Der rundliche Mustafa und ein 80zigjähriger Stammgast, den alle nur „Schlecki“ nennen, forderten die Spielautomaten heraus. Ich schaute hinaus in den Regen.

   

Ich blicke nicht durch

Auf der Arbeit wird alles komplizierter. Bald übertreffen die Dokumentationsregeln die medizinische Komplexität der Tumoren. Als einfacher Dokumentar verliere ich den Überblick. Bleibt die Hoffnung, dass die „Generäle“ den Überblick bewahren.

Der Krieg in der Ukraine wird fortgeführt, bis irgendwann Munition und Soldaten ausgehen werden. Jeder Kriegstreiber (im Westen wie im Osten) hat morgens nach dem Aufwachen und abends vor dem zu Bett gehen 10 Ohrfeigen verdient… Die Dosis ist nach oben offen.

Ich könnte mich manchmal selbst ohrfeigen, aber aus anderen Gründen.

Und schließlich die alles entscheidende Frage: Warum feuerte der FC Bayern Julian Nagelsmann?

Eine gelungene Woche

Kalt wurde es. Als ich mein Brompton von der Inspektion abholte, tränten mir die Augen. Die Generalüberholung tat dem Bike gut. Beschwingt radelte ich meinem Feierabendbier entgegen. Wieder eine Woche geschafft, und es war nicht die schlechteste. Schon seit meinem letzten Spreewald-Aufenthalt (Anfang Oktober) wollte ich das Brompton überholen lassen, was nun endlich erledigt ist. Die Werkstatt arbeitete flott. Nur einen Tag lang musste ich meinen zweirädrigen Liebling entbehren.
Außerdem brachte ich am Donnerstag das jährliche Mitarbeitergespräch hinter mich. Ich war dabei entspannter als gedacht… redete frei von der Leber weg. Am Ende hätte ich die Chefin fast umarmt. Nein – natürlich nicht! Tierisch erleichtert war ich aber schon.
Dann der Dienstag, der damit begann, dass ich kein Internet mehr hatte. Statt wie geplant Homeoffice also Büro. Nach meiner Fehlermeldung beim Festnetzanbieter hatte ich eine freundliche Technikerin an der Strippe. Die meinte, es müsse an meinem Router liegen, denn bis zum Router sei die Leitung fehlerlos. Am Ende sendete sie mir 30 GBytes zur Überbrückung auf mein Mobilphone – gratis!
Es lebt eben nichts ewig, vor allem Elektrogeräte – leben oft nicht lange über die Garantiezeit hinweg. Wobei Ausnahmen die Regel bestätigen. Meine HiFi-Anlage kaufte ich 1986 und genieße ihren hervorragenden Klang bis heute.
Weil ich technische Pannen/Defekte gerne schnell erledigt weiß, flitzte ich nach Feierabend zur Mall of Berlin und besorgte mir einen neuen Router. Und was soll ich sagen? – das Internet funzt wieder!
Einen Teil meines zu erwartenden Weihnachtgeldes verbriet ich allerdings in dieser Woche. Nun hoffe ich, dass erstmal Ruhe im Karton ist. Kleine Herausforderungen finde ich ganz okay, sie sollten aber nicht gehäuft auftreten.  

 

Ich schütze mich

Ich bin unter meinen Kollegen und Kolleginnen einer der wenigen nach wie vor Ungeimpften, wenn nicht der einzige Ungeimpfte. Viele sind mehrfachgeimpft. Seit Anfang der ausgerufenen Corona-Pandemie 2020 war ich nicht krank. Ich fiel nur 2 Tage aus, weil ich mir den Magen verdorben hatte. Meine Corona-Schnelltests waren stets negativ (ich musste mich regelmäßig testen, wenn ich ins Büro kam). Mir kommt das fast schon unheimlich vor, denn der Krankenstand unter den Geimpften ist maximal hoch. Viele bekamen trotz der Impfung Corona. Vielleicht litten auch einige an Impfnebenwirkungen, was natürlich laut unserem Bundesgesundheitsminister unmöglich sein kann – lieber wird von Long Covid gesprochen.
Aktuell startet eine neue Impfkampagne aus dem Bundesgesundheitsministerium unter dem Motto „Ich schütze mich“. Die kann ich wirklich nur jedem ans Herz legen. Lachen ist bekanntlich die beste Medizin.
Also, liebe Leute, lasst euch impfen! Damit macht ihr den besten Gesundheitsminister, den Deutschland je hatte, glücklich. Dass ich als Ungeimpfter noch nicht an Corona erkrankte, ist sicher ein glücklicher Einzelfall (eine Anomalie).
Prost! Auf die Impfung! Auf Lauterbachs Impfkampagne! Auf die Gesundheit!

Öde ist immer noch besser als blöde

Ich verbrachte 2 Tage im Büro und 3 im Homeoffice. Ich hatte nur wenig kollegialen Kontakt, und das Dokumentieren war öde.

Karl Lauterbach seines Zeichens Deutschlands derzeitiger Bundesgesundheitsminister rührt bereits wieder eifrig die Werbetrommel für Masken und Impfungen und droht mit schärferen Maßnahmen für den Herbst und Winter, wenn die Bürger nicht artig sind und deswegen die Zahlen steigen. Das sei keine Angstmache, fügte er seiner Rede hinzu. Wie kommt er darauf, dass seine Anmahnungen den Menschen evtl. Angst machen könnten? (Muss ich als Ungeimpfter Angst haben, wieder in keine Kneipe gehen zu dürfen, beschimpft und geächtet zu werden?)  

Das Wochenende läutete ich mit einem Feierabendbier in der Kupferkanne ein. Die üblichen Freitags-Stammis waren da. Man lässt ein paar Sprüche ab und lacht zusammen. Necip klagte über die steigende Miete und andere steigende Kosten. Nächste Woche müsse er die Preise anheben. Bisher gab ich immer reichlich Trinkgeld…

Als Fatalist habe ich relativ wenig Ängste. Irgendwer sagte: Akzeptiere, was du nicht ändern kannst. Ich lebe im Hier und Jetzt. Etwas trübsinnig machen mich die Aussichten hinsichtlich Rente und meinem näher rückenden Ableben aber schon. Schließlich weiß ich als Ex-Altenpfleger, wie beschissen es kommen kann. Nur gut, dass man nicht in die Zukunft schauen kann.
Wenn die Dumpfbacken in den Machtzentralen der Welt so weiter machen, erübrigen sich bald alle Sorgen um die Zukunft.

Gar nicht so übles Herbstwetter heute in Berlin. Ich sollte rausgehen und durch den Kiez streunen…