Was sagen mir die Sterne?

Glück ohne Schmerz ist nicht denkbar. Es sieht so aus, als wäre das Glück von einer Corona des Schmerzes umgeben. Geburt und Tod umschließen das Leben. Der Weg zum Sieg ist von Niederlagen gepflastert. Das Glück der Liebe hängt am seidenen Faden. Jeglicher Reichtum wird zur Last. Das Aufglühen des Seins versinkt in der Nacht. Ich laufe gegen viele Wände, bevor ich einen Ausweg finde. Die Schönheit verblüht. Ich versacke im süßen Schmerz der Melancholie. Was sagen mir die Sterne? Ich öffne mein Herz und fühle nichts. Ich lasse mich von einem Tag in den nächsten fallen. Bin ich noch am Leben, wenn es nichtmalmehr weh tut? Warum weine ich, wenn ich nichts empfinde?
Ich werde immer auf dem Heimweg sein, vorbei an offenen und geschlossenen Türen. Wenn ich doch wüsste, was ich suche. Vielleicht ist mein Zuhause zu weit weg, oder es ist einfach da, wo ich gerade bin. Ich sollte glücklicher sein. Ständig laufe ich an mir selbst vorbei.

Ich sehe diese entsetzlichen Weiten des Weltalls, die mich einschließen, und ich finde mich an einem Winkel dieses gewaltigen Raums gefesselt, ohne dass ich weiß, warum ich an diesem Ort und nicht vielmehr an einen anderen gestellt bin, und warum die kurze Frist, die mir zu leben gegeben ist, mir gerade zu diesem Zeitpunkt und nicht vielmehr zu einem anderen der ganzen Ewigkeit, die auf mich folgt, bestimmt ist. Ich sehe überall nur Unendlichkeiten, die mich wie ein Atom und wie einen Schatten einschließen, der nur einen unwiederbringlichen Augenblick lang dauert.

Blaise Pascal

Brasko und der Engel (6)

Ein Tag ist ein Tropfen im Ozean der Zeit. Gott weiß das, weil er das Meer des Daseins in seiner Gesamtheit vor Augen hat. Wir Menschen dagegen leben in einem irren Phantomschmerz. Wir verlieren uns in den Einzelteilen. Das Bewusstsein wurde zur Falle. Wir landeten im Größenwahn und glauben, es Gott gleichtun zu können. Dabei wissen wir im Grunde gar nichts. Die Welt gehört uns nicht. Es gibt nichts zu erobern. Die Welt gehört nicht mal Gott. Er verwaltet sie lediglich.

„O Herr, bist du zufrieden mit mir?“ Bibi lächelte und schmiegte sich an meine Schulter.
„Für dich Mr. Brasko“, sagte ich und umarmte sie, „ich bin hochzufrieden, Bibi…, aber setze dich bitte nie weder als transparentes Lichtwesen auf meine Couch.“
„Hihi, ich erscheine in der Form, die dir genehm ist, O Herr, äh, Mr. Brasko.“
Ich drückte sie fest an mich und küsste ihren kleinen Engelmund.
„Aber Mr. Brasko… Ooooh!“

Mein Leben befand sich in der totalen Flaute. Mannschaft und Kapitän waren dauerbesoffen, und der Matrose im Ausguck litt längst an Depressionen. Ich hatte eigentlich nichts zu verlieren…
Als Birgit bzw. Bibi mir die Wahrheit über ihren göttlichen Auftrag eröffnete, wollte ich ihr natürlich nicht glauben. Bestimmt befand ich mich im falschen Film – falscher Kinosaal. Kann schon mal passieren, dass man aus Versehen in einer Paralleldimension landet. Nun gibt es Situationen, wo man zwar nach wie vor zweifelt, aber schließlich zu sich selbst sagt „Scheiß drauf!“. (Ich hatte weiß Gott schon andere Aufträge gemeistert.) Bibi hatte mich in den 2 Tagen um den Finger gewickelt. Ich fühlte mich wie im 7. Himmel. Gegen eine Verlängerung dieses Zustands war nichts einzuwenden…
Außerdem konnte ich als Gottes Nachfolger oder wenigstens kurzfristige Vertretung vielleicht an der ein oder anderen Stellschraube drehen… für eine bessere Welt. Nein, ich würde mich nicht zu sehr einmischen. Ich dachte vielmehr: Wenn Gott glücklich ist, dann sollte sich das automatisch auf die Menschen übertragen. Ein Gott im Burnout-Modus konnte nichts Gutes auf der Welt bewirken. Ich dagegen war neu im Job mit einem bezaubernden Engel an meiner Seite.

 

Die Zeit wiegt schwer

Auf alles, was existiert, prasselt die Zeit ein, bis das Ding oder das Lebewesen ihr erliegt. Die Zeit zermürbt/erdrückt. Man wird sie nicht los, und ständig kommt neue Zeit hinzu. Viele Menschen fragen: „Wo ist die Zeit nur hin?“ Aber das ist falsch. Ich spüre die Jahrzehnte auf meinem Buckel – gleich einem riesigen unsichtbaren Rucksack, den ich ständig mit mir herumschleppe, und der von Jahr zu Jahr schwerer wird. Die Zeit ist nicht weg. (Schön wär`s.)
Als junger Mensch spürt man die Last der Zeit noch nicht, und wünscht sich gar, dass sie schneller vergeht, um endlich den Führerschein machen zu dürfen oder sich von den Eltern nichts mehr sagen lassen zu müssen. Die ersten vier Jahrzehnte nimmt man wie ein Hürdenläufer und merkt immer noch nicht viel…
Es ist falsch ausgedrückt, dass die Zeit vergeht. Andersherum ist es richtiger: sie kommt ständig hinzu. Frontal. Oft brutal. Sie hört keinen Moment auf. Die Zeit bringt, was sie bringt. Wir nennen es Schicksal. Die Menschen ersannen tausenderlei Methoden, um dem zu entgehen, was unweigerlich auf sie zukommt. Es ist nichts anderes als Zeitkosmetik. Oft eine lächerliche Fassade. Clowneskes Getue. Niemand hält die Zeit auf, wir alle erliegen ihr früher oder später. Und bis es so weit ist, schleifen/tragen wir diesen riesigen Sack voller Zeit durchs Leben. Darum der Frieden und die Erleichterung, den ich oft in den Gesichtern von Verstorbenen wahrnahm. Es sah wirklich so aus, als wären sie eine Riesenlast losgeworden…
Trotzdem hängen wir in aller Regel am Leben und sehnen den Tod nicht herbei. Zum Leben verdammt. Jedes Lebewesen erfüllt einen Plan, der nicht in Frage zu stellen ist. Wer trotzdem fragt, der hat ein Problem. So sind wir Menschen – durch irgendeinen Kurzschluss im Denken fragen wir nach Sinn und Zweck der Veranstaltung, die wir Dasein nennen. So begann es mit der Spiritualität, der Philosophie und den Religionen. Letztlich auch alles Kosmetik bzw. eine Sache des Glaubens. Wer feste glaubt, muss sich weniger der Realität stellen. Wer steht schon gern sein Leben lang im Regen? Wir alle sind auf der Suche nach einem Unterschlupf, einem Hafen…

Zurück zum Phänomen Zeit: Hier und jetzt: Der Sonntag plätschert wie eine lauwarme Dusche auf mich nieder. Ich sehe eine Woche Homeoffice auf mich zukommen. Nicht wirklich aufbauend. Ich werde mich durchschleppen. Hauptsache das Lächeln nicht verlieren. Weil ich noch von Liebe träume. Liebe ist sowas wie eine Antischwerkraft, welche alles leichter macht.

 

„Ich bin`s nur“ oder: Das Ding mit dem Dasein

Bevor ich die Frage nach einem Leben nach dem Tod stelle, frage ich vordererst nach dem Mysterium Leben. Was treibt mich an diesem Ort in dieser Zeit um als eine Kreatur, die sich Mensch nennt? Wer spricht aus mir? Ist das meine Seele? – oder ist es einfach dieser Nervenknoten in meinem Kopf, auch als Hirn bekannt? Und was heißt in diesem Zusammenhang Bewusstsein? Natürlich weiß ich, dass ich ich bin. Immer und immer wieder wache ich als derselbe auf, als der ich am Vorabend ins Bett ging. Und die Welt ist auch noch dieselbe, wenn ich meiner Erinnerung Glauben schenken darf. Freilich auf längere Sicht betrachtet, änderte ich mich schon – da muss ich mir nur ältere Fotos anschauen oder alte Gedichte und Blogbeiträge lesen. Es tat sich einiges in den mittlerweile fast sechs Jahrzehnten, in denen ich Tag für Tag die Sonne auf- und untergehen sah. Ich reifte heran und wurde Mitglied der Erwachsenenwelt. Wobei ich mit dem Attribut „erwachsen“ so meine Probleme habe. Aber das ist ein anderes Thema. Im Großen und Ganzen verlief mein Leben derart, wie es eben in unserer Gesellschaft vorgesehen ist. Wir leben in einer Art Korsett, und viele Menschen brauchen das auch, um nicht den Halt zu verlieren. Ich dagegen fühlte mich von den Erwartungen, Vorgaben und Zwängen durchweg gepiesackt und eingeengt. In meinem Kopf nahmen die Fragezeichen betreff der Sinnhaftigkeit menschlichen Treibens sowie der bestehenden Ordnung nie ab. Die Welt, in die ich geboren wurde, war mir fremd. Sie ist mir bis heute fremd. Ich lernte es, mich bis zu einem gewissen Grad anzupassen. Reiner Überlebenstrieb. Und natürlich veränderte ich mich mit den Jahren…, wie jede Kreatur dem Werden und Vergehen des Lebens unterworfen ist. Im Kern jedoch blieben meine Fragen nach dem, was ich hier eigentlich treibe. Und dieser Kern ist vielleicht das, was gemeinhin auch als Seele bezeichnet wird. Aber wo kommt die Seele her? Von meinen Eltern und Ahnen? Oder von den Sternen? (- was mir angenehmer wäre.) Ich glaube, dass von meinen Erzeugern lediglich die äußere Form stammt: zum einen körperlich, auch gewisse Charakterzüge, Begabungen, Stärken und Schwächen, quasi alles, was genetisch determiniert ist. Der Kern (oder die Seele) dagegen machen mein Ich aus. Selbst wenn das oberflächlich gesehen nur Leere sein sollte. Ich spüre, dass in meiner Form etwas ist, das den Tod überleben wird. Ich stelle mir die Seele wie einen Geistersamen vor, der von einer Form in die nächste fließt. Die Materie würde ohne diesen Geistersamen in sich zusammenfallen…

Soweit meine heutigen Gedanken zu dem entscheidenden Thema, welches mich, seit ich denken kann, beschäftigt und gewissermaßen prägt. Äußerst mysteriös das Ding mit dem Dasein…
Als ich am Morgen aufstand, hatte ich einen sonderbaren Gedanken: Wie wäre das, wenn ich in den Spiegel schaute, und die Person, die ich sähe, sie wäre nicht ich, sondern eine andere… Ich zögerte wirklich für ein paar Momente in den Badezimmerpiegel zu blicken. Verschlafen blinzelte ich dann doch hinein… und erkannte dieselbe Hackfresse wie immer. Die grinste mich breit an und meinte: „Ich bin`s nur.“
Was ein Trost!

 

Alle noch am Leben?

Die Welt ist gefühlt gefährlich. Besonders der Großstadtverkehr. Dann die vielen Krankheiten, die nur darauf warten, sich in dein Leben einzumischen. Schließlich noch all das andere wie: von der Leiter fallen, einen tödlichen Stromschlag bekommen, von etwas Herabfallendem erschlagen werden, Ertrinken, Opfer eines Brandes werden, Vergiftung…, und schließlich und endlich gibt es da noch Mord und Totschlag, Terror und Krieg. Jeder Tag kann der letzte sein.
Ich habe mal wieder eine Woche geschafft. Gut, das Büro ist nicht unbedingt der gefährlichste Ort. Eher sterbe ich zuhause im Bad durch einen unglücklichen Sturz. Auch Herzinfarkt und Schlaganfall sind aufgrund meines Alters, meines Bluthochdrucks und Alkoholismus nicht ganz abwegig. Ich dachte in dieser Hinsicht schon immer fatalistisch. Es kommt, wie`s kommt. Muss man das Elend bis ins hohe Alter mitmachen? Am Ende holt dich der Tod doch. Ich setze mich mit dieser Thematik schon seit meiner Jugend auseinander und komme zu dem Schluss, dass Leben und Sterben für das selbstbewusste Individuum ein Irrsinn sind. Oder anders gesagt: Es sollte/dürfte mich gar nicht geben. Bewusstsein bedeutet im Denken eine hochgradige Freiheit, welche aber in der biologischen Schöpfungswelt nicht vorgesehen ist. Ein Grund, warum der Mensch Ideen von Gott und einem Leben nach dem Tod ersann – eben um sich der Widersinnigkeit seines Daseins nicht zu stellen. Dass man sich dabei selbst in die Tasche lügt, wird in Kauf genommen. Wie der Volksmund sagt: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Und: Nichts Genaues weiß man nicht.