Öde ist immer noch besser als blöde

Ich verbrachte 2 Tage im Büro und 3 im Homeoffice. Ich hatte nur wenig kollegialen Kontakt, und das Dokumentieren war öde.

Karl Lauterbach seines Zeichens Deutschlands derzeitiger Bundesgesundheitsminister rührt bereits wieder eifrig die Werbetrommel für Masken und Impfungen und droht mit schärferen Maßnahmen für den Herbst und Winter, wenn die Bürger nicht artig sind und deswegen die Zahlen steigen. Das sei keine Angstmache, fügte er seiner Rede hinzu. Wie kommt er darauf, dass seine Anmahnungen den Menschen evtl. Angst machen könnten? (Muss ich als Ungeimpfter Angst haben, wieder in keine Kneipe gehen zu dürfen, beschimpft und geächtet zu werden?)  

Das Wochenende läutete ich mit einem Feierabendbier in der Kupferkanne ein. Die üblichen Freitags-Stammis waren da. Man lässt ein paar Sprüche ab und lacht zusammen. Necip klagte über die steigende Miete und andere steigende Kosten. Nächste Woche müsse er die Preise anheben. Bisher gab ich immer reichlich Trinkgeld…

Als Fatalist habe ich relativ wenig Ängste. Irgendwer sagte: Akzeptiere, was du nicht ändern kannst. Ich lebe im Hier und Jetzt. Etwas trübsinnig machen mich die Aussichten hinsichtlich Rente und meinem näher rückenden Ableben aber schon. Schließlich weiß ich als Ex-Altenpfleger, wie beschissen es kommen kann. Nur gut, dass man nicht in die Zukunft schauen kann.
Wenn die Dumpfbacken in den Machtzentralen der Welt so weiter machen, erübrigen sich bald alle Sorgen um die Zukunft.

Gar nicht so übles Herbstwetter heute in Berlin. Ich sollte rausgehen und durch den Kiez streunen…  

  

Das Nest

Über das Haus, in dem ich wohne, gibt es nicht viel zu sagen. Es hat fünf (oder sind es sechs?) Stockwerke. Ich wohne unten. Ich kenne die Leute kaum, die über mir wohnen. Sie ziehen ein und aus. Nur wenige wohnen wie ich seit Jahren hier. Zu den Eingesessenen gehören außer mir eigentlich nur das schwule Pärchen unterm Dach und der Pole in der 1. Etage, der als Hausmeister fungiert. Ansonsten wechseln die Namen auf den Klingelschildern oft. Ich tippe auf Studenten. Alle möglichen Nationen sind vertreten. Der Pole drängt sich jedem auf. Ich mag ihn nicht. Inzwischen kapiert er es und wir grüßen uns nur noch anstandshalber.
Im Hinterhof gibt es eine Werkstatt für Mini Cooper. Der Chef ist okay. Er nimmt die Pakete an, die nicht zugestellt werden können und ist immer freundlich. Ich glaube, er macht einen guten Job. Aber ich besitze leider keinen Mini… Daneben im selben Gebäude ist eine Tanzschule. Viele junge Leute sehe ich des Öfteren im Hof, wenn sie kommen oder gehen. Keine Ahnung, was dort für Tänze aufgeführt werden.
Hinter dem Hinterhof existiert noch ein zweiter Hinterhof, in dem ich so gut wie noch nie war. Auch dort ist irgendwas. Meine Neugier hält sich in Grenzen.

Das Haus, in dem ich wohne, steht in Berlin unter tausenden ähnlichen Häusern. Alles klebt aneinander… In unmittelbarer Nähe befinden sich zwei Parks. Das finde ich gut, vor allem im Frühling und Sommer. Da ich keinen Balkon habe, sind das die Orte, wo ich Wärme, Lebendigkeit und Licht auftanke. Auch die ein oder andere Kiezkneipe besuche ich gern (seit einigen Monaten für Ungeimpfte wie mich dummerweise nicht möglich). Ich finde es ziemlich praktisch, dass im Kiez vieles zu entdecken ist und nah beieinander liegt. Das Fahrrad reicht mir völlig. Zum Glück wohne ich sogar relativ nah an meinem Arbeitsplatz, was mir einige Kollegen/Kolleginnen neiden.
Alles in allem will ich nicht meckern.

Über Nacht

Ich blickte heute Morgen aus dem Fenster und dachte: Man kann es Schnee nennen. Um nicht nur zu gucken, sondern diese seltene winterliche Erscheinung noch sinnlicher zu erfahren, duschte ich schnell und hüpfte in meine Klamotten. Ich nahm mir einen Rundgang vor: Erst eine Strecke durch den Park am Gleisdreieck, rechts abbiegen zum Supermarkt, Einkaufen und zurück durch den Nelly-Sachs-Park am Teich vorbei… Keine große Sache, kaum ein Kilometer. Immerhin ein Vorhaben ganz entgegen meiner Gewohnheit, das Wochenende mit dem Schreiben eines Blogbeitrags einzuläuten und erst am Nachmittag zum Einkaufen eine Runde durch den Kiez zu drehen. Und das nächste Novum: Ohne Fahrrad! Ich entdeckte die Muße des Gehens für mich wieder. Ich stapfte durch den Schnee und dachte: Wow!

 

Im Rausch von Sonne, Bier und Lockerungen

Ein paar Flaschen Bier beim Nahkauf besorgt und einen Sonnenplatz im Nelly-Sachs-Park ergattert. Die Menschen strömten am frühen Nachmittag. Der Feiertag, das tolle Wetter, die Corona-Lockerungen bewirkten, dass man sich benahm, als gäbe es keine Gefahr für die Gesundheit, als wäre das Virus ein schlechter Witz. Im Nelly-Sachs-Park war es verhältnismäßig ruhig, auch wenn der Spielplatz wieder geöffnet hatte. Ich chillte ein gutes Stündchen in der Sonne mit meiner Lieblingsmusik in den Ohren. Dann drückte die Blase, und ich legte eine Toilettenpause zuhause ein. Weiter ging es durch den Kiez, vorbei an Puschels Pub, wo sich freilich noch nichts getan hatte. In einem dortigen Nahkauf für Getränkenachschub gesorgt und zum Park am Gleisdreieck geradelt. Dass ich dort auf größere Menschenmengen treffen würde, war mir klar, aber was ich dann sah, übertraf meine Vorstellung bei weitem. Ich kam nur im Schritttempo voran, weil kreuz und quer Kinder umhersprangen, Spaziergänger in Gruppen unterwegs waren, Spielbälle umherrollten und flogen, Freizeitsportler joggten und skateten… ein Tohuwabohu an Menschen auf den Wiesen und Wegen. Normalerweise kein Platz für mich. Allerdings war ich über das Bild, das sich mir darbot, derart erstaunt, dass ich nicht anders konnte, als mich an dieser obskuren Szenerie in Corona-Zeiten sattzusehen. Ich traute meinen Augen nicht. Es hätte ein riesiges Polizeiaufgebot gebraucht, um die Menschen zu vertreiben. Und das wäre sicher in Gerangel und Gewalt eskaliert. Wahrscheinlich ganz bewusst zeigte sich nicht eine einzige Polizeistreife. Ich erspähte lediglich einige Park-Ordner, die Fotos machten. Hier konnte man exemplarisch beobachten, wie wir uns vom Verhalten unserer Mitmenschen anstecken lassen. Warum so eine blöde Maske tragen? – die anderen machen es doch auch nicht. Wozu Abstand halten? – hier hält doch niemand Abstand. Ein Schlag ins Gesicht für die vielen Gastronomen, die immer noch unter den Corona-Einschränkungen darben. Alle Regeln wurden über den Haufen geworfen. Lass mich doch mit diesem Corona-Virus in Ruhe… Ich selbst bin zwiegespalten. Wie ernst muss man Covid-19 nehmen? Heute Morgen las ich in einem Artikel, dass die Sterblichkeit in Deutschland im Vergleich zu den Vorjahren aufgrund Corona um 11% anstieg (betr. die letzte Woche im April, für die Daten vorliegen). Das ist nicht von Pappe. Sie sprechen von einer Übersterblichkeit. Kann man alle Zahlen einfach wegwischen? Oder verdrehen?
Die Regierung beugte sich dem Druck aus Öffentlichkeit und Wirtschaft. Möglicherweise wird sich das rächen. Wenn man als Kutscher die Zügel zu sehr lockert, gehen die Pferde durch. Ich schaue gespannt auf die nächsten Zahlen.

 

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Park am Gleisdreieck

 

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mein Reisefahrrad

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Kaninchen im Gestrüpp

 

Frühling in Berlin, Kiez-Tour und das Toilettenpapier-Rätsel

Meine Kiez-Tour führte mich vorbei am Straßenstrich über den Nollendorfplatz zum Winterfeldplatz. Der Türke hatte geöffnet und auch schon erste Tische und Stühle aufgestellt. Na also, dachte ich, holte mir ein großes Flens und ließ mich gleich mal nieder. Das erste Mal in diesem Jahr kam meine Sonnenbrille zum Einsatz. Ich hatte sogar einen Anflug von Urlaubsgefühl.
Immer mehr Menschen (vor allem Rentner) fanden am frühen Mittag diese städtische Ruhe- und Sonnenoase. Der Türke stellte weitere Tische auf.

 

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am Winterfeldplatz

 

Nach einer guten entspannten Weile radelte ich zum Nahkauf unweit meiner Wohnung. Der Nahkauf ist ein kleiner Supermarkt am Bülowbogen mit etwas Tante-Emma-Flair. Die Mitarbeiter(innen) sind sehr nett und auch mal zu einem kleinen Plausch mit den Kunden/Kundinnen aufgelegt. Viele Regale waren leer, aber eigentlich wollte ich sowieso nur Wein und Bier nachkaufen.
An der Kasse fiel mir auf, dass die Nachstehenden ihre Wägen u.a. mit Klopapier vollgepackt hatten. Ich konnte mir eine ironische Bemerkung nicht verkneifen:
„Es gibt noch Klopapier?“
„Ja“, lachte die Kassiererin, „es kam vorhin eine neue Lieferung.“
„Oh! Dann sollte ich schnell noch eine Runde durch den Laden drehen…“
Die Leute mit dem vielen Klopapier hatten wohl verstanden, wie ich es meinte und flüchteten sich in ein verhaltenes Lachen. Ich wünschte mir, dass einer von ihnen das Geheimnis der übermäßigen Nachfrage an Toilettenpapier in den Zeiten des Corona-Virus lüftete – aber Pustekuchen. Ich hörte beim Einpacken meiner Einkäufe lediglich, wie die Kassiererin eine Kundin darauf hinwies, dass sie nur drei Pakete (à 10 Rollen) kaufen dürfe.

Was für ein schöner Tag! musste ich auf meinem Weg nachhause immer wieder denken. Zügig entledigte ich mich meiner Last, um sofort wieder nach draußen zu starten. Der Park am Gleisdreieck sowie der kleinere Nelly-Sachs-Park liegen gleich um die Ecke. Ich radelte erstmal Richtung Gleisdreieck und war schon etwas erstaunt über die vielen Menschen, die sich auf den Parkwegen tummelten und mit ihren Kindern auf dem Spielplatz waren. Von wegen Corona-Virus-Ansteckungsangst. Die nächste Überraschung war der geöffnete Biergarten des BRLO-Brauhauses. Der liebe Gott meinte es gut mit mir!

 

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am Gleisdreieck

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Aufkleber mit der Bitte, 1,5 Meter Abstand zu halten

 

(Dass auf meinen Fotografien wenige Menschen zu sehen sind, hat vor allem damit zu tun, dass ich die Persönlichkeitsrechte meiner Mitmenschen diesbezüglich achte. Auch ich will nicht fotografiert/gefilmt werden!)

In Ausgebe-Laune

Nach ca. 90 Minuten waren wir durch. Viel Blabla. Ich hatte meine Mittagspause vorgezogen. Das Bier entkrampfte mich ein wenig. Es gibt einfach Sachen, mit denen ich mich nie anfreunden werde. Dazu gehören Workshops, Präsentationen und auch Mitarbeitergespräche. Ich hatte keinen Plan. Das letzte lag zwei Jahre zurück. Nun sollte es wieder jährlich stattfinden. Mist. Aber gut: Davonlaufen gilt nicht. Meine Chefin und Co-Chefin hatten eine standardisierte Liste vor sich liegen. Die Punkte darauf wurden nach und nach abgearbeitet. Am Schluss fragten sie nach den Zielen, die ich mir fürs nächste Jahr setzen wollte… Obwohl ich null Idee hatte, hörte ich mich reden. Meine Chefin war positiv angetan. Ich musste nur aufpassen, dass ich mich nicht verquatschte, bzw. zu viel quatschte.
Einigermaßen erleichtert verließ ich das Büro der Chefin. Noch ein paar Tumorfälle, und wieder war eine Arbeitswoche rum.

Nach dem obligatorischen Einkauf im Supermarkt radelte ich stracks Richtung Pub über den breiten Bürgersteig an der Potsdamer Straße vorbei am LSD (Love, Sex & Dreams) und allerlei armen Kreaturen und buntem Volk. Ich mag diese Ecke, auch wenn sie zu den verrufensten Berlins gehört – kein scheinheiliger Glanz, die Menschen einfach-geradeheraus, der Bodensatz der Gesellschaft, wozu auch die herumlungernden dunklen Gestalten, Zuhälter und Nutten gehören. (Gesindel eben.)

Kaum hatte ich mich gesetzt, stand bereits das Bier vor mir. Sitas Augen leuchteten wie große schwarze Perlen in den Rauchschwaden. Sie trug eine lustige Wollmütze und zeigte wie immer viel Brust – ihr größtes Pfund. Dazu ihr geschwätziges Lachen, während sie von einem Gast zum anderen wuselte. Sita gehört zu den süßesten weiblichen Granaten, denen ich je begegnete.
Das Pub war bereits gut besucht. „Wahrscheinlich der kalten Jahreszeit geschuldet“ meinte ich zu Edgar, der neben mir saß, Stammgast und Urgestein – Lebensalter 60 +. Ich kann mich nicht entsinnen, dass er mal nicht zugegen war. Wir quatschten eine Weile über dies und das. Edgar verfügt über ein großes Wissensspektrum. Er gehört zu den Belesenen, ohne dies aber hervorzukehren. Aus seinem Äußeren macht er sich nicht viel. Sein Bart urwüchsig, das lange Haupthaar über die lichten Stellen zurückgekämmt und am Ende schlicht mit einem Haushaltsgummi zusammengebunden. Er ist als Dauergast und Intelligenzia im Pub geachtet. Das Pub sei seine Familie, sagte er mir. Wenn Edgar geht, dauert das ziemlich lange…, bis er sich von allen verabschiedet hat.
Ich gab Edgar einen aus. Vor ein paar Tagen, hätte ich fast meinen Geldbeutel liegen lassen. Wahrscheinlich hatte ich ihn nach dem Bezahlen danebengesteckt. Ich war fast schon draußen, als mich Harrys gewaltige rheinländische Stimme zurückbeorderte. „Halt! Ist das vielleicht dein Geldbeutel!?“ Ich griff erschreckt in meine Jackentasche. Tatsächlich!
„Danke!“ rief ich in die Runde, in welcher auch Edgar saß, „das nächste Mal gebe ich einen aus!“
Und nun wollte ich mein Versprechen umsetzen. Als Edgar ging, kam Harry an die Reihe. Wir stießen an. Auch Harry gehört zu den unverwechselbaren Erscheinungen. Sein spärliches Haar klebt glatt am Kopf. Stets kommt er mit einer orangenen Vespa angefahren und bleibt nie lange, tingelt zwischen Wettbüro und Kiezkneipen hin und her. Sita stellte ihm seine Flasche Brandy auf die Theke. „Die machen wir jetzt leer“, meinte er in seiner rheinländisch-schnoddrigen Art. Gut, dachte ich, und schaute auf den Pegel in der Flasche. Kaum hatte Harry mir ein paar irre Geschichten von Kneipen und Zuhältern erzählt, musste er wieder los. Ein Getriebener. Die leere Flasche reichte er Sita zum Entsorgen, das Bier ließ er stehen. Er wurde im „Virage“ erwartet, einer Schwulenkneipe nähe Nollendorfplatz. Also Helm auf und losgezischt.
Draußen war es inzwischen finster. Aber erst 18 Uhr. Immer mehr Gäste strömten ins Pub. Es wurde unangenehm laut und eng. Zeit zu gehen für mich. Fehlte noch Karl-Heinz, dem ich einen ausgeben wollte. Beim nächsten Mal dann.

Berlin ist die Welt

Woran ich merke, dass ich in Berlin bin: Am Kopfsteinpflaster, an den vielen SUVs und Luxuskarossen selbst in Wohngegenden wie meiner…, am chaotischen Verkehr und daran, dass alles vollgeparkt ist, an den vielen Spätkauf-Läden, den vielen Kebap-Buden, dass an manchen Orten kaum noch deutsch gesprochen wird, an den vielen bärtigen Männern, den vielen Burka tragenden Frauen, an den traumatisierten Ostdeutschen und den saufenden Polen und Russen, an den Dealern nicht nur im Görlitzer Park, am Straßenstrich ein paar Meter von hier, an den gebrauchten Spritzen im Gebüsch neben einem Kinderspielplatz, an den vielen Bettlern und Gestrandeten allerorts, an den vollen Bussen und U-Bahnen, an dem Dreck und Elend, an dem ich jeden Tag vorbeigehe und wegschaue…, an der maximalen Spanne menschlicher Existenzen – von absurd hässlich bis zu ikonischer Schönheit, von widerlich abstoßend bis zu faszinierender Anziehungskraft…, und alles (und noch viel mehr) läuft nebeneinander im Potse-Kiez ab, wo ich seit vier Jahren wohne, arbeite, lebe, atme, mein Bier trinke.
Das Ganze erscheint mir in seiner Bildgewalt wie aus einem wahnwitzigen Comic entlehnt, und ich mittendrin. Um mich herum abertausend Geschichten: Paralleluniversen Wand an Wand. Die unterschiedlichsten Menschen ertragen einander, denn sie sind allesamt Nutznießer des Gebildes Großstadt. Neben dem Nebeneinander müssen sie in Alltagssituationen in ein Miteinander eintauchen, verlieren dabei vielleicht die Scheu voreinander und gewinnen Toleranz – sogar Sympathien für den Mitmenschen, der so viel anders ist. Wäre in meinen Augen jedenfalls wünschenswert. Was sich hier in Berlin jeden Tag vor meiner Haustür abspielt, bildet die Zukunft der Menschheit ab in einer Welt, die immer voller wird, wo wir alle dichter zusammenrücken müssen, uns notwendigerweise ertragen müssen… Es gibt keinen Ausweg und keinen Platz für Extrawürstchen. Mauern werden eingerissen unter dem Druck der Menschenmassen. Nicht nur die Mauern und Grenzen zwischen Staaten und Lebensbereichen werden obsolet, auch die Schranken in unseren Köpfen müssen sich zwingend öffnen. Ich behaupte nicht, dass es einfach ist – weil ein sich der Welt öffnen nicht ohne Einschränkungen funktionieren wird. Vor allem Einschränkungen im Konsum, im Wohnraum und in der Mobilität werden wir alle hinnehmen müssen. Ich würde eine solche Entwicklung als eine Gesundung der Gesellschaft empfinden nach dem Motto „Weniger ist mehr“.
Klar ist auch, dass es nicht ohne Chaos abgehen wird. Ich hege allerdings Vertrauen in die synergetischen Kräfte und hoffe auf eine friedliche Zusammenführung der Weltkulturen und Staaten. Wenn die Menschheit sich bewusst für eine Zukunft auf dem Planeten Erde entscheidet, wird sie keine andere Wahl haben: Wir werden nur mit Menschenliebe, der Achtung vor der Natur, unseren Mitgeschöpfen und unserem Lebensraum der Selbstvernichtung entgehen…
Okay, genug geschwafelt. Bin ja eher pessimistisch drauf, was die Zukunftsaussichten angeht.
Aber ich denke, wenn ich es schaffte, in Berlin anzukommen, dann ist noch nicht aller Tage Abend.

Sag ich doch

Hertha spielt heute 15 Uhr 30 – da wird`s im Pub voll sein. In der letzten Zeit verbringe ich fast täglich eine Stunde im Pub, genauer gesagt Puschels Pub. Ich sage eine Stunde, weil ich selten mehr als drei Pils trinke. Die sind in einer Stunde zu schaffen. Viel länger wollte ich dort nicht an der Bar sitzen: zu verraucht, und die Stammgäste sind eine Gesellschaft für sich. Ich dränge mich nicht auf, trinke mein Bier, blättere in einer Zeitschrift oder schaue einfach vor mich hin. Durch die Fensterfront sieht man das Leben auf der Potsdamer Straße, was teilweise recht skurril ist – ich meine die Figuren, die da vorbeilaufen, ein regelrechtes Panoptikum menschlicher Erscheinungen.
Am liebsten habe ich, wenn es nicht zu voll ist an der Bar. Das wird heute Nachmittag sicher nicht der Fall sein (wg. Hertha). Ich könnte freilich in eine andere Kneipe ausweichen, aber da gibt`s sonst nicht viel nach meinem Geschmack. Und so nötig habe ich`s nicht. Mein Bier kann ich auch zuhause trinken.
Nun ist Berlin so groß, aber die richtige Kneipe für mich fand ich noch nicht. Entweder sind mir die Lokale zu spießig, zu uninteressant oder zu abgefuckt. Oder sie liegen in einem anderen Kiez und öffnen erst spät. Man hat`s nicht einfach auf der Welt.