Im Goldfischglas

Nach längerer Zeit mal wieder aus dem Büro und nicht aus dem Homeoffice ins Wochenende gegangen. Wir waren eine nette kleine Gesellschaft von 5. Ich fühlte mich wohl unter meinen Kolleginnen. Wenn nur jeder Arbeitstag so entspannt verliefe.

Die Betriebsamkeit der Stadt dagegen ereilte mich nach wenigen Metern wie ein Raubtier, das mich von allen Seiten angriff. Die Sonne stand tief, würde bald die Dächer der hohen Wohnhäuser schrammen. Ich radelte an den Parkbänken vorbei… Ich wusste nicht, wonach mir der Sinn stand.

In der Wohnung angekommen, streckte ich mich auf der Couch aus und schaltete den Fernseher ein. Es gab nichts. So ähnlich musste sich ein Fisch im Goldfischglas fühlen…

 

Heiligabend 2021

…ist ein Pisstag (in Berlin). Ich war noch mal kurz Einkaufen, damit ich am Wochenende nicht auf dem Trockenen sitze. Natürlich war der Nahkauf ziemlich voll. Die Bediensteten trugen Weihnachtsmannmützen. (Oder wie nennt man die noch?) Eigentlich gehöre ich nicht zu jenen, die auf den letzten Drücker vor Feiertagen einkaufen. Aber Einkaufen ist für einen alleine lebenden mehr als nur das Auffüllen seiner Regale und des Kühlschranks. Es bedeutet eine Gelegenheit für echte menschliche Kontakte, auch wenn man dabei nicht viel redet. Man grüßt sich, wird kurz beachtet. Wenigstens ein paar Minuten am Tag. Weihnachten ist mir schnuppe, aber für viele, die ebenso alleine in ihrer Wohnhöhle hausen wie ich, ist diese Zeit besonders deprimierend. Noch schlimmer trifft es die Obdachlosen. Die durch die Corona-Maßnahmen der Regierung hervorgerufene Vereinzelung in der Gesellschaft verschärft die Lage zusätzlich. Eine schöne Bescherung ist das, wenn man sich am sogenannten Fest der Liebe besonders einsam und gesellschaftlich abgewiesen fühlt… Nein, bei mir ist alles noch relativ okay. ich bin seit ewigen Zeiten Weihnachtsverweigerer. Gott sei Dank gibt es keine Weihnachtspflicht.

Der Bürotag war mein Highlight der Woche. Auf meinem Schreibtisch fand ich ein kleines Geburtstagsgeschenk. Das rührte mich. Ich kam sogar mal wieder zu einer Umarmung. Dann führte ich noch ein langes Telefonat mit meiner Bürokollegin (die an dem Tag im Homeoffice arbeitete). Es hatte zwischen uns in den letzten Monaten eine Verstimmung gegeben. Die konnten wir endgültig ausräumen. Sie erzählte mir, warum sie sich kommunikativ zurückgezogen hatte. Es lag nicht daran, dass ich mit der Corona-Impfung auf Kriegsfuß stehe. Es hatte mit anderen Problemen zu tun und Blablabla. Uff! – ich war echt glücklich. In der Mittagspause ging ich raus, holte mir ein Bier bei einem nahen Kiosk (Spätkauf), setzte mich in den Kleistpark und lächelte vor mich hin. Was für eine verrückte Welt!
Die Zeit verging an diesem Tage wie im Fluge. Wie wunderbar ist es doch, sich angenommen und wertgeschätzt zu fühlen! – So sollte es sein zwischen uns Erdenbürgern: nicht gegenseitig aufstacheln lassen, sondern zusammenhalten. Es geht nicht darum, dass man in allen Dingen übereinstimmt. Es geht um Mitgefühl, gegenseitiges Verständnis und Menschlichkeit.  

Allen Bloggern und Lesern schöne Feiertage!

    

Mother Freedom

Einigen meiner Arbeitskolleginnen sagte ich, dass ich mich nicht impfen lasse… Wenn der Buschfunk so gut funktioniert, wie ich denke, dürften es inzwischen fast alle wissen. Bisher ereilten mich keine kritischen Äußerungen – man hält sich da offenbar (noch) zurück. Natürlich weiß ich nicht, was hinter meinem Rücken palavert wird. Ganz sicher stößt meine Entscheidung bei der ein oder anderen Kollegin und wahrscheinlich auch bei meiner Chefin auf Unverständnis – gehöre ich doch zur sogenannten Risikogruppe. Jedenfalls entschied ich mich, in die Offensive zu gehen, weil mir die wiederholten Fragen nach meinem Impfstatus auf den Keks gehen.

Nun aber erstmal 2 Wochen Urlaub – Hurra! Auch mit den derzeit eingeschränkten Freiheiten eine Freude. Sogar eine besondere! … Wir kennen das aus Kindertagen: Der Wert einer Freiheit orientiert sich am Maß der bestehenden Unfreiheit.

Im Büro gewesen

1 Tag pro Woche ist erlaubt. Will man öfter ins Büro kommen, muss man das vor der Chefin explizit begründen. Wir waren zu sechst. Wenn alle kommen, sind wir ca. 30.
Ich genoss die Begrüßung am Morgen und die Gespräche mit den Kolleginnen, die da waren. Nach ein paar Stunden kam die Sonne raus. In meiner Mittagspause marschierte ich um den Block. Auf der Sonnenseite schmolz der Schnee.
Zum Feierabend war die Sonne weg. Die Wege vereist. Ebenso mein Fahrrad, das ich im Hof abgestellt hatte. Es blieb mir nichts anderes übrig, als es zu schieben.
Ich traf Necip, den Wirt der Kupferkanne, auf dem Heimweg. Fast erkannte ich ihn nicht, wie er in dicker Winterjacke und mit Mütze daherkam. Wir beklagten, dass die Politik beschlossen hatte, den Lockdown zu verlängern. Wenigstens waren wir bisher gesund geblieben. Schmerzlich wurde mir bewusst, wie sehr ich die Kneipen vermisse: die menschliche Wärme und Nähe, die kleinen/kurzen „Aufsteller“, maskenlose lachende Gesichter…
In meinem Briefkasten fand ich einen Brief von der „Bundesregierung“. Darin 2 Berechtigungsscheine für jeweils 6 Schutzmasken, die ich mir in der Apotheke abholen kann. 2 Euro Eigenanteil pro Berechtigungsschein. Warum sie das in zwei Zeiträume splitteten – keine Ahnung.
Ich packte meinen kleinen Einkauf aus, während mein Fahrrad im Wohnungsflur auftaute. Danach fläzte ich mich mit einem Bier auf die Couch und schaltete die Glotze an… einfach damit etwas lief.


und nein – das Damenrad auf dem Bild rechts oben ist nicht meins

Hatschiii!

Über mir zog ein junges Paar mit Kleinkind ein. Gerade hörte ich sie im Treppenhaus, als die Mutter mit dem Kinderwagen die Stufen hinunterpolterte. „Rumms, rumms, rumms…“ Das Kind scheint brav zu sein. Selten höre ich es schreien oder weinen… Der Tag beginnt trübe. Ohne Schreibtischlampe würde ich die Tastatur kaum erkennen. Ich tippe so vor mich hin… als klimperte ich auf einem Piano Versatzstücke von Melodien, planlos… Für die Gemütlichkeit könnte ich ein paar Kerzen anzünden. Der Sonntag-Blues – O Yeah! Morgen winkt mal wieder ein Bürotag. Ich werde ein paar der Hühner wiedersehen. Schön, schön. Trotzdem wird die Zeit mit der Tumordokumentation lang werden. Schon komisch das alles (Leben, Welt und Trallala). Heute Morgen nach dem Aufstehen hatte ich das Bild vor Augen, dass das Nichts nieste und damit die Welt erschuf… Ich muss oft niesen, vor allem, wenn ich ins Büro komme oder vom Kalten ins Warme. Wer weiß, warum das Nichts niesen musste. Kinder entstehen auch durch eine Art Niesen. Der Penis des Mannes niest in die Muschi der Frau. Und schon nimmt das Elend seinen Lauf…


Fuck! – There`s no spring on Mars

Eigentlich wollte ich die ganze Woche im Homeoffice verbringen. Doch als mich meine Bürokollegin am Dienstag anrief, um mir mitzuteilen, dass der Corona-Test des Kollegen negativ ausgefallen war, entschloss ich mich kurzerhand, zwei Bürotage einzuschieben. Ich brauchte dringend etwas Abwechslung, zumal ich auch das letzte Wochenende vorwiegend in den eigenen vier Wänden verbracht hatte. Ich kann ganz gut ein paar Tage lang alleine verbringen… aber alles hat seine Grenzen. Die zwei Tage Büro taten mir wirklich gut. Die Launen meiner Bürokollegin ertrug ich gelassen. Ich freute mich über jeden direkten verbalen Kontakt, über jeden Blickkontakt und jedes Lächeln. Und der Feierabend fühlte sich wieder nach Feierabend an.
Ich war regelrecht sozial ausgehungert nach sechs Tagen zuhause. Radio und Fernsehen halfen nur bedingt zur Ablenkung. Der direkte zwischenmenschliche Kontakt ist eben durch nichts zu ersetzen. Auch wenn die Fallzahlen weiter steigen werden, will ich nächste Woche wieder wenigstens zwei Tage ins Büro.
So hangele ich mich von Wochenende zu Wochenende. Die nun herbstliche Witterung macht das Ganze auch nicht gerade besser. Wärme, Sonnenlicht, die Aufenthalte in Park und Biergarten fehlen mir. Ich darf an die monatelange Durststrecke bis Frühling 2021 gar nicht denken. Aber okay, mir geht`s gut. Ich habe einen Arbeitsplatz, ein Dach überm Kopf, genug zu essen und trinken und Zentralheizung. Ich habe Computer, TV und Hi-Fi. Warme Socken und Pullover liegen im Schrank bereit. Ich stelle mir einfach vor, ich wäre auf einer Reise zum Mars, wobei ich es recht komfortabel hätte. Und wenn ich den Mars erreichte, wäre Frühling…


Vorerst Homeoffice

Kurz vor Feierabend ein Anruf von der Chefin. Sie bat mich, vorerst im Homeoffice zu bleiben. Ich sagte, dass ich wegen der derzeitigen Corona-Entwicklung auch darüber nachgedacht hatte. Wenn ich schon die Möglichkeit dazu habe… und Blablabla. Daraufhin rief ich meine Bürokollegin an und teilte ihr mit, dass ich Montag und wahrscheinlich die ganze nächste Woche im Homeoffice verbleiben werde. Im Verlaufe unseres Telefonates erfuhr ich, dass ein Kollege sich testen ließ, weil er stundenlang mit einem Corona-Positiven Kontakt gehabt hatte. Seit Donnerstag ist er darum zuhause, bis er das Testergebnis erhält. Und nun herrscht darob große Aufregung unter den Hühnern – tausend Fragen, Eventualitäten und persönliche Befindlichkeiten. Bei einer positiven Testung dürfte das gesamte Büro-Personal Quarantäne aufgebrummt bekommen. Von diesem Vorfall hatte die Chefin am Telefon gar nichts erwähnt. Sie wollte mich wohl vorm Wochenende nicht unnötig beunruhigen. Aber warum sollte mich das beunruhigen? Seit Donnerstag bin ich im Homeoffice, und ich weiß nicht, wann sich besagter Kollege infiziert haben könnte, also jenen speziellen Kontakt hatte. Vielleicht erst Mittwochabend… (Dann hätte er mich gar nicht anstecken können.) Aber lassen wir diese Gedankenspielerei. Ich bin ganz froh, dem Gaga-Hühnerstall für ein paar Tage entfliehen zu können. Wobei die Arbeit am Computer zuhause, aufgrund der fehlenden sozialen Kontakte, noch öder ist als im Büro. Das dauerhafte alleine vor mich Hinbrüten wirkt sich negativ auf meinen Gemütszustand aus. Man nennt es Versumpfen oder im eigenen Saft schmoren. Symptome: Lethargie, Trägheit, Müdigkeit, depressive Anwandlungen, Selbstgespräche…
Okay, das mit den Selbstgesprächen hält sich noch in Grenzen.


Nass

Ins jährliche Mitarbeitergespräch ging ich mit langen Hosen. Nach ca. fünf Monaten zwängte ich mich erstmalig wieder in die Jeans. Am Morgen regnete es Hunde und Katzen, und es war dementsprechend kühl. Bereits nach wenigen Minuten war ich bis auf die Haut nass. Der Parka war den Regenmengen nicht gewachsen. Freilich hätte ich vom Fahrrad absteigen und den Schirm, den ich extra dabeihatte, aufspannen können. Aber sei`s drum, ich fuhr durch.
Als die Hühner über mein nasses T-Shirt witzelten, entgegnete ich keck: „Ich dachte, hier wäre heute ein Wet-T-Shirt-Contest.“
Im Büro trocknete ich alleine vor mich hin, da sich meine Kollegin ein verlängertes Wochenende gönnte. Gedanklich war ich auch schon im Wochenende.
Den Termin zum Mitarbeitergespräch hatte ich 1 Uhr. T-Shirt und Jeans waren inzwischen getrocknet. Die zwei Chefinnen und ich trafen uns im Konferenzraum. Ich mag solche gezwungenen Situationen auf den Teufel nicht: Eine Mischung aus Prüfung, Bewerbungsgespräch und Arztbesuch. Ich muss dabei stets gegen eine gewisse innere Aufgeregtheit ankämpfen und empfinde das Ganze als emotional sehr anstrengend. Darum folgt hinterher die glückliche Entspannung, zumal es sowieso nie schlimm kommt.
So auch diesmal. Als ich auf die Uhr schaute, war ich erstaunt, dass eineinhalb Stunden vergangen waren. Freudig verabschiedete ich mich von den Chefinnen ins Wochenende. Ich hatte mir den Feierabend verdient – aber sowas von!


Den Feierabend begoss ich im Pub. War kaum was los. In einer Ecke saß der alte Freddy, der immer stärker abbaut. Beim Drehen einer Zigarette fällt ihm die Hälfte des Tabaks auf den Boden. Eine Unterhaltung mit ihm ist zwecklos. Er nuschelt derart, dass niemand nicht ein Wort versteht. Und wenn er aufsteht, muss man Angst haben, dass er beim ersten Schritt umkippt.
Ich hatte das erste Bier hinter mir, da kam Brandy-Harry auf seinem gelben Motorroller angerauscht. Er setzte sich neben mich und versuchte sich an einem Silbenrätsel in der Berliner Zeitung.
„Freddy baute in den letzten Monaten ganz schön ab“, meinte er.
„Ja, das fiel mir auch schon auf. Wird ein schlimmes Ende nehmen.“
Ich fand, dass auch Harry zunehmend schlechter aussah. Sein Gesicht fahl und knochig, und ich glaubte, eine ungesunde gelbe Tönung wahrzunehmen. Wird wohl dem Brandy geschuldet sein.
Wir redeten noch über dies und das, Corona, den vergangenen Sommer, und blickten versonnen hinaus auf die Potsdamer Straße, auf die Passanten, den Verkehr, die gegenüberliegenden Hausfassaden, die Stadtbäume, deren Blattwerk noch grün leuchtete…


Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen

Es war schön, die Hühner wiederzusehen. Besonders meine Bürokollegin. Ich mag das Menscheln und Lachen unter uns. Der innerbetriebliche Hickhack läuft leider nach wie vor auf Hochtouren, was äußerst anstrengend, frustrierend und ermüdend ist. Besonders meine Bürokollegin leidet darunter, weil sie sich allzu gerne in die Dinge verbeißt. Sie findet nicht immer den gesunden Abstand. Dazu private Sorgen. Sie ist Mutter einer fast erwachsenen Tochter – die Betonung liegt auf „fast“.
Also ich bin wieder mittendrin und ließ die erste Arbeitswoche nach dem Urlaub mit zwei Homeoffice-Tagen ausklingen. Etwas zwiespältig meine Gefühlslage: Zum einen fühle ich mich menschlich wohl unter meinen Kolleginnen und Kollegen, zum anderen ist die Tumordokumentation sehr mühevoll und unbefriedigend mit ihren vielen Ungereimtheiten, SOPs und ewigen Diskussionen, wobei kein Ende abzusehen ist, im Gegenteil… Das Ganze ist vergleichbar mit einer Riesenbaustelle mit zig Teilbaustellen, wo einem schwindelig wird, wenn man über die Dimensionen nachdenkt. Die Dokumentation mutet dabei an wie ein riesiges Puzzle, wo Teile fehlen oder nicht zusammenpassen… Es ist zum Haare raufen. Ich bin sicher, dass ein Außenstehender nur Bahnhof verstehen würde, wenn er z.B. einer unserer Dienstbesprechungen lauschte. Selbst ich frage mich nach dreieinhalb Jahren nicht selten: Worum geht es hier eigentlich?? – Wahrscheinlich bin ich zu doof für diesen Scheiß. Zu viele parallele Strukturen und Formalismen, die beachtet werden müssen, zu viele Daten, die sich nicht einfach zuordnen lassen. Das ist alles nicht gerade die Arbeit, die ich mir für die verbleibenden Jahre bis zur Rente vorstellen mag.
Nächste Woche habe ich mein jährliches Mitarbeitergespräch… Hoffentlich finde ich die richtigen Worte zu ihren Fragen.