Fahrkartenkauf am Vatertag

Mein Zug geht schon kurz vor 8 am Sonntag. Alle späteren Züge nach Hamburg hatten keinen freien Fahrrad-Stellplatz. Ich fahre mit einem IC, damit ich nicht umsteigen muss. Kurz nach 10 werde ich bereits in Hamburg aufschlagen – also falls alles klappt. Meine größte Sorge ist immer das Einsteigen mit Fahrrad und Gepäck. Das kann stressig werden und wehtun. Hilfe vom Bahnpersonal erhält man selten.

Nach dem Fahrkartenkauf war ich noch auf ein Bier in der Kupferkanne. Necip grillte, d.h. sein Schwiegersohn stand am Grill. Der Laden brummte. Die ganze Familie war im Einsatz. Die Tische vor der Kneipe waren alle besetzt, also begab ich mich an die Bar und betrachtete von Drinnen die Kulisse. Rose, die hinter der Bar stand, war ganz schön im Stress. Bald hatte ich mich sattgesehen. Ich fand niemanden zum Plausch. Mit einem Steak und einer Wurst im Gepäck machte ich mich auf den Heimweg.

Sonntagmorgen

Seit einer Stunde Hubschrauber-Geknatter über Berlin. Ich schätze wegen des Selenskyj-Besuchs.

Ich sitze wie jeden Sonntagmorgen am Schreibtisch und drehe Däumchen.

Der Blick aus dem Fenster zeigt mir: Heiter bis wolkig. Ich lasse Luft in die Bude.

Es ist Muttertag.

In Bremen wird gewählt. Wird wohl wieder Rot-Rot-Grün.

Und in der Türkei wird gewählt. Ob es Erdogan nochmal macht? Die Mehrheit der Deutsch-Türken sind Erdogan-Wähler.

Noch 3 Arbeitstage und ich habe gut 2 Wochen Urlaub. Warum bin ich nicht entspannter?

Ich süffele an meinem ersten Drink.

Das Internetradio spielt Evergreens aus den Sparten Rock, Blues und Soul.

Das Hubschrauber-Geknatter hat aufgehört.

Im Haus alles friedlich. Noch sind nur wenige Menschen unterwegs.



Von Seite zu Seite

Ich schreibe ab von einem Buch, das täglich vor mir liegt. Nicht immer kann ich die Schrift gut entziffern. Meine Sehkraft lässt langsam nach. Und manchmal kommt mir das Buch so schwer vor, dass ich es gar nicht erst aufschlagen will. Das Buch nennt sich mein Leben. Jeder Tag eine Seite. Die Story ist alles andere als spannend. Und dann diese elend langen philosophischen Monologe. Am liebsten würde ich einige Seiten überspringen. Warum passiert nicht mal wieder was Entscheidendes? Viele Bücher haben diese Hängepartien, wo es nicht weitergehen will. Ich befinde mich gerade in einer, in etwa auf Seite 22.000. So genau kann ich es nicht sagen. Ich sehe aber, dass ich inzwischen um einiges über die Mitte des Buches hinaus bin. Hoffentlich zieht sich das Ende nicht zu sehr.

Viel mehr ist heute nicht drin. Es ist Samstag, der 13. Mai 2023, nach der Zeitrechnung, die mein Leben taktet. In Berlin scheint die Sonne. Köln gewann gestern Abend 5:2 gegen Hertha. So ist das Leben. Wozu sich das Ganze angucken, wenn man schon vorher weiß, wie mies das Ergebnis wahrscheinlich ausfällt?
Von Verlierer zu Verlierer sage ich: „Macht weiter Jungs. Das Buch wird erst nach der letzten Seite zugeklappt.“

Genaugenommen hätte ich es mir sparen können

Die Bayern gewannen gegen die Hertha, was abzusehen war. Trotzdem hofften fast alle in der Kupferkanne auf ein Wunder. Immerhin stand es bis zur Halbzeitpause noch 0:0.
Ich süffelte an meinem Bier und glotzte aufs Spiel. Stinkender Zigarettenrauch zog an mir vorbei hin zur Eingangstüre, die offen stand. Gabi hatte viel zu tun. Die Kneipe war gut gefüllt. Necip, der Wirt, saß wie üblich am Tisch mit einer Tasse Kaffee. Er konnte zufrieden sein. Gabi bedeutete ihm, dass ein Fass leer war. Behände sprang er auf, um im Keller ein neues anzustechen. Er ist flink wie ein Wiesel, wenn es ums Geschäft geht. Sowieso zeigt er sich gern als Macher, der alles im Griff hat. Ich nehme es ihm nicht übel. Eine Kneipe zu führen ist sicher kein Zuckerschlecken.
Ich ging ein paar Minuten vor Spielende. Ich fühlte mich nicht wohl in dem Kabuff voller Menschen, die mich eigentlich nichts angingen. Draußen sprang mir ein sonniger Tag entgegen.

Den Frieden gewinnen – nicht den Krieg

Das Riesenfaultier wird sich mal wieder vom Sofa erheben und sich durch Berlin bewegen. Es schaute schon mal nach, wo der Ostermarsch startet: In Wedding, nicht weit von der U-Bahnstation Leopoldplatz. Wohin marschiert wird, steht nicht auf dem Flyer.
Einfach mal ein paar Eindrücke sammeln. Diesmal hoffentlich ohne Platznot (wie bei der Friedenskundgebung am Brandenburger Tor). Gedränge kann ich absolut nicht ab.
Der Wetterfrosch verspricht „teilweise sonnig bis 13°C“. Klingt ganz gut. Am liebsten würde ich im Biergarten sitzen, und die Demonstranten marschierten um den Biergarten herum – typisches Wunschdenken eines Riesenfaultiers. Realistischerweise sollte ich ein paar Bier im Rucksack mit mir führen.

Na dann.

In der Höhle des Löwen

Ich hatte mit Gabi um ein Bier gewettet. Sie setzte auf Sieg für Hertha und ich auf Unentschieden. Freiburg ging in der 2. Halbzeit in Führung. Das Spiel nahm an Fahrt auf. Schließlich schaffte Hertha noch den Ausgleich. Ich bekam mein Bier und gab es Gabi übers Trinkgeld zurück.
Immer mehr junge Leute strömten in die Kupferkanne. Sie kamen wegen des folgenden Knallerspiels Bayern-Dortmund. Necip stürzte sich in die Arbeit. Ich konnte die Dollarzeichen in seinen Augen sehen. Ich hatte für den Tag genug Bier und genug Fußball.
Wie ich gerade las, siegten die Bayern mit 4:2. Die natürliche Ordnung ist also wiederhergestellt. Bestimmt strahlen die Bayernbosse über alle vier Backen. Schon allein wegen des kaltschnäuzigen Trainerwechsels hätte ich den Bayern eine Klatsche gewünscht. Nicht dass mir Nagelsmann besonders leid täte…, er wusste, dass er sich in die Höhle des Löwen begab. Fußball ist ein knallhartes Geschäft.

Ein Viertel des Jahres liegt schon wieder hinter uns. Ich kann 2023 bisher nicht viel Positives abgewinnen. Das Rad der Geschichte dreht sich weiter. Die Flimmerkisten laufen. Die Welt ist eine Tragikomödie. Hurra, wir leben noch.

   

Verabschiedung

Der Büro-Freitag verging schnell. Ein gemeinsames Frühstück zur Verabschiedung einer langjährigen Kollegin in den Ruhestand war angesagt. Auch meine Lieblingskollegin, deren Zeitvertrag auslief, kam noch vorbei, um ihre Sachen zu holen sowie Transponder und Dienstlaptop abzugeben. Ich hatte mich dafür stark gemacht, dass sie bleiben kann, aber daraus wurde nichts. Und sie selbst machte am Ende auch nichts dazu. Wir tauschten unsere Nummern und E-Mailadressen aus. Einen gemeinsamen Besuch des Grosz Museums in der Bülowstraße schieben wir schon seit einer guten Weile vor uns her. Sie ist ein lieber Mensch. Schade, dass ich sie als Kollegin verliere.
Den Feierabend begoss ich in der Kupferkanne in kleiner Runde. Die alte Gabi bediente. Der rundliche Mustafa und ein 80zigjähriger Stammgast, den alle nur „Schlecki“ nennen, forderten die Spielautomaten heraus. Ich schaute hinaus in den Regen.