In der Kupferkanne

Gegen Ende meiner kleinen Kiez-Tour zu meiner Hausbank landete ich in der Kupferkanne. Rose, die Wirtin (in ihrem früheren Leben Hebamme), war überrascht, mich zu sehen. Sie kennt mich seit Jahren nur als Mittagspausen-Gast. Ich wollte mal eine Abwechslung zum Pub, was ich Rose aber nicht sagte.
Ich fand gerade noch einen Platz an der Bar. Die Kneipe war gut gefüllt in Erwartung des Schlagerspiels „Hertha – Leipzig“. Warum nicht, dachte ich. Das Fußballspiel lief auf einem großen Flachbildschirm über dem Eingang. Ich freute mich für Rose und Necip, ihrem Mann, dass sie ein volles Haus hatten. Es wurde ein kurzweiliger Nachmittag, nicht nur wegen des Spiels (- nebenher antwortete ich auf Kommentare zu meinem aktuellen Beitrag „Toleranz“).
Necip servierte gratis frische Falafel-Bällchen auf einem Teller – wirklich sehr lecker! Ich fühlte mich gut umsorgt und blieb keine Minute auf dem Trockenen. Als mir ein Kerl, der sich vor mich an die Bar gezwängt hatte, ein Gespräch aufdrängen wollte, verdrehte Rose die Augen. Sie hatte Sorge, dass mich der Typ nerven könnte. Aber mir ging es ausgezeichnet. Auch wenn der Typ mir nicht ganz geheuer erschien. Immer wieder drehte er sich zu mir um und fragte, ob er auch nicht im Wege stünde, wobei er mich frech angrinste. Ich ließ mich nicht aus der Fassung bringen, lachte und stieß mit ihm an. Seine Figur und kurzgeschorener runder Schädel erinnerten mich an Haseks Soldaten Schwejk. Ein gewisser Schwejk`scher Schalk saß ihm durchaus im Nacken – ich konnte nur nicht abschätzen, ob der gut- oder bösartig war. Er erklärte mir, dass er Leipzig den Sieg wünschte, schon weil seine Mama dort geboren wurde. Ich hatte keinen Favoriten, aber ich neige dazu, für den Underdog zu sein . Am Schluss stand es 1 : 2 aus Herthasicht. Ich hätte ihnen den Ausgleichstreffer in letzter Minute gegönnt, auch wenn es Leipzig gegenüber ungerecht gewesen wäre. Die Reihen lichteten sich in der Kupferkanne. Ein Blick auf die Uhr mahnte auch mich zum Aufbruch, denn ich wollte noch ein Paket abholen. Auch Schwejk schickte sich an zu zahlen.

Ich pflanzte mich auf mein Brompton und düste zum Spaeti in der Potsdamer Straße, wohin mir Hermes das Paket geliefert hatte. Vor ein paar Tagen überkam mich die Anwandlung, für meine nächsten Meisterwerke in Acryl schon mal die Keilrahmen zu bestellen. Sozusagen als Ansporn für die Weiterarbeit an dem vor einem Jahr angefangenen Bild, das geduldig auf der Staffelei ausharrt. Ich weiß, dass ich nur einen Anstoß brauche. Doch es muss der richtige sein. Alles hat seine Zeit. In der Kunst wie in der Liebe. So jedenfalls meine Philosophie. Eines Tages wird es fertig sein – der Titel ist es schon: „Taube, die aus dem Bild fliegt, in Puerto de Mogán“.


50 Gedanken zu “In der Kupferkanne

      • nö. ich glaube nicht, dass ich depressiv oder wie voller gram wirke. eher nett, freundlich, gescheit, ruhig, zurückhaltend. es wurde mir auch schon arroganz angedichtet…, welche ich vielleicht in irgendeiner weise ausstrahle. aber ich bin keineswegs arrogant, was man auch gleich merkt, wenn man mit mir ins gespräch kommt (oder auch nicht – lach!).

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      • Vielleicht scheint es manchen hier nur so, weil deine Beiträge oft so klingen.
        Aber wenn man zwischen den Zeilen liest sieht man auch die anderen Seiten an dir.
        Es lohnt sich zumindest immer, in meinen Augen, näher hinzusehen.

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      • Aber nur wenn die Person dahinter auch für mich stimmig erscheint oder mir zusagt, folge ich.
        Da nutzt der beste Blog auch nichts wenn ich mit der Person oder seiner Art und Weise nichts anfangen kann.

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      • ich mag menschen mit toleranz. wenn ich vorurteile oder hetze gegen gewisse menschengruppen mitkriege, reagiere ich abweisend. auch menschen mit elitären attitüden (z.b. hinsichtlich kunst/literatur) finde ich sehr unangenehm/abstoßend. am liebsten sind mir weltoffene menschen mit breiten interessen, mit denen man sich locker über gott und die welt unterhalten kann… das gilt allgemein und nicht nur für die blog-gemeinde.
        neben allen meinungen/haltungen sollte die „menschlichkeit“ herauszulesen sein.

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      • Ich weiß, das hattest du schon einmal erwähnt.
        Der Mensch ist ja nicht nur eindimensional, jeder hat viele Seiten/Schichten die man bei Interesse entdecken kann.
        Nicht nur in der Blogwelt, klar.
        Je offener man für anderes ist, desto vielseitiger kann man lernen, Erfahrungen sammeln.

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      • ich bin auch tolerant gegenüber leuten mit vorurteilen… so ist das nicht. bestimmt habe ich auch irgendwelche vorurteile. doch diese werden nie obsiegen, da ich mir das verbiete… aus verstandes- und herzensgründen.

        ja, da war mal eine haltung, die mich an dir erschreckte…

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      • Ich denke jeder Mensch hat Seiten die ein anderer nicht versteht oder nachvollziehen kann. Vor allem wenn man nicht den genauen Einblick hat.

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      • Das was du meintest ist nur ein Missverständnis, vielleicht nicht richtig formuliert von mir dass es dich erschrocken hat.

        Ich dachte du meintest meine konsequente Art mich von Menschen zu trennen.

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      • Nachdem ich gestern dein Kommentar über deine Eltern gelesen habe, dachte ich mir dass du in den Bereich nicht weniger konsequent bist. Kann mich aber auch täuschen.

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      • ich schloss mit meinen eltern frieden. sie liebten mich. ich liebte sie. das leben ist so, dass menschen, die einander lieben, sich sehr wehtun können – ungewollt oder aus blödheit.
        tiefe wunden bleiben. wenn sie heilen sollen, darf man sie nicht ständig reizen. distanz ist dann womöglich das mittel der wahl. das ist traurig.
        das leben ist konsequent. es lässt uns nicht immer eine wahl.

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      • Ich habe sie vor 13 Jahren aus meinem Leben geschlossen. Manchmal ist es für einem selbst gesünder diesen Schritt zu gehen. Auch wenn es nicht jeder nachvollziehen kann. Ich denke da muss jeder seinen eigenen Weg finden.
        Für mich gibt es da auch kein zurück mehr, egal was passiert. Es sind für mich nur Erzeuger, in mir fehlt die Bindung zu denen. Das macht es natürlich leichter. Ich habe für mich so den inneren Frieden gefunden.

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      • Das ist ein harter Schritt. Okay. Man muss sich schützen. Man amputiert ein Bein auch nur, wenn es unbedingt notwendig ist.
        Ich kriegte es ganz gut gebacken, solange ich eine gewisse Distanz halten konnte. Zumindest bildete ich es mir ein. Als sie dann starben, riss die Wunde wieder auf… Ich konnte sie nicht begleiten.

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      • Meine Schwestern, ich bin die Mittlere, schaffen es nicht. Ärgern sich aber jedes Mal oder sind enttäuscht. Es ist deren Sache, wir sind alle erwachsen und können selbst entscheiden.
        Aich zur Beerdigung, irgendwann, werde ich nicht gehen.
        Das versteht fast niemand.
        Aber es war und ist halt keine Lapalie, eine Meinungsverschiedenheit oder Streit. Es war und ist mein Leben womit sie umgegangen sind als sei es nichts wert.

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      • Ich bin auch nicht der Mensch, der sich verpflichtet fühlt, bloß weil es die Familie ist. Diese gesellschaftliche Erwartungshaltung schaltete ich für mich aus.
        Wie du es sagst: Erwachsene sollten das für sich entscheiden dürfen, ohne von der Restfamilie und gesellschaftlich geächtet zu werden.
        Bestimmt hattest du gute Gründe, mit deinen Eltern zu brechen.

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      • Meine Schwestern akzeptieren meine Einstellung und ich ihre. Nur habe ich denen vermittelt dass sie dann nicht ständig ihren Ärger oder ihre Wut bei mir abladen sollen.
        Geächtet werde ich deswegen nicht, zumindest nicht mehr wenn sie den Hintergrund kennen. Aber es ist schon ein komisches Gefühl fast ohne Familienhintergrund durchs Leben zu gehen. Ist aber nicht änderbar. Eltern kann man sich nicht aussuchen, man kann es selbst nur besser machen.
        Bei dir ist es ja kein Thema.

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      • Ja. Ich verspürte nie einen drängenden Kinderwunsch. Familie brauche ich auch nicht. Aber Freundschaft und die Liebe sind mir schon wichtig.
        Ich bin nicht böse auf meine Eltern. Möglicherweise wünschten sie sich auch nicht gerade einen renitenten Geist wie mich als Sohn.
        Mal sehen, wie das dann im Jenseits ist, wenn ich ihnen wiederbegegne.

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      • Dann bleibe ich lieber bei meiner Realität beim Ableben, lach…
        Freunde sind wie eine selbstgebastelte Wunschfamilie, wenn man Glück hat sie zu finden/haben.

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      • Ich bin meinen Freunden auch zu nichts verpflichtet.
        Aber es fühlt sich schon familiär an wenn man welche hat mit denen man alles unternimmt oder unternehmen könnte was auch eine Familie ausmacht.
        Verpflichtungen hat man schon zu Hause genug, die bräuchte ich in einer Freundschaft nicht auch noch.

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      • Klar. Die Familie ist die erste Gruppe, mit der wir Erfahrungen sammeln. Darum vergleichen wir alles mit ihr.
        Ich brauche keine Freunde, um Familie nachzuspielen. Ich vermisse die Familie nicht.
        Verpflichtungen ergeben sich in jeder menschlichen Beziehung.

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      • Ob man es als nachspielen bezeichnen würde, weiß ich nicht.
        Es ist einfach ein schönes miteinander wo man sich die Personen dazu aussuchen kann, im Gegensatz zur Familie.
        Klar, damit hast du Recht. Die Grenzen sind da fließend bis wohin man etwas zulässt.

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      • Oh, Nati … okay, … du wirst deine Gründe dafür gehabt haben. Puh. Das ist wirklich heftig. Ich kann aber nachvollziehen, dass es Konstellationen gibt, die so einen Bruch hervorrufen können.

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      • Es ist halt nicht alles rosa und heititeiti auf der Welt. Leider sind es keine Lapalien weswegen ich diesen Weg für mich wählte. Was gäbe ich drum wenn es so wäre. Die Tür ist zu und bleibt zu, damit ich gesund bleibe und in Frieden mit mir leben kann. Ich könnte auch dagegen angehen, aber womöglich ist alles verjährt. Und was hätte ich davon? Es wäre alles wieder präsent. Nein, dann lieber so. Mit der Schuld müssen sie leben und ich habe meinen Frieden.

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  1. Nachdem ich Puerto de Mogán gegoogelt habe, bin ich gespannt auf das Bild. Ich stelle es mir in vielen Blautönen vor. Blaues Meer, blauer Himmel mit einem angedeuteten Hauch grau-weißer Federn, dem Rest der Taube, da sie ja aus dem Bild fliegt. summasumarum: Ein Bild bestehend aus unzähligen Blautönen. und wie gesagt, ich habe Geduld, lass dir Zeit.

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