Brasko und das Lächeln der Freiheit (3)

„Bitte Wodka pur“, rief mir Freedom hinterher.
Wow! dachte ich, taffe Lady!
„Der ist gut“, sagte sie, nachdem ich wieder Platz genommen hatte.
„Ja, ein Geschenk einer guten Bekannten… Ich möchte Ihnen nicht zu nahetreten, Freedom“, setzte ich an, „aber wurde die Freiheit nicht schon immer mit Füßen getreten? Ist die Freiheit nicht die erste, die stirbt, wenn der Mensch auf dem selbstsüchtigen… oder ideologischen Trip ist?
Die Freiheit erlebte in der Menschheitsgeschichte nur kurze Momente, in denen sie wirklich geachtet wurde. Meist trug der Mensch sie nur plakativ vor sich her, ohne ihrem wahren Geist gerecht zu werden.“ – Ich nahm einen großen Schluck Wodka + Cola Zero koffeinfrei – „Nun frage ich Sie, wie kann ich Ihnen helfen??“
„Mr. Brasko, Sie haben recht, ich starb schon viele Tode. Sie übrigens auch“, Freedom lächelte mich voller Güte und Liebe an. Am liebsten hätte ich sie umarmt. Es gab Menschen, die Bäume umarmten oder ihr Auto streichelten… Warum sollte ich die Freiheit nicht herzen, wenn sie schon leibhaftig neben mir saß.
„Später“, sagte Freedom, die offenbar meine Gedanken lesen konnte oder sie zumindest erriet, „ich sollte endlich auf den Punkt kommen… Wie ich bereits erläuterte, wollen gewisse Mächte mir gerade gehörig ans Leder. Auch wenn ich ein Wesen aus einer feinstofflicheren Dimension als der Ihren bin, fürchte ich doch um mein Leben. Es ist nicht besonders angenehm, wie Sisyphos immer wieder von vorne zu beginnen – you understand?“ Freedom trank ihr Glas in einem Zuge leer und lachte lauthals, „Mr. Brasko, wissen Sie, dass Sie ein ganz außerordentlicher Mann sind?! Sie können sich geehrt fühlen, dass ich Sie auswählte… Gucken Sie nicht so verdattert! – bringen Sie mir lieber noch ein Glas dieses Spitzen-Wodkas!“

Bestimmt verfahren

So was kann passieren. Ein Tag ohne Licht. Das Heulen der U-Bahn im Ohr. Morgendlicher Blues. Die täglichen Nachrichten ertrage ich nicht mehr. Auf der Wodkaflasche das Emblem eines stattlichen Hirschs. Dafür, dass ich fast 6 Jahrzehnte im falschen Universum lebe, habe ich mich gut gehalten, denke ich und grinse innerlich. Ich meine, es könnte schlimmer sein. Es ist wie auf der Kirmes. Wenn man erstmal in der Achterbahn sitzt, gibt’s kein Zurück mehr. Okay, man kann sich krampfhaft festhalten, die Augen schließen und warten, bis es rum ist. Wieso haben die anderen eigentlich so viel Vergnügen daran? Was zum Teufel ist mit denen los?! – ich kann also nur falsch sein. Dieser Gedanke beruhigt mich etwas, denn ich will mich nicht unnormal fühlen. Falsch abgebogen oder falsch gelandet. So was kann schließlich passieren. Deswegen ist man noch lange nicht unnormal. Gott sei Dank sieht man mir das auch nicht an. (Oder doch?) Ich sehe im Großen und Ganzen aus wie alle anderen. Ich wollte nie auffallen. Lieber im Boden verschwinden. Intuitiv wusste ich schon immer, dass ich hier falsch war.
Der Tag ist noch in der ersten Runde. Sein Stoizismus überträgt sich auf mich. Er ist weder ein Sprinter noch ein Langstreckenläufer. Er kommt und geht. Tage sind Staffelläufer. Ich lasse mich fallen. Ich warte ab. Wie eine Spinne in einer Zimmerecke. Mit dem Unterschied, dass die dort genau richtig ist. Jedenfalls vermute ich es.

       

Eine Fantasie, die an ihrem Ende ist

Ärgerliche Wolken schieben meine Träume beiseite. Ich schwächele. Der Dienstag schlägt den Montag tot, der Mittwoch den Dienstag, der Donnerstag den Mittwoch und der Freitag den Donnerstag. Heute ist Samstag. Der Wodka schmeckt immer gleich.
Worte fressen sich wie saurer Regen durch mein Herz. Ich kann ihnen nicht entweichen. Die Enttäuschung ist übermächtig. Ich schwächele.
Ich fliehe vor der Hilfe. Ich werde niemals ein Vogel sein. Und auch kein Fisch. Oder Eisbär.
Auf der Couch lasse ich meine Arschbacken tanzen.

Weihnachten kann kommen

Vier Tage, die ich in der Hauptsache in den eigenen vier Wänden verbringen werde, liegen vor mir. Für genügend Getränke und Essen ist gesorgt. Als Alleinlebender habe ich eher zu viel als zu wenig davon. Trotzdem will ich auch heute noch mal kurz zum Nahkauf. Gestern vergaß ich Wodka und Butter. Auch ein paar „frische“ Brötchen könnte ich bei der Gelegenheit eintüten.
Da man das Weihnachts-TV-Programm getrost knicken kann (die alljährlichen Schmonzetten rauf und runter – würg/kotz!) grübelte ich nach einem Extra-Schmankerl für mich. Irgendeine Krimiserie, die ich schon lange nicht mehr sah. Ich erinnerte mich zurück an die amerikanischen Serien-Highlights in den Achtzigern und Siebzigern. Vor meinem geistigen Auge erschienen nacheinander „Columbo“ mit dem großartigen Peter Falk im knittrigen Trench Coat, „Die Straßen von San Francisco“ mit Karl Malden und dem jungen Michael Douglas (mein Gott, wie süß der damals war) und „Einsatz in Manhattan“ mit dem glatzköpfigen Lolly-Mann Telly Savalas… Diese Serien fielen mir spontan ein. Aber war da nicht noch was? Ich überlegte hin und her, und plötzlich machte es Klick! Natürlich, wie konnte ich dieses Urgestein nur vergessen! Kurzerhand bestellte ich mir 2 Staffeln, die mich rechtzeitig Anfang der Woche erreichten – gepriesen sei Jeff Bezos! Insgesamt warten damit 27 Stunden köstliche Krimi-Unterhaltung auf mich. Gut dosiert reicht es vielleicht noch über Silvester…

Klingelt`s bei euch, welche alte Serie ich meine?


Groovie

Immerhin wurde es am Nachmittag noch schön, d.h. die Sonne schien. War dann nur noch halbtrist im Park bei einer Flasche Cidre und meiner Lieblingsmusik im Ohr. Die Menschen stapelten sich auf den Wiesen und Wegen. Mir zu viel. Aber ich hatte genug intus, um la-la-la… Ich saß wie meist auf der Holztribüne vor einer größeren Sandfläche und schaute jungen Leuten bei einem Ballspiel zu. Sie schlugen per Schläger einen roten Gummiball hin und her. Tok – tok – tok – tok… machten sie ausgesprochen gut. Ein Flaschensammler, Marke deutscher Krautrocker + Althippie, setzte sich dazu, rauchte einen Joint und unterhielt sich mit denen, die vom Spiel pausierten. Sie kannten ihn schon. Nette Leute. Sprachen spanisch untereinander, konnten aber auch exzellent deutsch. Ich sah sie schon öfters spielen. Ein paar machen das richtig professionell. Bestimmt gibt es Wettbewerbe. Das Tok – tok – tok -tok verschwand, als ich meine Ohrhörer einsetzte und die Musik auf volle Lautstärke drehte. Yeah, it`s groovie, yeah-yeah – ich wippte im Takt der Musik mit dem Kopf und sah dem Ball zu, wie er von Schläger zu Schläger flitzte. Der Flaschensammler erhob sich und suchte die Holztribüne nach Pfandflaschen und Dosen ab. Viele reichten ihm unaufgefordert das Leergut. Da auf der Tribüne eine Menge Menschen herumsaßen, schätzungsweise über hundert, konnte er alle halbe Stunde einsammeln gehen. Danach zauberte er den nächsten Joint hervor und witzelte mit den jungen Leuten… Cooler Typ. Ich motzte den Cidre mit Wodka auf und ließ mich treiben. Zwischenzeitlich bekriegte ich mich mit den Wespen, die heiß auf den Cidre waren. Als ich die Flasche mit einer Stofftasche abdeckte, hatte ich Ruhe. Diese Stofftasche muss magische Kräfte besitzen. Ich habe sie schon viele Jahre lang. Sie ist nicht einfach eine Stofftasche. Ich bekam sie von einem besonderen Menschen. Vielleicht schreibe ich mal davon. Aber nicht heute – la-la-la…

 

Der Ausverkauf der Parkbänke

Bisher hatte ich Glück und konnte stets einen Platz an der Sonne ergattern. Streiten würde ich mich nicht um eine Parkbank. Als aufgeschlossener und freundlicher Zeitgenosse nehme ich mich gerne zurück. Es gibt Familien und Liebespaare, die die Bank viel besser als ich nutzen können. Aber wenn ich erstmal sitze, dann sitze ich. Freilich: würde man mich höflich fragen, würde ich bestimmt den Platz räumen. Eine Konversation könnte wie folgt ablaufen:

„Werter Herr, dürfte ich in aller Vorsicht eine Bitte an Sie herantragen. Ich will nicht unverschämt wirken…“
„Na klar, Mann, schieß los!“
„Wie Sie sehen, sind Plätze in der Sonne rar. Seit einer Stunde spaziere ich durch den Park, und nun suche ich ein schönes Plätzchen zur Rast. Wie gesagt, ich will nicht unverschämt wirken, aber ich sah Sie bereits vor einer Stunde hier sitzen…“
„Ja, Mann, ich sah Dich auch, wie Du hier seit einer Stunde wie ein Geier immer wieder vorbeikommst… Und nun willst Du dich also hierher pflanzen.“
„Ich würde mich auch gerne neben Sie setzen, aber wie Sie wissen, gibt es derzeit gewisse Umstände, die diese Nähe verbieten…“
„Ja, Mann, die fuckin` Corona-Abstandsregel. Okay: Ich wollte mich sowieso langsam vom Acker machen. Bewege Deinen Arsch also noch einmal rund um den Park, und dann bin ich weg.“
„Sie sind zu gütig, gnädiger Herr. Ich würde lieber hier warten, damit mir der Platz sicher wäre.“
„Fuck, ich mag`s gar nicht, wenn man mich drängt.“
„Aber nein! Fühlen Sie sich bitte nicht bedrängt. Beachten Sie mich gar nicht. Ich mache mich unsichtbar.“
„Scheiße Mann! Du hast verdammtes Glück, dass ich heute einen guten Tag habe! Unsichtbar? Ich lach mich tot! So hässlich, wie Du bist, kann man Dich unmöglich übersehen.“
„Mein Herr, bitte nehmen Sie Abstand von solcherlei Beleidigungen! Ich hatte Sie lediglich höflich gebeten…“
„Ganz genau, Mann! Und nun hab` ich`s mir anders überlegt. Verdufte aus meinem Blickfeld! Hopp-Hopp-Hopp! Es gibt auch noch andere Bänke, worauf du Deinen hässlichen Arsch pflanzen kannst.“
„Sie Rüpel! Ich werde einem Parkaufseher von Ihrem schlechten Benehmen berichten. Man muss sich nicht alles bieten lassen! Sie sind eine Schande für die zivilisierte Menschheit!“
„Fick Dich!“

Wie gesagt, wer mich höflich bittet, hat durchaus eine Chance. Ehrlich, in Wirklichkeit würde ich mich niemals wie in dem erdachten Gespräch verhalten… Im Gegenteil würde ich sofort nach der höflichen Anfrage aufspringen und meinen Platz anbieten. Ich kann`s mir auch auf der Wiese bequem machen oder mich im benachbarten weit größeren Park auf die Suche nach einem schönen Plätzchen machen. Die meisten Menschen sind aber schüchtern wie ich, und deswegen hatte ich meine Ruhe, trank Radler mit einem Schuss Wodka und hörte meine Lieblingsmusik durch Ohrstöpsel. Gute zwei Stunden lang.
Auch heute verspricht es wieder, ein ausnehmend schöner Frühlingstag zu werden…
Wehe dem, der seinen hässlichen Arsch auf meine Lieblingsparkbank pflanzt!!

 

img_20200327_154256

img_20200327_154102

der Platz an der Sonne

 

Zimmer 7

Der Typ, der gerade diese Zeilen tippt, das bin nicht ich. Ich kann ihn beobachten, wie er das alles macht: morgens aufstehen, zur Arbeit gehen, mit den Bürohühnern quatschen, Einkaufen, im Pub Bier trinken…, aber das bin nicht ich. Nicht wirklich – es ist ein Programm, das abläuft. Aber was ist schon wirklich? Heute Morgen, als ich aufwachte, kam mir alles total unwirklich vor. Lebe ich in derselben Welt wie gestern? Oder kriege ich es nur suggeriert? Fuck! Mich beschleicht das unheimliche Gefühl, dass irgendwas mit der Welt grundlegend nicht stimmt, und niemand merkt was. Jedenfalls nicht ernsthaft. Vielleicht haben viele einen ähnlichen Verdacht wie ich aber trauen sich nicht, darüber zu reden – weil es einfach zu verrückt ist. Dabei ist für uns das Leben, wie es sich abspielt, nur deswegen normal, weil wir nichts anderes kennen und unser Hirn darauf programmiert bzw. geeicht ist. Abweichungen gelten als pathologisch. Ich bin mir aber sicher, dass ich nicht irre bin, sondern die Welt. Ständig frage ich mich, was ich hier eigentlich mache. Spielt da jemand ein abgefahrenes Spiel mit uns? Nach dem Motto: du darfst jedes Zimmer dieses Hauses betreten, nur nicht Zimmer 7 im dritten Stock. Zimmer 7 ist tabu, kapiert! Darüber gibt`s keine Diskussion!
Oder anders gesagt: Wer über eine gewisse Grenze hinausdenkt, betritt gefährliches Terrain. Jedes Programm hat seine Knackpunkte. Wenn man nicht will, dass alles kippt, hält man sich besser an die Regeln. Dumm nur, dass ich im Denken ein verdammter Anarchist bin. Ich stehe auf der Türschwelle zu Zimmer 7. Ich habe Angst. Nein, es ist nicht direkt Angst. Ich kann es schwer in Worte fassen. Eine Art Kälte, würde ich sagen…

Der Typ, der gerade diese Zeilen tippt, das bin nicht ich. Habe ich das schon gesagt? Keine Ahnung, was mit mir heute los ist. Wiedermal einer von meinen idiotischen Tagträumen. Ich hätte gestern den Cidre besser ohne Wodka getrunken. Dazu die schwüle Hitze. Und auf der Wiese machten zwei Girls Yogaübungen, und ich musste immer wieder hingucken, auf ihre Ärsche und Titten, ihre weiblichen Kurven… Fuck! Das ist Leben!

Das Bett ist gemacht

Die Festplatte ab und zu aufzuräumen, kann kein Fehler sein. Programme, Bilder und Texte, deren man leid ist, lassen sich einfach zum Teufel schicken. Unser Gehirn, im Großen und Ganzen auch nichts anderes als ein Computer, sträubt sich leider gegen solche Maßnahmen. Mal von gewaltsamen Eingriffen in die Hardware abgesehen, müssen wir mit dem leben, was in unserer Birne ist – mit dem ganzen Scheiß, der sich über Jahrzehnte hinweg ansammelte. Auch wenn davon an der Oberfläche nicht viel oder gar nichts zu sehen ist, so arbeiten diese Altlasten ständig in uns, beeinflussen unsere Stimmung und wahrscheinlich sogar unser Handeln. Abschalten geht nicht. Wie schön wäre endlich Unbeschwertheit! Dem Vergangenen nicht mehr nachhängen, befreit von Trauer, Wut und Ärger. Zur Ruhe kommen. Weg mit dem ganzen Ungemach! Ein Neustart…

Wochenende. Seit Halb Sieben auf den Beinen. Das Bett ist gemacht. Die Waschmaschine läuft. Ich warte auf den Lieferdienst für Getränke und Lebensmittel. Eine bequeme Sache. Ich kann mich ganz der Muse in meinen vier Wänden widmen. Ich muss Dinge erfinden, damit ich was zu tun habe. Ich erfinde einen Traum. Ich erfinde mich und die Welt. Ich erfinde Tag und Nacht. Alles ist gut. Ich greife zum Glas. Ich drehe die Musik lauter. Das Rumoren des Waschvorgangs stört. Der Blues ist im Glas. Ich schütte nach. Es gibt sonst nichts. Nur eine Ahnung. Überall fuckin` Ahnungen. Ich wende den Kopf nach rechts und sehe in einen Tag… eine Waschküche mit hellen Streifen.