Ich wünsche mir Liebe

Der Pulverdampf hat sich verzogen. Der Lärm ist abgeklungen. Die Menschen schlafen in ihren Wohnsärgen, oder sie wachen gerade auf. Sie machen, was sie immer machen. Glückwunsch an alle, die Morgensex haben. Man kann schlechter ins Neue Jahr starten.
Ich bin seit ein paar Stunden wieder unter den Lebenden. Zumindest bilde ich mir das ein. Die Grenzen verschwimmen. Bald schon ist ein halber Tag vorbei. 2023 verliert unaufhörlich seine Jungfräulichkeit. Wir sollten es dem Neuen Jahr schön machen und nicht darauf hoffen, dass wir es von ihm schön gemacht bekommen. Alte Weisheiten gibt es zuhauf. Kann es überhaupt noch neue geben?

Im Altenheim verbrachte ich einige Silvesternächte allein mit den Bewohnern. Spätestens seit diesen Nächten mache ich mir nichts mehr aus Silvester.

Seltsame Vögel sind wir

Ich erwache mit den Vögeln. Etwa eine Stunde vor der Morgendämmerung. Die Vögel machen ihr Ding. Unabhängig davon, welchem Schwachsinn wir Menschen gerade nachhängen. Die Vögel sind weise. Sie führen keine Kriege. Ich weiß nichts davon. Es hört sich an, als würden sie einfach lautstark den Tag begrüßen. Ich lausche ihnen und vergesse dabei alles andere. Zumindest kurz.

Der Mensch will alles verstehen, also ersinnt er Religion, Philosophie und Wissenschaft… Er kann nicht fliegen wie ein Vogel, also baut er Flugzeuge. Er kann nicht schwimmen wie ein Fisch, also baut er U-Boote. Er kann nicht rennen wie ein Pferd, also baut er Autos. Er begreift die Welt nicht, also zerlegt er sie in ihre Einzelteile bis zum letzten – als sei die Welt eine seiner Maschinen.


Über das Lebendige hinaus

Stolz ist die Quelle meiner Kraft. Ich meine nicht den falschen Stolz: die Eitelkeit der Schönen oder die Arroganz der Mächtigen. Ich meine den urtümlichen Stolz des Seins, die Erhabenheit eines jeden Geschöpfes und jeder Erscheinung. Über das Lebendige hinaus.

Darum: Stolze Menschen zeigen Achtung voreinander und vor der Natur. Sie hören einander zu. Sie zeigen ihr Wohlwollen. Sie umarmen sich. Und wenn sie streiten, kommen sie danach wieder aufeinander zu.
Stolze Menschen stützen die Schwachen und kritisieren den Machtmissbrauch.

Die Welt gehört uns Menschen nicht. Aber wir verhalten uns so, als würden wir alles einfach in Besitz nehmen können.
Wir hören der Natur nicht zu. Wir hören uns auch untereinander nicht zu.

Wir sollten zurückfinden zu unserem urtümlichen Stolz, der uns mit allen anderen Wesenheiten verbindet.

Der falsche Stolz ist Gift für unsere Seelen. Er trennt uns von der universellen Liebe und sperrt uns in den Kerker der Verdammnis und Eigenliebe.

Darum: Stolze Menschen vermeiden Lügen. Sie betrügen weder andere noch sich selbst. Sie sind ein Quell an Aufrichtigkeit und Wahrheit. Sie lassen sich nicht leicht hinters Licht führen. Sie schauen hinter die Dinge.

Stolze Menschen sind weise.


Weniger Flugzeuge am Himmel

Am liebsten sind mir Feste wie Ostern und Weihnachten, wenn ich möglichst wenig davon mitkriege. Das gefällt mir auch an den jetzigen Corona-Einschränkungen: die Straßen und Plätze sind leerer, die Menschen weniger überdreht, man geht sorgsamer miteinander um, die Welt findet Zeit zum Durchatmen, weniger Flugzeuge am Himmel, weniger Verkehrslärm, weniger Partys, allerorts weniger Betriebsamkeit, dafür mehr Ruhe… Warum nicht immer so? Ich will gar nicht mehr zurück in den Zustand ständiger Aufgeregtheit und Mobilität, den wir Normalität nennen.
Ich bete also zu Gott, er möge Covid-19 noch gewaltig mehr Zeit geben. Ja, ich weiß, diese Bitte an den Weltschöpfer ist sehr egoistisch. Zu viele Menschen sterben an dem Virus. Auch stehen sehr viele wirtschaftliche Existenzen auf dem Spiel. Es wäre mir viel lieber, wenn wir einfach Kraft unseres Verstandes das ein oder andere zum Besseren auf der Welt veränderten und dazu nicht Katastrophen bräuchten. Schon komisch, dass ein Virus die Menschen hierzulande mehr zur Besinnung bringt als Weihnachten und Ostern zusammen. Endlich mal weg von den Plattitüden, hin zu mehr Demut und tiefgreifenderen Gedanken über unser Dasein und die Verantwortlichkeit des Menschen gegenüber der Schöpfung… Nein. Nein. Nein. Das glaube ich ja selbst nicht. Als hätten wir jemals länger als ein paar Mückenschiss-Sekunden der Geschichte aus solchen einschneidenden Erfahrungen gelernt. Weisheit lässt sich leider nicht lange konservieren. Und so kommt es, dass wir wieder und wieder (von Generation zu Generation) die gleichen Fehler machen, dem gleichen Irrsinn verfallen und die gleichen Kämpfe auszufechten haben…

Übrigens schöner Tag heute: Viel Licht, blauer Himmel, Frühling… Ich erinnere mich schmerzhalft daran, dass ich lebe. Neben Kopf, bestehe ich noch aus Herz, Bauch und Schwanz, und was sonst an mir dranhängt. Ich trage diese eine Perspektive immer mit mir herum. Ganz gut so. Wäre schlimm, wenn ich mich von außen sähe. Ist aber wahrscheinlich Gewohnheitssache.
„Lass uns rausgehen“, sage ich zu mir.
„Aber erst noch Kartoffeln kochen.“
„Gute Idee. Was weg ist, ist weg.“
„Und noch was trinken.“
„Sowieso.“
„Ich denke, der Blogbeitrag endet hier. Oder fällt dir noch was ein?“
„Nö.“

 

Sekt oder Selters (II)

Die Erde nicht als Mittelpunkt des Universums zu sehen, war das Eine. Dass die Menschen davon abrücken, sich als Krönung der Schöpfung aufzufassen, erscheint dagegen beinahe unmöglich. Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr.

Mit dem Nutzen der menschlichen Intelligenz verhält es sich ähnlich wie mit Medikamenten und ihren Nebenwirkungen. Die Nebenwirkungen können unter Umständen verheerender sein als der Nutzen des Medikaments.

Wir bräuchten eine Intelligenz, welche über unsere Intelligenz wacht. Eines Tages die KI?
Und hoffen, dass die KI weiser als der Mensch sein wird.

Ich stelle mir eine zukünftige Welt vor, in der die Menschen mittels sanfter Gewalt gezwungen werden, friedlich zusammenzuleben. Alle Güter wären gerecht verteilt, so dass niemand mehr Hunger leiden müsste und jeder ein Dach über dem Kopf hätte. Die Herausforderungen der Menschen beständen nicht mehr in der gegenseitigen Ausbeutung und im Streben nach Macht und Reichtum, sondern in der Erforschung des Weltalls und des Lebens, des Daseins an sich.
Selbstverständlich würde man sich dabei als Teil der Schöpfung empfinden und nicht mehr als deren Krönung.

Es liegt in der Natur einer Utopie, dass sie naiv erscheint.
Die Utopie einer besseren Welt ist ein Menschheitstraum. Und ich meine, nicht der schlechteste.

Wir brauchen nicht den Umweg über Gott.

Die Menschheit befindet sich am Scheideweg: Sekt oder Selters. Heilvolle Weiterentwicklung oder Untergang.

Sekt oder Selters

…ganz oder gar nicht – wir Menschen mögen keine halben Sachen. Dabei sind wir in Wahrheit alles andere als konsequent in unserem Handeln. Zumeist jedenfalls. Der Wunsch ist Vater des Gedankens. Wir sollten uns nichts vormachen. Leichter gesagt als getan. Es gibt wohl keinen größeren Sprücheklopfer auf der Erde als Homo Sapiens – für Nichtlateiner wie mich: „Der weise Mensch“. Hahaha! Bestimmt gibt es irgendwo weise Menschen. Allein mir begegnete bisher kein einziger, der dieses Attribut verdiente. Einige von uns sind sehr bemüht… (Hust!)
Na gut. Wir sind alle (nur) Menschen. Diesen Satz höre ich recht häufig, z.B. auf der Arbeit, – um damit zu sagen, dass wir alle fehlbar sind und uns nicht über jene erheben sollten, die Mist bauten. Schließlich könnten wir morgen selbst am Pranger stehen. So weit so gut. Aber sind wir wirklich ehrlich, wenn wir aufs Menschliche in jedem von uns abheben? Quark! Wir wollen uns nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Schon mal vorbeugen. Nur nicht die Zunge verbrennen. Vorsicht ist besser als Nachsicht! Hahaha! So sind wir Menschen. Okay, nicht alle. Es gibt Größenwahnsinnige… und Betrunkene. Ach ja, und die Verliebten – die sollte man nicht vergessen.

Da ist die Sonne. Sie durchbricht den Dunstschleier des Tages, während ich am Computer klöne. Sie macht keine Unterschiede. Sie scheint gleichermaßen für die Mistkäfer wie für die Menschen.
Ich möchte mit dem Nachdenken aufhören. Für heute.