Schöne Weihnachten

Ich werde mein Leben lang Weihnachtsverächter bleiben. Aber ich bin kein Unmensch.
Sehnen wir uns nicht alle nach der heilen Welt? Wir nehmen sie, auch wenn sie künstlich ist. Wir machen Ausflüge nach Disney Land. Wir schunkeln in Festzelten zu Volksmusik. Wir stehen am Straßenrand und jubeln den alten Monarchen zu.
Ich werde dem Künstlichen nie huldigen. Aber ich bin kein Unmensch. Zu sehr liebe ich meine Mitmenschen, auch wenn sie mir in ihrem Gebaren oft fremd erscheinen.
Entschuldigt, dass ich euch Zombies oder Arschloch-Materialisten nenne. Ich meine es nicht so. Entschuldigt, dass manchmal mein Zynismus mit mir durchgeht (besonders an Weihnachten). Ich weiß, dass ihr im Grunde gute Seelen seid. Es ist eben alles nicht so einfach…

Ich wünsche euch schöne Weihnachten, das schönste Weihnachten eures Lebens!


Weihnachtsmarktkulisse Wismar

den Klavierspieler sahen und hörten nicht viele


Ankunft in Wismar

Meine Reisen sind in der Regel keine Vergnügungsreisen. Vielleicht trifft es eher das Wort „Ausflug“. Ich fliege aus hin zu anderen Gefilden, lasse mich von anderen Landschaften und Orten betören. Ich liebe dabei (angemessene) Herausforderungen. Meine Ausflüge sind in der Regel keine Erholungsreisen. Eine gute Portion Leidensfähigkeit gehört mit ins Gepäck.
Diesmal bestand die Herausforderung in der Hauptsache aus einem Atemwegskatarrh, der mich 2 Tage vor der Abreise ereilte und mich körperlich schwächte. Mir ging es so mies, dass ich mir ernsthaft überlegte, Wismar ausfallen zu lassen. Vernunft ist aber nicht alles – Gott sei Dank. Also machte ich mich auf den Weg. Es war beißend kalt. Neben meiner körperlichen Abgeschlagenheit war die Kälte die zweite Herausforderung. Der Zug erreichte Wismar im Schneetreiben…

   

auf dem Weg zur Pension

Ich hatte nur etwa einen Kilometer bis zu meiner Unterkunft. Nachdem mich der nette und zuvorkommende Pensionswirt eingewiesen hatte, machte ich mich sogleich auf zu meiner ersten Erkundungstour durch Wismar (erstmal ohne mein kleines Fahrrad).

erst zum Hafen

dann hoch in die Stadt zum Weihnachtsmarkt – das Schneetreiben hatte zugenommen

Genug ist genug, dachte ich, lieber zurück zur Pension, bevor ich zum Schneemann werde. Ganz einfach war das nicht, denn ich hatte die Orientierung verloren. Schließlich fand ich zurück auf den Weg, den ich gekommen war.

Ist es also passiert

Ich bin sicher, dass irgendwo in Berlin der heimtückische Anschlag als Heldentat gefeiert wird. All denjenigen gehört ein Arschtritt verpasst, dass sie dorthin fliegen, wo sie herkommen – oder besser bis zum Mond!
Auf dem Rückweg vom Praktikum mit der U7 betraten zwei junge Männer am Hermannplatz die U-Bahn. Sie hatten eine Musikbox dabei, aus der laute arabische Musik tönte. Eine Frau, die sich beschwerte, verhöhnten sie nur. Die beiden waren gut drauf, als ob sie was zu feiern hätten… Gut, dass sie mitsamt ihrer Musik an der nächsten Haltestelle wieder ausstiegen. Der größere der Beiden konnte es sich nicht verkneifen, vorher gegen den Sitz zu treten, auf dem die mutige Frau saß. Scheiße, dachte ich bei mir, man kriegt noch eine Paranoia. Wahrscheinlich waren das nur ganz harmlose Idioten. Einen Arschtritt verdienten sie sich aber auch!

Der islamistische Terror kam gestern Abend in Berlin an. (Jedenfalls deutet alles auf ein Attentat mit diesem Hintergrund hin.) Bestürzt muss man die Verwundbarkeit der Zivilgesellschaft zur Kenntnis nehmen. Das Mitgefühl gilt den Opfern und deren Angehörigen. Der Zorn gilt all jenen, welche solch heimtückischen Attacken herbeiführen und gutheißen. Zivile friedliche Menschen wurden verletzt und starben aufgrund einer Idiotie… Es ist für mich unvorstellbar, dass irgendeine Glaubensrichtung oder Ethik solcherlei menschenverachtende Gräueltaten toleriert oder gar gutheißt. Ich finde keine zufriedenstellende Erklärung für das, was auf der Welt vorgeht. Dabei ist es alles andere als neu.
Wir Menschen sind verwundbar und… manipulierbar. Wir überschreiten alle Grenzen…

Ich hoffe, dass dieses Attentat am Breitscheidplatz nicht der Beginn einer ganzen Serie war.
Gleich muss ich wieder raus in den Berliner Multikulti-Dschungel. Man weiß nicht, was sich hinter dem Augenpaar des Gegenübers in der U-Bahn so alles abspielt…

Jede Minute sollte man vergolden

Ich lausche dem Pfeifen der Berliner U-Bahn und denke, dass es prima als Thema in ein Musikstück einzubauen wäre, ähnlich wie es Doldinger mit dem Echolot-Geräusch in der Filmmusik „Das Boot“ machte. In der Stadt gibt es eine Menge zu hören, was ganz unterschiedlich zu Musik inspiriert, – wenn man die Muse zum Hinhören hat. Meist hetzt man allerdings gestresst durch die Straßen, mitgerissen vom Menschenstrom. Das Unbehagen erfasst mich ganz automatisch, wenn zu viele Menschen und zu viel Verkehr um mich herum ist. Als wir gestern Nachmittag den Weihnachtsmarkt am Gendarmenmarkt aufsuchten, bereute ich schnell meinen Vorschlag, dort hinzugehen. Nach vier Doppelstunden Unterricht am Computer waren meine Nerven schnell überfordert. Ich wunderte mich, wie manche Leute in diesem Gedränge noch etwas essen oder trinken konnten. Eigentlich hätte ich es mir denken können: Sonnabend und dann noch Vorweihnachtszeit – da sucht man als Neurastheniker besser nicht Orte in der Innenstadt auf. Schade um die Zeit, die man dabei vergeudet.
Nach einer kurzen sardinendosenmäßigen U-Bahnfahrt waren wir zurück in unserem Kiez, wo es in der Potsdamerstraße alles andere als entspannt zugeht. Aber wenigstens ist mir dort alles vertraut. Die Sonne hatte sich bereits hinter die Häuser gesenkt, und der Himmel strahlte in einem überirdischen Blau mit schmalen feurigen Wolkenfetzen. Die winterlichen Gerippe der Bäume zeichneten sich dunkel darauf ab. Eine junge Frau vor mir am Fußgängerüberweg fotografierte die Kulisse mit ihrem Handy. Es gibt allerlei schöne und interessante Fotomotive in der Stadt, wenn man die Muse hat hinzuschauen.
In Puschels Pub lief wie jeden Samstag Bundesliga. Hertha spielte gegen Wolfsburg. Wir gingen durch den schmalen Schlauch Kneipe nach hinten, wo noch ein paar Plätze frei waren. Ein alter Sack, bereits Inventar, saß am Geldautomaten. Die „Ratte“, wie O. die Bedienung nennt, brachte uns zwei Berliner Pils und ein Schälchen mit Salzgebäck. Als Hertha den Ausgleich schaffte und schließlich sogar siegte, waren einige Gäste total aus dem Häuschen. Der alte Sack am Automaten grinste nur. Ich trank das Bier und spürte die Müdigkeit von der anstrengenden Woche in mir hochkriechen. Auch O.hatte eine anstrengende Arbeitswoche. Wir redeten nicht viel. O. meinte, wir sollten mal wieder verreisen, worauf ich ungehalten reagierte, ich sei durch Fortbildung und Praktikum bis Ende Februar eingespannt, an ein Verreisen also erstmal gar nicht zu denken. Das kleine Schälchen mit dem Salzgebäck hatten wir schnell leergefuttert. Ein Hund mit schönem schwarzglänzenden Fell (sein Herrchen saß am Nachbartisch) hatte uns dabei eindringlich bittend angeblickt. Als ich O.s traurigen Gesichtsausdruck bemerkte, ärgerte ich mich über meinen schroffen Ton. Auch ich würde am liebsten verreisen, nicht nur für ein Wochenende, sondern gleich für Wochen…
Inzwischen waren alle Samstagsspiele der Bundesliga beendet. Die Reihen der Kneipengäste lichteten sich. Der alte Sack am Automaten zählte sein verbliebenes Geld, und die „Ratte“ hatte Feierabend.