Die Tage werden kürzer, nicht nur weil Winter ist

Die Weihnachtstage verflogen nur so. Mit Nichtstun. Was Besseres gibt es nicht. Ich musste mich nicht aufregen. Ich hatte keine Begegnungen. Ich war mir selbst genug. Ich verspürte keinerlei Drang, das Haus zu verlassen. Der Blick aus dem Fenster zeigte mir ein Berlin grau in grau. Das Haus war still. Wahrscheinlich waren einige meiner Nachbarn über Weihnachten ausgeflogen.
Ich lasse den letzten Feiertag an mir vorbeigleiten. Ich höre meine Lieblingsmusik und führe das ein oder andere (kurze) Bloggespräch, wenn es sich ergibt. Ich verspürte keine Lust mehr, etwas zu schreiben, und nun schreibe ich doch etwas. Natürlich ist mir etwas langweilig. In meinem Leben war mir oft langweilig. Ich bin kein besonders aktiver Mensch. Ich muss nicht ständig etwas machen. Es war also unabdinglich, mich mit der Langeweile zu arrangieren. Das Trinken hilft mir etwas. Lieber trinke ich, als zu arbeiten. Das heißt nicht, dass ich gar nichts arbeite und nur trinke. Ich brauche es schon einigermaßen ordentlich um mich. Auch will ich nicht unbedingt als Arbeitsloser Almosen vom Staat bekommen. Aber echten Ehrgeiz konnte ich nie entwickeln, weder in der Schule noch im Beruf. Neben der Langeweile muss ich mich auch mit meiner Faulheit arrangieren. Schon ein kleines Wunder, dass ich jetzt und hier einigermaßen gemütlich sitze und davon erzähle. Ich weiß, dass die meisten von euch anders drauf sind. Ihr seid in der Mehrzahl fleißig. Einige von euch empfanden nie Langeweile. Ihr seid brave Bürger und geht an Weihnachten in die Kirche. Oder wenigstens feiert ihr Weihnachten mit der Familie, schmückt eure Wohnungen und backt Weihnachtsplätzchen. Der pawlowsche Hund lässt grüßen. Wir drehen uns Jahr für Jahr im Konditionierungs-Kreislauf. Ich will mich keinesfalls ganz ausnehmen. So weit bin ich nicht. So weise bin ich dann doch nicht und werde es nie werden.
Alles was anstrengend ist, lehne ich per se ab. Und trotzdem komme ich um manche Anstrengungen nicht herum. Hier und jetzt zu schreiben, ist zwar auch eine Anstrengung, aber die… kommt aus mir. Ganz aus mir. Versteht ihr das? Und es gibt noch ein paar andere Anstrengungen, die ich wirklich gern in Kauf nehme. Einige davon haben mit Liebe zu tun. Für die Liebe springe ich sogar über meinen Schatten. Letztlich geht das leider nicht gut aus. Oder es funktioniert nur, wenn der andere auch über seinen Schatten springt.
Ich liebte und wurde geliebt. Die Tage werden kürzer, nicht nur weil Winter ist.


Schöne Weihnachten

Ich werde mein Leben lang Weihnachtsverächter bleiben. Aber ich bin kein Unmensch.
Sehnen wir uns nicht alle nach der heilen Welt? Wir nehmen sie, auch wenn sie künstlich ist. Wir machen Ausflüge nach Disney Land. Wir schunkeln in Festzelten zu Volksmusik. Wir stehen am Straßenrand und jubeln den alten Monarchen zu.
Ich werde dem Künstlichen nie huldigen. Aber ich bin kein Unmensch. Zu sehr liebe ich meine Mitmenschen, auch wenn sie mir in ihrem Gebaren oft fremd erscheinen.
Entschuldigt, dass ich euch Zombies oder Arschloch-Materialisten nenne. Ich meine es nicht so. Entschuldigt, dass manchmal mein Zynismus mit mir durchgeht (besonders an Weihnachten). Ich weiß, dass ihr im Grunde gute Seelen seid. Es ist eben alles nicht so einfach…

Ich wünsche euch schöne Weihnachten, das schönste Weihnachten eures Lebens!


Weihnachtsmarktkulisse Wismar

den Klavierspieler sahen und hörten nicht viele


Kompass

Schon immer galt für mich: lieber Belletristik als Fachliteratur und Lebensratgeber, lieber Mathematik als Naturwissenschaften, lieber Philosophie als Religion, lieber Bier als Cocktail (Ausnahmen betätigen die Regel), lieber Jeans als Anzugshosen, lieber T-Shirt als Hemd, lieber Freizeit als Arbeit, lieber Kunst als Deko, lieber Rock als Pop, lieber Hausmannskost als Dreisternekoch, lieber Kneipe als Club oder Disco, lieber selbst- als fremdbestimmt, lieber authentisch als künstlich, lieber Bukowski als Blümchengedichte, lieber Anarchie als Diktatur, lieber Fahrrad als Auto, lieber faul als fleißig, lieber Langeweile als ständig aktiv, lieber ein Arsch als immer politisch korrekt, lieber alleine als mit den falschen Leuten zusammen, lieber unscheinbar als im Rampenlicht, lieber in der Kneipe als in einer Gruppentherapie, lieber ein Zweifler als ein Ja-Sager, lieber ein guter Verlierer als ein Prahlhans, lieber bescheiden als protzig, lieber ohne Weihnachten als mit Weihnachten, lieber Sex unterm Weihnachtsbaum als die Bescherung, lieber dumm und ehrlich als übergescheit und verlogen, lieber barfuß als in Schuhen, lieber glücklich im Unglück als unglücklich im Glück, lieber an nichts glauben als an Gott etc.

Heiligabend 2021

…ist ein Pisstag (in Berlin). Ich war noch mal kurz Einkaufen, damit ich am Wochenende nicht auf dem Trockenen sitze. Natürlich war der Nahkauf ziemlich voll. Die Bediensteten trugen Weihnachtsmannmützen. (Oder wie nennt man die noch?) Eigentlich gehöre ich nicht zu jenen, die auf den letzten Drücker vor Feiertagen einkaufen. Aber Einkaufen ist für einen alleine lebenden mehr als nur das Auffüllen seiner Regale und des Kühlschranks. Es bedeutet eine Gelegenheit für echte menschliche Kontakte, auch wenn man dabei nicht viel redet. Man grüßt sich, wird kurz beachtet. Wenigstens ein paar Minuten am Tag. Weihnachten ist mir schnuppe, aber für viele, die ebenso alleine in ihrer Wohnhöhle hausen wie ich, ist diese Zeit besonders deprimierend. Noch schlimmer trifft es die Obdachlosen. Die durch die Corona-Maßnahmen der Regierung hervorgerufene Vereinzelung in der Gesellschaft verschärft die Lage zusätzlich. Eine schöne Bescherung ist das, wenn man sich am sogenannten Fest der Liebe besonders einsam und gesellschaftlich abgewiesen fühlt… Nein, bei mir ist alles noch relativ okay. ich bin seit ewigen Zeiten Weihnachtsverweigerer. Gott sei Dank gibt es keine Weihnachtspflicht.

Der Bürotag war mein Highlight der Woche. Auf meinem Schreibtisch fand ich ein kleines Geburtstagsgeschenk. Das rührte mich. Ich kam sogar mal wieder zu einer Umarmung. Dann führte ich noch ein langes Telefonat mit meiner Bürokollegin (die an dem Tag im Homeoffice arbeitete). Es hatte zwischen uns in den letzten Monaten eine Verstimmung gegeben. Die konnten wir endgültig ausräumen. Sie erzählte mir, warum sie sich kommunikativ zurückgezogen hatte. Es lag nicht daran, dass ich mit der Corona-Impfung auf Kriegsfuß stehe. Es hatte mit anderen Problemen zu tun und Blablabla. Uff! – ich war echt glücklich. In der Mittagspause ging ich raus, holte mir ein Bier bei einem nahen Kiosk (Spätkauf), setzte mich in den Kleistpark und lächelte vor mich hin. Was für eine verrückte Welt!
Die Zeit verging an diesem Tage wie im Fluge. Wie wunderbar ist es doch, sich angenommen und wertgeschätzt zu fühlen! – So sollte es sein zwischen uns Erdenbürgern: nicht gegenseitig aufstacheln lassen, sondern zusammenhalten. Es geht nicht darum, dass man in allen Dingen übereinstimmt. Es geht um Mitgefühl, gegenseitiges Verständnis und Menschlichkeit.  

Allen Bloggern und Lesern schöne Feiertage!

    

Luftschnappen

Heute Montagssonne. Das ist erfreulich. Lädt zum Luftschnappen ein. Mit einer Flasche Roten in den Park gehen. Meine Lieblingsmusik in den Ohren. Oder einfach nur Berlin lauschen… Ach ja, und riechen, viel riechen.

Es wird eine kurze Arbeitswoche. Ein Bürotag umrahmt von zwei Homeofficetagen. Wahrscheinlich relativ entspannt. Viele haben Urlaub. Und alle befinden sich im Weihnachtsmodus. Außer mir. Ich tötete Weihnachten vor langer Zeit. Es existiert nicht mehr in meinem Herzen. Aber gut: Wer`s braucht. Leben und leben lassen. Vielleicht erinnern sich manche an die Weihnachtsbotschaft. Ich meine Nächstenliebe und so. Ein paar Tage Waffenstillstand – lach!

Ich darf nicht vergessen, mich mit Wodka, Wein und Bier einzudecken, damit ich über die Zeit komme. Sollte ich nicht vor mir herschieben. Nicht auf den letzten Drücker. Viele befürchten leere Regale. Es wäre eine Katastrophe, wenn das Arschwischpapier wieder ausginge… Aber vielleicht kann man sich über die Feiertage mit Geschenkpapier behelfen.

Schön, dass dieses Jahr bald rum ist, auch wenn es nicht danach aussieht, als würde 2022 besser. Abhaken! – wie schlechten Sex oder einen verkorksten Tag oder ein mieses Gedicht oder einen Kater nach einer durchzechten Nacht. Man muss es nehmen, wie`s kommt. Genug Larifari für heute. Die Sonne steht vor der Tür und wird langsam ungeduldig.

 

Der verrückte Traum

Die Tage gingen dann doch ziemlich schnell rum im Eintönigkeits-Blues. Als hätte ich Weihnachten verpennt. Nun nur noch Silvester. Bleibt das vermaledeite Corona. Wie schön wäre das: ich wache auf: die Kneipen haben geöffnet, kein Mensch redet über Corona, Lockdown, Impfungen und Verschwörungstheorien – als wäre 2020 nur ein schlechter Traum gewesen. Und keine fuckin` Masken!

Thorsten stellt das Bier vor mich auf die Theke. „Und wie geht’s so“, fragt er mich.
„Ganz gut. Allerdings hatte ich einen verrückten Traum…“
Es ist erst kurz nach Mittag. Außer mir sind nur wenige Gäste im Pub. Thorsten hat nicht viel zu tun. Ich erzähle ihm also von meinem Traum.
„Und alle Kneipen mussten dicht machen während dieses… äh…“
„Lockdowns“, ergänze ich und nehme einen großen Schluck von meinem Berliner Kindl, „… alles hatte zu außer den Supermärkten.“
„Das geht doch gar nicht“, Thorsten schaut ungläubig.
Ich lache: „Klar – war ja auch ein Traum… Allerdings war der wie echt. Weißt du, was ich meine?“
„Hm… Hinterher ist man sich nicht sicher, was real und was Traum ist. Das sind die gruseligsten Träume.“
Ich nicke und blicke durch die Fensterfront auf die Potsdamer Straße. Menschen aller Couleur hasten vorbei, sich stauende Autos, Hupen… der ganz normale großstädtische Moloch.
„Und das Verrückteste“, bricht es aus mir hervor, „wir mussten alle Masken tragen!“
„Karnevalsmasken – oder was?“
„Du nun wieder… Natürlich nicht! Ich meine solche Schutzmasken, wie sie die Chinesen in ihren Großstädten tragen. Du weißt schon.“
Thorsten grinst breit und blickt fragend auf mein fast leeres Glas.
„Logo. Damit ich mir ganz sicher bin, dass es nur ein Traum war.“
Neue Gäste kommen ins Pub, und Thorsten ist erstmal beschäftigt. Ich halte mich am Bier und lasse den lieben Gott einen guten Mann sein. Ich sollte diesen Traum aufschreiben, denke ich bei mir. Er war so real. Unglaublich.

Welchen Tag haben wir? Ich reibe mir die Augenbutter aus den Augen. In der Gemengelage von Feiertagen und Wochenende verliere ich leicht den Überblick. Zeit aufzustehen, signalisiert mir meine innere Uhr, obwohl noch dunkel ist. Ich lag lange genug in den Federn. Was war das für ein verrückter Traum, den ich hatte? – Ich war im Pub. Thorsten bediente…


Unter Viren

Der Mensch sollte sich mit Viren gut auskennen, denn er selbst ist eine Art Virus auf der Erde. Innert der letzten 200 Jahre verachtfachte sich die Weltbevölkerung. Dummerweise gibt`s für unseren „geliebten“ Planeten weder eine Intensivstation noch eine Impfung. Unsere Mitgeschöpfe im Tier- und Pflanzenreich werden zunehmend verdrängt und ausgebeutet. Wir Menschen brachten unsägliches Leid über die Erde. Wir machen in Kriegen nicht einmal vor uns selber halt. Es sträuben sich mir regelmäßig die Haare, wenn wir uns als intelligente Lebensform selbstbeweihräuchern oder als die Krönung der Schöpfung bezeichnen. Feiern wir also auch im Corona-Jahr 2020 brav Weihnachten, fressen uns voll und sprechen vom „Fest der Liebe“… Rülps! – So soll es sein.
Es gibt Tage, an denen denke ich: Schade, dass Covid-19 relativ harmlos ist… Bitte nicht falsch verstehen. Ich wünsche niemandem den Tod. Aber unserer Erde täte eine Dezimierung der Viruslast Mensch ganz gut. Wir denken immer nur an uns. Unglaublich, wie rücksichtslos wir auf diesem Planeten agieren – der Vergleich mit Viren, die einen Organismus befallen, ist nicht von der Hand zu weisen.
Es erstaunt mich, wie willfährig die meisten unter uns seit Monaten in den Tenor der Corona-Maßnahmen einstimmen. Dabei geht es um nichts Geringeres als um ziemlich herbe Einschränkungen der Grundrechte, um eine zunehmende Überwachung bis hin in den privaten Bereich… Sehr viele Menschen leiden durch die restriktiven Corona-Maßnahmen wirtschaftlich und menschlich Not… Okay, die Gesundheit steht über allem, und natürlich ist es erste Bürgerpflicht, sich solidarisch mit den Schwachen, Kranken und Alten zu zeigen, welche durch das Virus besonders bedroht sind… (Lach!)* Wie kommt das?!? – Sind wir in Corona-Zeiten plötzlich zu besseren Menschen mutiert??
Dann bitte weiter so, wenn es um den Schutz der Tiere und Pflanzen geht! Dann bitte weiter so, wenn es um die Bewahrung der Schöpfung auf dem Planeten Erde geht! Dann bitte weiter so bei der Ächtung von Krieg und Gewalt! Schluss mit Ausbeutung und sozialer Ungerechtigkeit!
Endlich nehmen wir Menschen uns kollektiv zurück, finden zu einer neuen Demut und leben mit der Natur in Einklang…

Hach! – was trinke ich eigentlich da!? – Haut gut rein, das Gesöff!



* Nach 30 Jahren in der Altenpflege musste ich an dieser Stelle einfach laut in mich hinein lachen – Weinen geht nicht mehr.

Es war gestern und ist doch heute (4)

Weihnachten 1994

Die Eltern bringen mir eine Kiste Fressalien und einen Fuffi in einem Briefumschlag. Ich lege die sentimentalste Alkoholbeichte meines Lebens ab, und was alles dran hängt.
Wir lassen dich nicht hängen, sagen die Eltern, und schauen betreten. Ich will sie wieder aufheitern mit meiner alkoholverschleierten Durchsicht.
Wie wirklich ist die Sentimentalität? Warum gibt es Plastikweihnachtsbäume?
Ich langweile mich mit mir selbst. Die Klamotten stinken nach Kneipe, Schweiß und Urin – es fühlt sich nach Verwesung an. Der nahe Tod ist wie ein leer stehendes Haus mit wild wucherndem Vorgarten.
Meine Nachbarin ist nicht da. Es herrscht Mucksmäuschenstille. Feiertagsgediegenheit.
Seit Stunden höre ich Rockmusik. So lässt sich der erste Weihnachtsfeiertag an, mit einem Fuffi im Briefumschlag und dem Rest von 10 Dosen Bier.
Armin speist mit Eltern und Großeltern. Unerreichbar. Alles Gute, alter Freund!
Ich muss mich irgendwie loseisen. Ich bin wie festgefroren.