Du kannst nicht nass und trocken zugleich sein

Eine Tragik des Lebens ist, dass man die Dinge, die man ehemals heiß begehrte aber nicht ergattern konnte, nun, wo einem diese Dinge quasi zufallen, sie nicht mehr zu schätzen weiß oder keine Verwendung mehr für sie hat. Auch andersherum: Dinge, die man damals mit Leichtigkeit erreichte, aber zu wenig schätzte, erscheinen heute, wo man sie bräuchte, unerreichbar. Und dann gibt es noch die Dinge, derer man wohl nie habhaft wird. Flapsig wird daraufhin gesagt: Man kann nicht alles im Leben haben. Du kannst nicht nass und trocken zugleich sein… Ich frage mich, ob nicht etwas mehr hinter dieser Tragik steckt. (Z.B. fällt mir dazu Hemingways Meisterwerk „Der alte Mann und das Meer“ ein.)
Erst wenn das Blut kalt wird und wir uns im Vorhof des Todes befinden, sterben alle Begehrlichkeiten und fallen wie Blütenblätter von uns ab. Ein mancher kämpft bis zum letzten Atemzuge. Andere ergeben sich schon früh in eine Art Gleichmut/Agonie, nennen es Weisheit oder Gottvertrauen. Wieder andere verfallen total der Habsucht und billigen Vergnügungen. Ich kenne mich nicht aus mit allen Sorten von Menschenseelen. Hat überhaupt jeder Mensch eine Seele? – Wie kann ein Mensch mit Seele in den Krieg ziehen? Vielleicht lässt er seine Seele zuhause, oder er verkauft sie vorher – Wer weiß das schon – Wer kann in die Herzen seiner Mitmenschen schauen…(?)
Die entscheidenden Kämpfe muss jeder mit sich selbst ausfechten, sozusagen im stillen Kämmerchen.

Ich habe eine Woche Urlaub. In Berlin herrschen Kühlschranktemperaturen. Die Sonne täuscht darüber hinweg, Anfang März. Eine Waffenruhe wäre schon mal was.

 

Der Optimist

Dem Optimisten ging es immer gut. Er war eine Frohnatur. Jeder befand sich gern in seiner Gesellschaft. Er war beliebt. Man musste ihn einfach mögen. Alle auftretenden Probleme und Bedenken wischte er vom Tisch wie nichts. Er brauchte dafür keine Argumente. Seine positive Ausstrahlung und sein Lachen überzeugten jeden, der mit im Raum war… (Selbst mich als geborenen Skeptiker.) Der Optimist haute mich um wie ein schöner Sonnenaufgang nach einer durchzechten Nacht. Er verbreitete eine Atmosphäre, die alle negativen Gedanken wegblies. Ich wäre gern wie er gewesen. Ich war neidisch auf seine Beliebtheit und seinen Erfolg (bei Frauen). Ihm schien alles zu glücken. Aber arrogant wirkte er nie. Auch auf Drogen war er nicht, so weit ich das beurteilen konnte.
Wir verbrachten eine schöne Zeit zusammen. Alle zehrten von dem Optimismus, den er ausstrahlte. War er einmal nicht unter uns, wurden wir traurig. Wir wussten nichts mit uns anzufangen. „Wäre er jetzt nur da“, seufzte der ein oder andere.
Eines Tages kam er gar nicht mehr. Wir konnten es nicht glauben: Der Optimist hatte sich auf dem Dachstuhl seines Elternhauses erhängt. Unsere Clique löste sich auf. Bis heute verstehe ich nicht, was mit dem Optimisten passiert war. Was war uns entgangen?

   

Zwei Tage nicht rasiert

Mit einem Homeoffice-Tag die Woche abgeschlossen. Ich weiß gerade nicht, nach was mir ist. Das Bett klebt noch an mir. Vor dem Aufstehen guckte ich auf der Arte-Mediathek die Komödie „Outside the Box“. Gefiel mir gut. Junge Unternehmensberater werden von der Geschäftsleitung auf einen Ausflug geschickt, der ihre wahren Qualitäten und Schwächen hervorkitzeln soll. Das Motto: Survival oft the Fittest. Doch tragischerweise wird aus dem „Spiel“ tierischer Ernst… Eine wunderbare Farce.
Ich finde es ätzend, wenn Chefs ihre Mitarbeiter(innen) mit Workshops und Mitarbeitergesprächen auf Linie bringen wollen. Auch mir steht wieder das jährliche Mitarbeitergespräch bevor – ca. eineinhalb Stunden Verhör. Habe ich was verbrochen, oder was?!
Noch neun Jahre bis zur Rente. Fuckin` Business! Schwanzlutscherei von der Wiege bis zur Bahre…
Wenigstens bereiten mir die Hühner eine Menge Spaß. Sie sorgen für mein wöchentliches Pensum sozialer Kontakte. Dazu das ein oder andere Kneipengespräch, und ich bin zufriedengestellt. Also fast. Fehlt nur noch der Mensch, der Anteil an meinem Leben nimmt. Ganz persönlich. Und in meiner Nähe. Nein, unter den Hühnern finde ich niemanden, der für die Rolle geeignet ist, obwohl ich zu der ein oder anderen Kollegin inzwischen ein relativ vertrauensvolles Verhältnis aufbaute. Es bleibt da eine Linie hinüber zum echt Privaten, die ich klugerweise nicht überschreiten sollte. Besser nicht die ganze Deckung aufgeben…

Übrigens kaufte ich mir eine Schwimmboje. Darin lassen sich die Wertsachen verstauen, wenn ich im See schwimmen gehe (auch für meine Sicherheit im Wasser). Der Sommer ist ja noch nicht ganz rum. Ich sollte sie heute oder morgen ausprobieren. Ob sie dicht ist. Das Wetter wäre danach. Also falls ich den Arsch hochkriege. Erst noch den Vormittags-Blues auskosten. Mit John Lee Hooker zum Beispiel. Herrlich. Der Rollladen auf Halbmast. Ein kaltes Glas zwei Drittel Chardonnay plus ein Drittel Cola Zero neben mir auf dem Schreibtisch. Da sitze ich und versuche krampfhaft der Banalität des Daseins ein Stück Extraklasse abzugewinnen (- so viel zur Tragik).