Melancholie und Lebenslust

Der Biergarten am Gleisdreieck hat unter Auflagen wieder geöffnet. Ich las die Regeln auf der Brwhouse-Website. Es sind nicht wenige. Darunter auch die Angabe von Namen und Adresse, damit das Gesundheitsamt evtl. Infektionsketten besser nachverfolgen kann. Schon komisch, wenn die Menschenmassen nebenan im Park anonym und relativ unbefangen hinsichtlich Abstands- und Hygieneregeln zusammenkommen, und im Biergarten wird ein solcher Aufriss darum gemacht. Aber ich bin neugierig. Werde das heute testen. Endlich mal wieder ein frisch gezapftes Helles!

Die Eisheiligen sind zwar vorbei, aber die kühle Witterung dauert an. Gestern im Park zog es ganz schön. Die Sonne versteckte sich oft hinter dicken dunklen Wolken. Ich saß ein gutes Stündchen draußen und beobachtete das bunte Treiben der vielen jungen Menschen, die Sport trieben oder einfach nur zusammensaßen mit Wasserpfeife und Bier. Der Flaschensammler kam auf seine Kosten (– nicht mein netter Flaschensammler vom Nelly-Sachs-Park).
Eine Frau lief den Park ab, um Zeitungen für ein Almosen loszuwerden. Nicht die bekannte Obdachlosenzeitung. War irgendwas anderes. Ich gab ihr etwas Kleingeld in den Becher. Sie setzte sich neben mich, und wir quatschten ein paar Minuten über Dies und Das: das Wetter, die Corona-Situation, die Leute im Park… Nette Person. Nicht unansehnlich und auch nicht verwahrlost. Was für ein Lebensschicksal wohl dahintersteckt, überlegte ich mir, als sie weitergezogen war – Drogen, Alkohol… Ich atmete tief durch und steckte mir wieder die Ohrstöpsel ein, um weiter meine Lieblingsmusik zu hören. Nichts schöner als diese Tagträumerei, dabei den Blick schweifen lassen. Die Gedanken klimperten vor sich hin auf einer ominösen Klaviatur in meinem Kopf. Der Wind blies mir ins Gesicht, und selbst hinter der Sonnenbrille blinzelte ich. Ich sah auf die Lebenslust um mich herum und war beinahe glücklich.

 

Wer den Stein runterrollen lässt, muss ihn mühsam wieder hochtragen

Freiheit ist kein Zustand, der an Bedingungen/Lebensumstände geknüpft ist, sondern ein Gefühl. Doof halt, dass gewisse repressive äußere Umstände sich in aller Regel negativ auf mein Freiheitsgefühl auswirken. Dem wirke ich dann mit ein paar Flaschen Bier entgegen. Bestimmt gibt es auch wirksamere Drogen, um in einem Gefühl der Freiheit zu schwelgen… Ich persönlich bleibe lieber bei meinem alten Kumpel Alkohol. Ich bin etwas altmodisch. Es soll auch Menschen geben, die dasselbe durch Meditation erreichen. Das ist dann auf alle Fälle gesünder.
Was ich mit meinem Eingangssatz sagen wollte: Die Welt mit ihren Einschränkungen, Doktrinen, Gesetzen, Geboten, Regeln und Grenzen können wir schwer ändern. Im besten Falle erreichen wir punktuell mehr Freiheit für Einzelne oder Gesellschaftsgruppen, indem wir für geistige Aufklärung, Emanzipation und Gerechtigkeit eintreten. Viele Kämpfe wurden im Laufe der Geschichte für mehr Freiheit geführt. Einige wurden sogar gewonnen. Darum lebe ich heute in einer freieren Gesellschaft als vor… 80 Jahren. Würde ich mal behaupten. Noch – denn gesellschaftliche Freiheiten können uns auch wieder verloren gehen, oder sie verändern sich im Zuge der technischen und kulturellen Entwicklung. Die nächsten Generationen entwickeln womöglich ganz andere Werte, als ich sie habe. Die Digitalisierung der Welt weist bereits in eine Richtung, die mir nicht besonders angenehm ist. Ebenso existieren gegenwärtig auf der Welt Kulturen mit zum Teil unterschiedlichen Freiheitsvorstellungen. Eine westliche Demokratie ist nicht mit einem islamischen Staat zu vergleichen. Freiheit in der menschlichen Gesellschaft/Wirklichkeit ist also sehr relativ… Wir werden immer im Zeitgeist einer Kultur gefangen sein.
Eigentlich ist es müßig, ständig von Generation zu Generation, von Zeitalter zu Zeitalter gegen Ungerechtigkeit und Unfreiheit in der Welt anzukämpfen. Das Leben selbst mit seiner täglichen Routine ist Sisyphos in Reinkultur. Darum befasse ich mich lieber mit der Tagträumerei und der Freiheit als Gefühl – mehr oder weniger unabhängig von der Welt da draußen.
Freilich, würde man mir mein Bier wegnehmen, wäre ich echt sauer! Denn dann bliebe nur noch Meditieren…

 

Nicht unbedingt Dicke Titten

Langsam wäre es an der Zeit, dass ich mich frage, was ich eigentlich von Frauen will.
Gar nicht so leicht zu beantworten. Was will man überhaupt vom Leben?
Es muss doch etwas geben, was das Leben lohnenswert erscheinen lässt. Ich meine, wenn man nicht gerade passionierter Modellbastler, Briefmarkensammler u. ä. ist. Auch gibt es die absoluten Familienmenschen, die im sozialen Modus schwelgen bei Kaffee und Kuchen mit Tanten und Onkels etc. Oder nehmen wir die Menschen, die in ihrer Arbeit total aufgehen… oder die Idealisten, religiösen Spinner… oder die Typen, die unbedingt ohne Atemmaske auf den Everest steigen müssen.
Um es kurz zu machen: Ich gehöre zu keiner dieser Gruppierungen, die ich nannte, und auch zu keiner anderen – am ehesten noch zu den Biertrinkern und Kneipengängern. Doch daraus leite ich nicht unbedingt etwas für mein Leben Lohnenswertes/Erfüllendes ab. Ich sitze einfach gern irgendwo blöde herum und betrachte meine Umgebung, die Menschen, den Himmel, die Plätze – wo ich halt gerade bin. Ich mache mir dabei Gedanken übers Dasein und den Sinn des Lebens. Natürlich komme ich zu keinem befriedigenden Ergebnis. Also stehe ich auf, gehe zur Theke (vorausgesetzt meine Ex steht gerade nicht an), hole mir das nächste Bier und fahre fort mit meiner Tagträumerei.
Da ich hetero und Mann bin, lenke ich meine Blicke automatisch auf die attraktiven Relikte des anderen Geschlechts. Ich kann daran nichts Unnormales finden. Gegen meine Natur will ich mich verdammt noch mal nicht auflehnen. Ich hoffe nur, dass ich nicht allzu auffällig glotze. Nein, ich bin ein anständiger Mensch, der bemüht ist, die Attitüden unserer fuckin` Gesellschaft zu achten. Ehrlich. Kein Scheiß.
Und jetzt ganz ernsthaft: Mir geht`s nicht vordergründig ums Sexuelle. Viel lieber hoffe ich auf eine Liebe, aus der eine innige Partnerschaft resultiert. Meinem Singleleben fehlt das Gegenüber, das aufrichtig an meiner Person interessiert ist. Ich sehne mich nach einem Hafen. Der muss nichts Großartiges sein, aber schon behaglich und vorallem unanstrengend… Wenn die Frau dann noch schön anzuschauen ist, macht mich das glücklich wie einen König. Ich weiß, es ist ziemlich schwer, eine Frau zu finden, die alle meine Erwartungen erfüllt. Gibt es überhaupt unanstrengende Frauen? Jage ich einer Utopie hinterher? Allzu viel Zeit bleibt mir nicht mehr. Vielleicht besser auf den Everest steigen (mit Atemmaske – manche Kompromisse müssen sein).