Geträumt wie ein Irrer. Als ich mitten in der Nacht aufwachte, musste ich erstmal die Wirklichkeit wiederfinden… Auf leisen Sohlen kam sie zurück: „… ich bin in meiner kleinen Berliner Wohnung und arbeite als Tumordokumentar… Ich muss nicht zurück ins Altenheim. Gott sei Dank …“
Der Wirt feierte gestern 31jähriges. 1989 im Wendejahr hatte er das Pub übernommen. Er war gut drauf. Korn floss in Strömen. Ich hatte mir einen kurzen Dienst gegönnt und läutete am frühen Nachmittag im Pub das Wochenende ein. Normalerweise trinke ich 3 Pils, blättere ein paar Zeitschriften durch, und gut ist. Aus gegebenem Anlass wurde es diesmal das Doppelte, dazu die Runden Korn, welche ich nicht zählte. Sita und ihre Kollegin erschienen mir im Verlaufe meiner Sitzung an der Bar immer reizender. Ihre strammen Körper steckten in engen roten Kleidern. Sitas riesige Brüste wogten durchs Pub. Dazu ihr dunkles Lachen „HO-HO-HO“. Ich klopfte dem Wirt auf die Schulter und sabberte: „Noch eine mehr, und wir haben Drei Engel für Puschel!“ So wird der Wirt genannt. (Habe ich hier noch gar nicht erwähnt.) Wir lachten, und der Wirt, respektive Puschel, sagte irgendwas, was ich nicht verstand. Umso betrunkener er ist, desto stärker nuschelt/puschelt er. Egal.
Die Waschmaschine läuft mit meiner Bettwäsche und den nach Zigarettenrauch stinkenden Klamotten. Einen dicken Kopf habe ich nicht. Ich schaffte rechtzeitig den Absprung. War echt an der Grenze.
Ich sitze (wie meist) planlos am Schreibtisch, zur Hälfte glücklich darüber, dass ich am WE keinerlei Verpflichtungen habe, zur anderen Hälfte überschattet von meiner Einsamkeit. Sowieso ist das Wochenende kurz. Auch die Arbeitswochen sind kurz, jedoch in Unfreiheit. Ich stecke fest in der gegenwärtigen gesellschaftlichen Überlebensmaschinerie, werde im Takt dieses monströsen Apparates durch die Wochen gezogen. Wurde ich dafür geboren? frage ich mich oft, und: Wieso finde ich keinen Weg heraus aus diesem Kerker? Und wo würde ich landen – fände ich einen Ausweg, bevor mich der Tod holt? Oder: Finde ich zu Lebzeiten nur geistigen Frieden, indem ich mein Begehren nach Freiheit und Wahrhaftigkeit verrate? Wie viel Bewusstsein kann ich mir leisten?
Immer wieder wundert es mich, dass die meisten Menschen um mich herum sich wenig bis gar nicht zu diesen existentiellen Problematiken äußern… Viele Fragen liegen mir auf der Seele, für die sich kaum jemand zu interessieren scheint. Umso schöner, wenn ich zufällig auf einen Menschen stoße, der meine Fragen ernsthaft reflektiert. Erst gestern Abend geschehen, als ich im Halbsuff YouTube durchstöberte und auf Jochen Kirchhoff stieß… streckenweise inspirierend dieser belesene philosophische Kauz.
Schätzungsweise wird es mich auch heute Nachmittag wieder ins Pub ziehen. Fußballbundesliga: 15 Uhr 30 Hertha gegen Paderborn, gleichzeitig Union gegen Leverkusen.