Es war gestern und ist doch heute (31)

Zittern vor Kälte oder vor Liebe

die Kälte einer Frau
nachdem ich sie spüren durfte
auf einer Wiese pflücke ich Blumen
für den Muttertag
wie schnell sie welken
gestern waren wir noch wir
heute nur noch ich und du
der Hader trieb sich um
in unseren Seelen
die Kälte
das ist die Eiszeit unserer Empfindungen
erfroren in den Gedanken
ich liebte dich
in dieser Kathedrale
die ich für die Ewigkeit baute
und heute sehe ich die Ruine
auf den Mauern
moosbewachsen
liege ich nur noch
als Träumer und bete für eine bessere Welt
für gute Menschen
mein Knochengerüst juckt
auf dem harten Untergrund

du erzählst mir Geschichten
die unsere Liebe unmöglich machen
es sind die Argumente der Politiker
die ich tagtäglich in den Foren
der Medien höre
auf den schwarzen Steinen
ihrer Vernunft
die Adern in Marmor gegossen

ich muss nachgeben
weich will ich sein
damit sich alles in mich ergießt
es war ein schöner Augenblick mit dir

29.09.2004

Was sagen mir die Sterne?

Glück ohne Schmerz ist nicht denkbar. Es sieht so aus, als wäre das Glück von einer Corona des Schmerzes umgeben. Geburt und Tod umschließen das Leben. Der Weg zum Sieg ist von Niederlagen gepflastert. Das Glück der Liebe hängt am seidenen Faden. Jeglicher Reichtum wird zur Last. Das Aufglühen des Seins versinkt in der Nacht. Ich laufe gegen viele Wände, bevor ich einen Ausweg finde. Die Schönheit verblüht. Ich versacke im süßen Schmerz der Melancholie. Was sagen mir die Sterne? Ich öffne mein Herz und fühle nichts. Ich lasse mich von einem Tag in den nächsten fallen. Bin ich noch am Leben, wenn es nichtmalmehr weh tut? Warum weine ich, wenn ich nichts empfinde?
Ich werde immer auf dem Heimweg sein, vorbei an offenen und geschlossenen Türen. Wenn ich doch wüsste, was ich suche. Vielleicht ist mein Zuhause zu weit weg, oder es ist einfach da, wo ich gerade bin. Ich sollte glücklicher sein. Ständig laufe ich an mir selbst vorbei.

Spieler

Mit einer verlorenen Liebe verhält es sich ähnlich, wie wenn man pleite aus einem Spielcasino herausgeht. Du kannst niemandem die Schuld dafür geben. Als du dein Geld setztest, wusstest du um das Risiko. Alles Jammern nützt nichts. Weg ist weg. Die Bank gewinnt letztlich immer.
So viele verlorene Lieben liegen hinter mir, so viel Schmerz und Demütigung, und doch würde ich wieder alles auf die Liebe setzen.


Abhaken

Das Jahr war überschattet vom Super-GAU in der Liebe. Ich leide immer noch an den Folgen. Wie bei der Radioaktivität ist weder zu sehen noch zu riechen, was einen krank macht. Die Wunde im Herzen, aus welcher die giftigen Gedanken und Gefühle austreten, ist tief. Am Besten wie bei Tschernobyl einen Schutzpanzer bauen und die ganze Scheiße versiegeln. Doch leichter gesagt als getan. Bleibt die Hoffnung auf den Faktor Zeit als Allesheiler.
Dass mir so ein Mist passieren musste… Ich könnte mir immer noch in den Arsch beißen!
Jedes Unglück hat sein Trauma. Vielleicht würde eine Therapie helfen. Keine Gesprächstherapie, sondern eine Sextherapie, – sich Ärger und Wut von der Seele ficken. Mal googeln, ob sowas in Berlin angeboten wird. Würde mich nicht wundern. (Googel-googel-googel…) Ach so! Alles nur Sexual-Therapien, wo über sexuelle Probleme gequatscht wird. Nicht meins. Also nach Fick-Therapie suchen… Und da lande ich natürlich ausschließlich auf Pornoseiten. Als Alternative gäbe es noch das Laufhaus, wobei ich aber kein gutes Gefühl habe. Sex als Ware finde ich zum Kotzen. Oder eine Nymphomanin in der Nachbarschaft, die es einfach sich und mir zum Gefallen tut… Ich brülle also ins Treppenhaus: „Haallooo, eine Nymphomanin im Haus?“ Nein, das mache ich nicht, weil ich viel zu gut erzogen bin. Was sollen meine Nachbarn von mir denken? Ne, ne.
Sieht so aus, als müsste ich den Schmerz einfach aushalten. Die Ohnmacht ist dabei am schlimmsten. So schnell werde ich keinem Menschen mehr sagen, dass ich ihn liebe; und alle Alarmglocken werden schellen, wenn mir gegenüber das Wort Liebe übermäßig oft fällt und eingefordert wird. Weiß der Teufel, was diese Frau mit Liebe meinte.
Egal, irgendwann werde ich auch das überstanden haben. Mal sehen, was 2019 bringt. Hauptsache Gesundheit, ein Dach überm Kopf und einen sicheren Job. Für alles andere brauchts einfach `ne scheiß Geduld.

Zeitmüll

Es gibt Dinge, die die Zeit überstehen. Andere fliegen weg. Als ich mich vorhin in meinen vier Wänden umguckte, fielen mir noch einige Relikte aus der Vergangenheit auf… gar nicht wenige, wenn ich mir überlege, wie viel ich zwischenzeitlich wegschmiss. Vor meinem Umzug nach Berlin mistete ich gründlich aus – was auch nötig war. Und erst vor kurzem wanderte so einiges in den Müll. Wozu etwas aufheben, mit dem man schlechte Erinnerungen verbindet. Trotz allem bleibt genug alter Kram übrig, vor allem wenn die Zweckdienlichkeit im Vordergrund steht. Es wäre ziemlich aufwendig, die gesamte Wohnungseinrichtung auszutauschen. Bloß weil wir damals nach dem Einzug diese Sachen zusammen einkauften? Nö, so krass bin ich dann doch nicht drauf. Ich würde auch nicht die Kneipe wechseln, oder bestimmte Orte nicht mehr besuchen, an denen wir mal zusammen waren… Obwohl, es war schon ein Stück traurig, als ich in Warnemünde über den Strand schlappte. Aber dann dachte ich mir, dass ich mir solche schönen Orte nicht vermiesen lassen will, bloß weil ich hier schon mal mit meiner Ex war. Ich werde die Erinnerungen daran mit neuen besseren überschreiben. Es war gut, hier zu sein, auch wenn es wehtat. Irgendwann wird mein Herz einer neuen gehören, und ich werde kaum noch daran denken, dass es einmal eine andere Frau und eine andere Zeit gab. Der Horizont und die Sonne werden den Liebenden gehören, als wäre es nie anders gewesen.

Könnte man doch die Zeit wie anderen Müll entsorgen. Ich stelle mir vor, dass alle paar Monate die Zeitmüllmänner an meiner Tür klingeln und mich fragen: „Haben Sie Zeitmüll?“
Wenn sie heute vorbeikämen, würde ich lächeln und antworten: „Ja, ich habe da noch einiges…“

Rückfall

Die erste Woche nach dem Urlaub zurück im Büro überstanden. Alles befand sich noch an seinem Platz. Lediglich eine Pflanze sah merklich mitgenommen aus. Bei meiner Kollegin konnte ich nicht nachfragen, weil die ihren Sommerurlaub antrat, kurz bevor ich zurückkehrte. Das heißt, ich werde noch einige einsame Bürotage vor mir haben. Ab und zu besuchen mich zwar die Hühner, oder ich besuche sie an ihren Wirkungsstätten, aber das ist nicht dasselbe. Ich vermisse meine Kollegin.
Und sonst? Zwei neue Hühner im Sortiment, um die Flut der Tumormeldungen zu bewältigen. Die Panzerschränke sind nach wie vor gestopfte voll. Wir hinken rettungslos mit der Dokumentation hinterher. Aber davon lassen sich die Hühner weitgehend die Laune nicht verderben, und das finde ich gut! Nach meinen von Einsamkeit geprägten Urlaubstagen hörte ich sie gern gackern und lachen.
Die Rückkehr an meinen Arbeitsplatz verlief also ganz passabel.

Alles gut soweit. Aber dann hatte ich einen Liebesrückfall. Ich saß am Computer, fing gerade mit dem Dokumentieren an (Mamma- und Colon-Karzinome), da erwischte mich eine warme Welle Sehnsucht nach ihr. Und ich gab nach. Ich warf meine Bedenken über Bord und kontaktierte sie. Das erste Mal… seit Monaten. Ich glaube, ich schrieb: „Ich habe furchtbar sehr Sehnsucht nach dir.“ Nach ein paar Stunden antwortete sie: „Ich auch.“ Die Kommunikation verlief schleppend, aber schließlich keimte etwas Hoffnung bei mir auf. Vielleicht war es nicht falsch gewesen, der Sehnsucht nachzugeben. Meine Ratio hatte ich in diesem Moment weitgehend ausgeschaltet. Ich vertraute einfach meinen Gefühlen, so wie damals, als ich sie auf Mallorca kennenlernte. Warum auch nicht? Alle Probleme und Hindernisse können sich in der Liebe auflösen, als gäbe es sie nicht. Ich saß nach Feierabend im Biergarten und simste mit ihr, und hinterher fanden wir beide, dass es ein gutes Gespräch war.
Die Enttäuschung folgte auf dem Fuße. Wäre wohl auch zu schön gewesen – sowas wie eine Reunion. An mir lag`s nicht. Als ich nach einem baldigen Treffen fragte, kriegte ich gleich die erste Klatsche. Sie sei zurzeit total in die Arbeit eingespannt…, antwortete sie. Und bald darauf ließ sie durchblicken, dass das gut und wichtig für sie sei, vor allem finanziell, auch gesundheitlich, weil sie seitdem weniger Bier trinkt.
Sie schrieb: „Ich will nur Frieden.“
„Aber ich lasse dich doch in Frieden.“
„Ich meine den Frieden, den ich nur mit dir haben kann.“
Und da schafft sie es nicht, sich ein paar Stunden am Wochenende frei zu machen, um mich zu treffen? Sie liebt mich nicht mehr…, alles ist ihr wichtiger als ich, sie braucht mich nur um des lieben Friedens willen. Rumms! Ich ging (innerlich) in die Knie. Die Tränen schossen mir in die Augen. Was hatte ich mir nur eingebildet!? Wie dumm von mir, der Sehnsucht nachgegeben zu haben.
„Nein“, antwortete ich ihr, „es war ein Fehler, tut mir leid.“
Ich hatte die Deckung einen Moment lang aufgemacht, und schon hatte sich mein Herz eine blutige Nase geholt.

Mein Gedanke heute: Es hätte nie ein nach Mallorca für uns geben dürfen.

Alles wie gehabt

Neujahr 2013. Ich sitze im EC von Klagenfurt. Ein letztes Mal. Beziehungsshowdown zum Jahreswechsel. Ich blicke aus dem Zugfenster auf die verschneiten Alpen, in meiner Brust bohrt der Stachel Wehmut. Er leistet wie immer ganze Arbeit – lässt kaum einen klaren Gedanken zu. Das Liebesaus hatte sich angekündigt, und wir ließen es geschehen. Sollte wohl so sein. Besser ein klarer Schnitt. Was nicht ist, ist nicht. Wozu sich was vormachen. Wäre nur nicht dieser verdammte Liebesschmerz. Die räumliche Distanz wird es leichter machen. Ich bestelle mir im Zugrestaurant Grüner Veltiner, den ich mit Cola Zero mixe. Acht lange Stunden, bis ich in Heidelberg ankomme.

Heute, gut fünf Jahre später in Berlin. Ich blicke aus dem Fenster in einen eiskalten Sonntagvormittag. Die Autokarosserien reflektieren die Sonne. Ein Licht-und Schattenspiel auf dem Kopfsteinpflaster der Straße. Meine Gedanken fahren Karussell. Bin ich nicht langsam zu alt für diesen Liebesscheiß – wozu der ganze Aufriss? Aber der Stachel sitzt tief. Ich weiß, dass sich der Schmerz nicht einfach auflösen wird. Es ist erst der Anfang.
Ich mixe einen trockenen Müller-Thurgau mit Cola Zero. Dazu Bluesmusik aus dem Internetradio. Alles wie gehabt.

Zurück…

Das Meiste kriegt man nicht mit. Vielleicht gut so. Man konzentriert sich auf seinen Weg, bemerkt noch das ein oder andere am Wegesrand oder guckt bei einem Halt in die Landschaft – die sieht man dann freilich immer aus der momentanen Perspektive.
Ich habe das Gefühl, dass ich eine ganze Menge nicht mitkriege… wie sich die Menschen um mich herum verändern, wie sich das Denken verändert – und damit alles: die Moden, die Angewohnheiten, die Wünsche und Sehnsüchte…

Es gibt Momente auf meiner Tour, da frage ich mich: Was mache ich hier eigentlich? – radle bepackt mit Klamotten und Zelt durch die Gegend – sieht das nicht wahnsinnig komisch aus? – wie ich mir da einen abstrample, die Hügel rauf und runter, über Feld- und Waldwege, die Flussläufe entlang, durch Städte, auf dem Fahrrad geduckt Kilometer für Kilometer einsam auf einem willkürlich ausgewählten Weg…

Der Weg führt quer durch mein Herz. Und in meinem Herz ist sehr viel Einsamkeit, an die ich mich längst gewöhnte – wenn auch mit einem bitteren Beigeschmack. Na ja, das ist wohl mein Bier.

Viele Landstriche strahlen eine unglaubliche Weite aus. Von erhabener Stelle schaue ich zum Horizont und sehe die immer gleichen Muster. Der Himmel drückt auf meine Schultern, meinen Rücken, während ich in die Pedale trete. Der Himmel kommt der Erde immer näher. Ich empfinde mich als ein Insekt unter einer Cellophan-Folie, das sich einen abschwitzt.
Unglaublich ist auch die Stille, die ich an manchen Orten erlebe – eine Stille, die den Raum um einen herum wahnsinnig ausdehnt. Eine Stille, die Angst machen kann – die einem mehr sagt als jede Philosophie: Jedes Geschöpf ist auf sich selbst zurückgeworfen.
Ich trinke eine Menge Bier unterwegs. Der Alkohol verwässert die vielen Eindrücke, die auf mich einstürmen, und er hilft auch etwas über die Schmerzen hinweg, die sich während der Fahrt einstellen – Schmerzen in den Armen, im Rücken, in den Beinen…

Und es gibt den seelischen Schmerz der Verlorenheit. Ich versinke in den Tagen des Alleinseins total in mir. Automatengleich stiere ich auf die Strecke…