Was sagen mir die Sterne?

Glück ohne Schmerz ist nicht denkbar. Es sieht so aus, als wäre das Glück von einer Corona des Schmerzes umgeben. Geburt und Tod umschließen das Leben. Der Weg zum Sieg ist von Niederlagen gepflastert. Das Glück der Liebe hängt am seidenen Faden. Jeglicher Reichtum wird zur Last. Das Aufglühen des Seins versinkt in der Nacht. Ich laufe gegen viele Wände, bevor ich einen Ausweg finde. Die Schönheit verblüht. Ich versacke im süßen Schmerz der Melancholie. Was sagen mir die Sterne? Ich öffne mein Herz und fühle nichts. Ich lasse mich von einem Tag in den nächsten fallen. Bin ich noch am Leben, wenn es nichtmalmehr weh tut? Warum weine ich, wenn ich nichts empfinde?
Ich werde immer auf dem Heimweg sein, vorbei an offenen und geschlossenen Türen. Wenn ich doch wüsste, was ich suche. Vielleicht ist mein Zuhause zu weit weg, oder es ist einfach da, wo ich gerade bin. Ich sollte glücklicher sein. Ständig laufe ich an mir selbst vorbei.

Alte Wege

Aus dem Homeoffice-Tran in die Wochenendmelancholie, der Rollladen auf Halbmast… Ich treibe dahin mit meiner Lieblingsmusik im Rücken. Das Hochladen auf YouTube Music dauerte zwei Tage und Nächte. Viele der Songs wecken alte Erinnerungen. Ich hörte sie lange nicht mehr. Streicheleinheiten für das geschundene Herz.
Ich will tanzen – ich will malen – schwerelos – fern von allen Ängsten – durchflutet vom wonnigen Gefühl der Liebe…
Ich sitze am Schreibtisch und träume mich durch einen milden Sommertag. Ich gehe im Geiste alte Wege. Ich will den Verstand ausschalten. Ich will neben dir liegen.

Das Fenster steht auf Kipp. Ein lauer Lufthauch berührt meinen Nacken. Ich denke zurück an meinen dementen Vater, als er hinter mir stand und zärtlich meinen Nacken anfasste, wie er es in seinem ganzen Leben nie getan hatte…
Wenn der Fluss zum Strom wird und schließlich ins Meer mündet, wird er sanft und verliert seine Ufer. Das Herz fließt hin zum Horizont.
„Alles Gute für deine Reise!“ rufe ich ihm hinterher.
Ich sitze am Schreibtisch und starre auf den Monitor des Notebooks, auf die Worte, die ich schreibe. Meine Lieblingsmusik im Rücken. Und das Leben vorm Fenster.

 

Melancholie und Lebenslust

Der Biergarten am Gleisdreieck hat unter Auflagen wieder geöffnet. Ich las die Regeln auf der Brwhouse-Website. Es sind nicht wenige. Darunter auch die Angabe von Namen und Adresse, damit das Gesundheitsamt evtl. Infektionsketten besser nachverfolgen kann. Schon komisch, wenn die Menschenmassen nebenan im Park anonym und relativ unbefangen hinsichtlich Abstands- und Hygieneregeln zusammenkommen, und im Biergarten wird ein solcher Aufriss darum gemacht. Aber ich bin neugierig. Werde das heute testen. Endlich mal wieder ein frisch gezapftes Helles!

Die Eisheiligen sind zwar vorbei, aber die kühle Witterung dauert an. Gestern im Park zog es ganz schön. Die Sonne versteckte sich oft hinter dicken dunklen Wolken. Ich saß ein gutes Stündchen draußen und beobachtete das bunte Treiben der vielen jungen Menschen, die Sport trieben oder einfach nur zusammensaßen mit Wasserpfeife und Bier. Der Flaschensammler kam auf seine Kosten (– nicht mein netter Flaschensammler vom Nelly-Sachs-Park).
Eine Frau lief den Park ab, um Zeitungen für ein Almosen loszuwerden. Nicht die bekannte Obdachlosenzeitung. War irgendwas anderes. Ich gab ihr etwas Kleingeld in den Becher. Sie setzte sich neben mich, und wir quatschten ein paar Minuten über Dies und Das: das Wetter, die Corona-Situation, die Leute im Park… Nette Person. Nicht unansehnlich und auch nicht verwahrlost. Was für ein Lebensschicksal wohl dahintersteckt, überlegte ich mir, als sie weitergezogen war – Drogen, Alkohol… Ich atmete tief durch und steckte mir wieder die Ohrstöpsel ein, um weiter meine Lieblingsmusik zu hören. Nichts schöner als diese Tagträumerei, dabei den Blick schweifen lassen. Die Gedanken klimperten vor sich hin auf einer ominösen Klaviatur in meinem Kopf. Der Wind blies mir ins Gesicht, und selbst hinter der Sonnenbrille blinzelte ich. Ich sah auf die Lebenslust um mich herum und war beinahe glücklich.