Erschöpft

Ich befinde mich seit geraumer Zeit in einem Erschöpfungszustand. Die physischen Symptome sind Müdigkeit, Schwäche/Mattheit, Trägheit – die psychischen Symptome Antriebslosigkeit, Depression, Angst, Stumpfheit/innere Leere. Es ist wie durch Morast waten. Jeder Schritt ein Kraftakt, wo andere leichtfüßig daherkommen. Nun bin ich seit jeher eine eher schwermütige Seele und gewöhnte mich an die damit verbundenen Schwierigkeiten im sozialen Zusammenleben und an die Last im persönlichen Empfinden sowie im Geiste… Auch als unverbesserlicher Grübler und Zweifler war ich doch im Grunde dem Leben gegenüber immer positiv eingestellt. All die Lebensfreude, die ich erleben durfte, vor allem in der Liebe oder in anderen innigen sozialen Bindungen, ebenso meine Faszination am Mysterium Dasein/Leben/Universum halfen mir stets wieder auf die Beine. Man könnte fast sagen, dass ich die Lebenskunst beherrschte, mich am eigenen Schopfe aus dem Sumpf zu ziehen… with a little help from my friends. Diese kleine Hilfe soll man nicht unterschätzen, wie ich besonders in den letzten Jahren feststellen musste. Ein Leben alleine ist ungeheuer kräftezehrend, selbst wenn man wie ich eine ausgeprägte eigenbrötlerische Seite hat.

In der vergangenen Woche rebellierte mein Körper: Gliederschmerzen, Fieber… Kurz: Ich war platt! 36 Stunden lang verließ ich das Bett nur zum Pinkeln. Vielleicht hätte ich besser noch länger im Krankenstand verharren sollen, aber krank sein kann man nicht wirklich genießen, wenn da niemand ist, der sich sorgt und einen verwöhnt.

    

Nun also bis 10. Januar

Fuck! Ich werde für meine Berliner Lieblingskneipen beten… Ich weiß, es gibt diesen gutherzigen alten Mann mit dem langen weißen Bart nicht. Da ist niemand im Himmel außer den Sternen und Nebeln. Ein paar Aliens flitzen da noch herum, trinken Bier und spielen Skat. „Skol!“ rufe ich ihnen zu, „braucht Ihr `nen vierten Mann?“
Corona macht mich krank, ohne dass ich Corona habe. Dazu noch Weihnachten, das mich alljährlich krank macht. Man kann sich das wie eine Allergie vorstellen… Hatschi! Ich muss nur dran denken, und schon kriege ich einen Niesanfall. Besser das Thema wechseln.
Mal die Bude durchlüften. Luft mit Kühlschranktemperatur strömt sofort herein. Ich nehme ein paar tiefe Züge. Guter Stoff!
Ich komme mir vor wie im eigenen Mini-Altenheim – Bewohner und Pfleger in einer Person. Das ist nicht witzig. Trotzdem darf gelacht werden.

„Was steht an?“ frage ich den Pfleger.
„Erstmal Duschen und Zähneputzen, Alter.“
„Muss das sein?“
„Na klar, oder willst Du stinken wie ein Otter?“
„Wen kümmert`s?“
„Na mich, Du Depp, es ist mein Job, dass ich mich um Deine Grundversorgung kümmere.“
„Scheiß Job.“
„Das kannst Du laut sagen, Alter.“
„Willst`n Bier?“
„Nicht jetzt. Später vielleicht.“
„Ich verpetz Dich auch nicht.“
„Ich lass mich nicht bestechen. Nicht von so`nem alten Sack.“
„Hey, hey Bürschchen, nicht unverschämt werden!“
„Los jetzt, hoch mit dir – ins Badezimmer!“
„Ein alter Mann ist kein D-Zug…“
„Lass die Sprüche!“
„Arsch!“


Krank

Ich wusste, dass ich nicht drum rumkommen würde, ihm zu sagen, dass ich die Blutdruckmedikamente abgesetzt hatte. Der Arzt meinte nach der Blutdruckkontrolle, dass ich mit diesen Werten das Rentenalter kaum erreichen würde. Danach verabreichte er mir einen Hub Nitro.
„Wollen Sie nicht noch etwas länger leben?“, fragte er, „Sie sind so ein netter Mann…“
„Na ja“, lächelte ich und dachte: Ich bin wegen einer scheiß Erkältung hier, und brauche lediglich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, um mich auszukurieren.
„… und wir sind ein Jahrgang“, fügte er hinzu, „es täte mir sehr leid.“
„Ich verstehe“, erwiderte ich, „es liegt allein in meiner Verantwortung.“
So drucksten wir noch ein Weilchen herum. Ich denke, er spürte, dass bei mir sein gutes Zureden nicht fruchtete…
Mamma Mia! Das ist mein verdammtes Schicksal. Niemals dachte ich daran, so alt zu werden, wie ich inzwischen bin. Gut, wenn ich noch ein paar Jahre habe – wenn nicht, auch egal. Im Prinzip ist alles gesagt. Oder: Der Käs ist gegessen.

Die Krankschreibung geht über die gesamte Woche. Bis dahin dürfte ich die Rotzbirne los sein. Perfekt! Ich werde mich ein paar Tage lang einigeln. Das Übliche, bloß ohne Büro und Tumordokumentation.
Ich wollte endlich mit einem Bild anfangen…

Seltsam, dass ich in letzter Zeit von meiner Umwelt relativ viele Komplimente bekam. Egal, ob im Pub oder auf Arbeit. Auf der Weihnachtsfeier wurde ich sogar mit Sprüchen konfrontiert wie „Endlich mal ein schöner Mann!“. Das grenzte an sexuelle Belästigung! Peinlich, peinlich… Schon möglich, dass ich für die Kategorie Hässliche Entlein noch als gutaussehender Mann durchgehe.
Obwohl mir solcherlei Komplimente unangenehm sind, will ich nicht leugnen, dass ich mich ein wenig geschmeichelt fühle.
Nun noch mein Hausarzt, der mich als „netten jungen Mann“ bezeichnete. Hust! – Ist er krank oder schwul – oder was?

Dead End

Krankheitsbedingt zuhause abhängen macht einen gefühlt noch kränker. Aber gestern stand mir gar nicht der Sinn danach rauszugehen, so fix und foxi fühlte ich mich. Nicht nur körperlich, sondern auch psychisch. Weltuntergangsstimmung trotz prallem Sonnenschein. Die ganze Welt schien in Frühlingsstimmung zu sein, während ich mir im Bett Filme und Serien aus der Mediathek reinzog, um mich von meinen trübsinnigen Gedanken abzulenken. Dabei stieß ich auf „Dead End“, sechs Folgen einer neuen Krimiserie, die in der beschaulich-öden Provinz Mittenwalde angesiedelt ist. Von Folge zu Folge gefiel sie mir besser. Es geht um eine junge Rechtsmedizinerin, die aus geheimnisvollen Gründen ihre FBI-Karriere in Amerika abbricht und zu ihrem alternden Pathologen-Papa zurückkehrt: Leicht skurril gestrickte Fälle, schwarzer Humor und sich entwickelnde Figuren (mit Luft nach oben). Traf ganz gut meinen Geschmack. Hoffentlich keine Eintagsfliege – ich freu mich auf eine 2. Staffel. Das Ende lässt zu viele Fragen offen.
Heute grinst die Sonne nochmal frech. Im März wird`s eher wieder mau – jahreszeitgemäß -, sagte der Wetterfrosch. Ich kann mir nicht vorstellen, noch einen ganzen Tag in der Bude zu verbringen. Also werde ich meinen Arsch irgendwann im Laufe des Tages hinaus vor die Tür bewegen. Wenigstens Wein muss ich nachkaufen. Vielleicht verbinde ich das ganze mit einem nachmittäglichen Kinobesuch. 16 Uhr läuft „Vice – Der zweite Mann“. Zum Zeittotschlagen sicher nicht schlecht.

Krank

Nach zehn Minuten war ich mit Krankenschein und Rezepten bereits wieder auf der Straße.
Sonntagabend urplötzlich Fieber und Schüttelfrost bekommen. Dann schwallartiges Erbrechen. Keine Ahnung, was ich mir einhandelte. Vielleicht einen Sonnenstich. Vielleicht eine Lebensmittelvergiftung. Ich hatte mir beim Libanesen Schawarma gekauft. Mir ist noch immer übel. Dazu Gliederschmerzen und eine allgemeine Schwäche.
Ein knackiger Tag, von dem ich leider nicht viel habe. Mal sehen, wie ich mich am Nachmittag fühle. Vorerst habe ich keinen Appetit. Zur Apotheke müsste ich. Die hatte vorhin noch nicht geöffnet.

Arrividerci – ich schleppe mich dann mal zum Bett.

Gestern nicht mehr hochgekommen.
Inzwischen verdichteten sich die Anzeichen, dass ich mit einem Infekt kämpfe, – könnte den Symptomen nach wieder ein Harnwegsinfekt sein wie letztes Jahr. In der Nacht ohne Ende geschwitzt. Fühle mich wie ein ausgewrungenes Handtuch. Nichtsdestotrotz bequemte ich mich kurz aus den Federn, um nicht noch depressiv zu werden. Zumal das Reservoir an Krimis und Dokus auf der Mediathek endlich ist. Alleine leben und krankwerden ist scheiße – keine Menschenseele, die einen zwischendurch bemuttert und in den Arm nimmt. Einsamkeit ist schon im gesunden Zustand kein Zuckerschlecken. Erstaunlich, was man alles aushalten kann…

Bettruhe

Die Symptome waren eindeutig. Obligatorische Urinprobe und Butentnahme. Ich bekam ein Antibiotikum verschrieben mit der Aufforderung viel zu trinken und Bettruhe zu halten. „Sie werden sich sowieso gleich hinlegen wollen“, sagte die Ärztin, eine blasse Asiatin, vielleicht Ende Vierzig. Zwei Stunden hatte ich gewartet, bis ich endlich dran kam mit fast 40 Fieber. Ich konnte mich kaum noch auf dem Stuhl im Wartezimmer aufrecht halten.
Die ersten zwei Tage im Bett zog ich mir alle Wilsberg-Folgen rein, die auf der Mediathek zur Verfügung standen, danach die anderen Krimis. Das Fieber senkte sich nur zögerlich. (Von den Schmerzen will ich an dieser Stelle gar nicht reden.) Keine Ahnung, wo ich mir diese Scheiße holte.
Heute bin ich das erste Mal wieder etwas länger in der Senkrechten, noch etwas benommen und schwach. Die Ärztin will mich am Nachmittag wiedersehen. Sie wird mir bestimmt mit meinen schlechten Blutwerten kommen. Sie ist gut darin, einem die Leviten zu lesen. Mein Leben lang vermied ich es, mir übermäßig viel Gedanken über meine Gesundheit zu machen. Aber natürlich war mir immer klar, welchen Raubbau ich betrieb, und welche Folgen dieser für mich haben kann. Kein angenehmes Thema. Ich bin froh, wenn ich den Termin hinter mir habe.