Zwei Tage nicht rasiert

Mit einem Homeoffice-Tag die Woche abgeschlossen. Ich weiß gerade nicht, nach was mir ist. Das Bett klebt noch an mir. Vor dem Aufstehen guckte ich auf der Arte-Mediathek die Komödie „Outside the Box“. Gefiel mir gut. Junge Unternehmensberater werden von der Geschäftsleitung auf einen Ausflug geschickt, der ihre wahren Qualitäten und Schwächen hervorkitzeln soll. Das Motto: Survival oft the Fittest. Doch tragischerweise wird aus dem „Spiel“ tierischer Ernst… Eine wunderbare Farce.
Ich finde es ätzend, wenn Chefs ihre Mitarbeiter(innen) mit Workshops und Mitarbeitergesprächen auf Linie bringen wollen. Auch mir steht wieder das jährliche Mitarbeitergespräch bevor – ca. eineinhalb Stunden Verhör. Habe ich was verbrochen, oder was?!
Noch neun Jahre bis zur Rente. Fuckin` Business! Schwanzlutscherei von der Wiege bis zur Bahre…
Wenigstens bereiten mir die Hühner eine Menge Spaß. Sie sorgen für mein wöchentliches Pensum sozialer Kontakte. Dazu das ein oder andere Kneipengespräch, und ich bin zufriedengestellt. Also fast. Fehlt nur noch der Mensch, der Anteil an meinem Leben nimmt. Ganz persönlich. Und in meiner Nähe. Nein, unter den Hühnern finde ich niemanden, der für die Rolle geeignet ist, obwohl ich zu der ein oder anderen Kollegin inzwischen ein relativ vertrauensvolles Verhältnis aufbaute. Es bleibt da eine Linie hinüber zum echt Privaten, die ich klugerweise nicht überschreiten sollte. Besser nicht die ganze Deckung aufgeben…

Übrigens kaufte ich mir eine Schwimmboje. Darin lassen sich die Wertsachen verstauen, wenn ich im See schwimmen gehe (auch für meine Sicherheit im Wasser). Der Sommer ist ja noch nicht ganz rum. Ich sollte sie heute oder morgen ausprobieren. Ob sie dicht ist. Das Wetter wäre danach. Also falls ich den Arsch hochkriege. Erst noch den Vormittags-Blues auskosten. Mit John Lee Hooker zum Beispiel. Herrlich. Der Rollladen auf Halbmast. Ein kaltes Glas zwei Drittel Chardonnay plus ein Drittel Cola Zero neben mir auf dem Schreibtisch. Da sitze ich und versuche krampfhaft der Banalität des Daseins ein Stück Extraklasse abzugewinnen (- so viel zur Tragik).

 

You`re wrong

Es gibt Tage, an denen ich sie schweinisch vermisse. Wahrscheinlich eine Art seelischer Phantomschmerz. Ich frage John Lee Hooker: „Hast du`n Tipp für mich?“ In seiner unverwechselbaren Art krächzt er aus dem Lautsprecher: „You`re wrong.“ Was meint er damit?
Ich frage meinen Kühlschrank, ob er einen Tipp hat. Er brabbelt etwas vor sich hin wie: „Gieß dir noch was vom Wein nach…“ Okay, das ist doch wenigstens eine Ansage.
Ich gieße das Glas gut halb voll mit kaltem trockenen Weißwein und fülle es mit Cola Zero und einem Schuss Wodka auf. Seltsam finster heute. Aber das macht nichts. Die Kühle tut gut nach der Hitzewelle. Ich werfe meine Blutdrucktabletten ein und nehme einen großen Schluck. Die Mischung ist gut. Ab und zu stehe ich auf und pinsele an dem Bild herum, das seit vielen Wochen an der Staffelei prangt. „Hund, der ins Bild läuft, am Bülowbogen“ – so der Titel vorab. Der Hund macht mir Probleme.