Untere Strasse

Wenn ich Heidelberg besuche, lande ich früher oder später in einer der Altstadtkneipen der Unteren Straße. Dort ist nach wie vor die größte Kneipendichte

in der Destille zockten ein paar alte Stammgäste

ich saß an der Bar, süffelte Bier und guckte

Weststadt

Durch die Weststadt kam ich täglich, wenn ich von meinen Ausflügen zurückkehrte. Am Danteplatz konnte man schön klönen, abseits vom Trubel der Stadt.

hier saß ich täglich am späten Nachmittag

es gibt hier die besten Pommes Heidelbergs und viel zu gucken

ein ruhiges schattiges Plätzchen auf dem Wilhelmsplatz

Bonifatiuskirche und typisches Weststadt-Haus

tri-tra-tallala, das Kasperle ist da!

Weststadtfest am Sonntag

Zurück von 5 Tage alte Heimat

Die Waschmaschine läuft mit der Reisewäsche. In meinem Kopf wirbeln bunt die Reiseeindrücke herum – Bilder, Gefühle, Gedanken. Der Trip in die alte Heimat rief viele alte Erinnerungen hervor. Ich wandelte auf Wegen, auf denen ich schon vor rund einem halben Jahrhundert unterwegs war. Während sich das Bild der Städte und Dörfer mit den Jahren stellenweise änderte, begegnete mir das Bild der Landschaft gleichmütiger, obwohl immer zerschnittener von der menschlichen Infrastruktur. Was ich bereits in den 80zigern als junger Mann kritisierte, dass wir Menschen unsere Umwelt zu sehr verschandeln, nahm seinen Fortlauf. Ich begrüßte die Hügel des Kraichgaus ebenso wie die Rheinebene hin zur Pfalz. Ich begrüßte meine Geburtsstadt, wo ich aufwuchs und zum Mann wurde. Ich begrüßte den Neckar bei Heidelberg, umrahmt von den Erhebungen des Odenwalds. Ich begrüßte Heidelberg, Dreh und Angelpunkt meiner alten Heimat, städtischer Anziehungspunkt in meiner Jugend. Auch diesmal sollte Heidelberg der Zielort meiner Reise in die alte Heimat sein. Ich quartierte mich in einem günstigen Hotel in Bahnhofsnähe ein. Jeder Tag ein Ausflug. Das schöne Wetter umrahmte meine Tage und ließ die Welt leuchten. Die Menschen suchten sich schattige Plätzchen. Der Spätsommer hatte noch was in petto. Mit meinem kleinen Fahrrad, das ich mitgenommen hatte, war ich schnell mal da und mal dort. Ich musste mir nicht die Füße plattlaufen und konnte unabhängig von Bus und Straßenbahn meine Ausflüge gestalten. Viele Eindrücke konnte ich mit der Handykamera in Bildern festhalten. Einige davon werde ich in den nächsten Tagen auf dem Blog präsentieren. Und natürlich ging mir viel durch den Kopf… was so ein Menschenleben ist, wenn man auf es zurückblickt und die Veränderungen, die Wandlungen sieht.

The Same Blues Every Year

Die erste Bürowoche nach den Weihnachts-Silvester-Neujahrs-Urlaubstagen geschafft. Das Neue Jahr begann mit viel Unruhe wegen einer neuen Dokumentations-SOP (Standard Operation Procedure). Das Gegacker im Hühnerstall schwoll an. Wir waren ziemlich irritiert von der neuen SOP. Sie wertet indirekt unsere Arbeit ab. Ich schleppte mich durch die Tage – weiterhin alleine im Büro, weil mein Gegenüber nun seit fast seit drei Monaten im Krankenstand verharrt. Ob A. überhaupt noch kommen will? Wie auch immer, ich tue mich zurzeit schwer mit der Büromaloche. Dazu die kalte Jahreszeit, die Einsamkeit zuhause. Ich fasse es in einem Wort zusammen: Öde! Jeder Tag bedeutet ein sich Aufraffen, gefangen in einem immer wiederkehrenden Wochenkreislauf.
Immerhin schlappte ich ein paar Tage lang über Silvester/Neujahr durch die alte Heimat. Es kommt mir vor, als würde dieser Exkurs bereits irre lange zurückzuliegen… Neben dem Herumschlappen saß ich eine Menge Zeit in Kneipen ab. Gibt in Heidelberg nicht viele Orte, wo ich noch gern mein Bier trinke. Überall Fastfood, Fressketten, Cafés, Andenkenshops, Ramschläden. Die Innenstadt hat echt abgebaut. Auffällig viele Geschäfte in asiatischer Hand.
Meine Wege glichen sich jeden Tag mehr oder weniger: Vom Hotel zum Hauptbahnhof, um einen guten Morgenkaffee zu trinken. Weiter ging es zum Bismarckplatz, wo ich im Médocs, einer Café-Bar, das erste Bier trank. Von dort aus schlappte ich durch die Fußgängerzone, respektive Idiotenrennbahn, schnurgerade bis in die Altstadt, wo sich mir eine etwas größere Auswahl für das Aufnehmen von flüssiger Nahrung bot. Meist hockte ich am Nachmittag ein paar Stunden in der Destille oder in der Sonderbar (gleich gegenüber in der Unteren Straße). Nebenbei machte ich meine Ausflüge zum Schloss, zum Philosophenweg und nach Wiesloch, wo ich geboren wurde und meine Eltern auf dem Friedhof liegen.

 

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im Médocs

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Bilder von regionalen Künstlern in der Destille

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in der Sonderbar drückte die Blase – auf dem Weg zur Toilette

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fast vergessen: die Max Bar am Marktplatz

 

I Can`t Get No Satisfaction

Für meine Verhältnisse schlappte ich viel durch die Gegend. Gut so. Ansonsten bin ich ja mehr per pedale unterwegs. Da es auch mal bergauf und bergab ging, kriegte ich flugs Muskelkater. Das sonnige Winterwetter spornte mich an. Lediglich am Silvestertag war es trübe. Ich marschierte den Philosophenweg hoch, vorbei an den alten Villen an der Südseite des Heiligenberges hin zu den Aussichtspunkten. Als Wegzehrung hatte ich eine Flasche Rotwein (einen trockenen Merlot) im Rucksack. Wo sich eine gute Gelegenheit bot, pflanzte ich mich auf eine Bank und ließ meine Blicke übers Neckartal und die Stadt schweifen. Melancholisch ließ ich im Geiste die vielen Lieben Revue passieren, mit denen ich denselben Weg gegangen war, dieselbe Aussicht genossen hatte. Fast alle schleppte ich den Philosophenweg hoch… Jetzt, wo ich in Berlin wohne, muss ich mir andere romantische Orte suchen. Einen zweiten Philosophenweg mit solch toller Aussicht gibt`s hier nicht.
Ich saß also vor mich hin sinnierend auf der Bank und nahm einen kräftigen Schluck aus der Pulle. Da rief mir eine Frau zu: „Ist der Wein nicht zu kalt!?“
„Nö, geht schon!“ rief ich überrascht zurück. Wie so oft fehlte es mir an Spontaneität – ich hätte sie fragen können, ob sie mal kosten wolle. Aber ich ließ die Gelegenheit verstreichen. Wie festgefroren saß ich da mit der Rotweinflasche neben mir.
Weiter ging`s bis zum Schlangenweg, der mich über unzählige Treppenstufen steil hinunter zum Neckarufer führte. Nur noch über die Alte Brücke, und ich befand mich in der Altstadt. Touristenströme schwappten mir entgegen. Ich bog in die Untere Straße ab. Dort gab es noch ein paar Kneipen, die den Namen verdient hatten. War nur die Frage, was am Silvesternachmittag geöffnet hatte. Bei der Destille hatte ich Glück. Hier konnte ich unangestrengt mein Bier trinken. Die Rolling Stones liefen. Nicht zu viele alte Säcke. Eine nette, junge Bedienung versorgte mich an der Theke. Die Spießer und Touristen linsten neugierig rein. Meist blieben sie draußen. Inzwischen war es dunkel. Ich bestellte noch ein Bier…
„I can`t get no satisfaction“, tönte es aus den Lautsprechern – es wurde langsam Zeit für mich. 30ig Jahre jünger, und ich hätte mich bis zum Feuerwerk durch die Altstadtkneipen gesoffen.

 

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Blick flußaufwärts und zum Heiligenberg

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interessantes Motiv

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kurze Pause zum Rotwein schlabbern

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Blick vom Philosophenweg auf das Schloss gegenüber, die Alte Brücke und die Altstadt

 

COLD AS ICE

Nicht dass Heidelberg eine überragend schöne Stadt ist… Sie war einfach die erste, die ich in meinem Leben sah und das Attribut Stadt verdiente. Vor allem wegen ihres Alters und der Uni. Noch wunderbar übersichtlich in seiner Ausdehnung. Metropolen wie Berlin erscheinen mir im Vergleich als riesige, unüberschaubare Misthaufen…
Gegenüber der Kleinstadt (Anfang der Sechziger noch Dorf), in der ich geboren wurde, war in den Augen eines Heranwachsenden Heidelberg jedoch unvorstellbar groß und geschäftig. Allein der brausende Autoverkehr und die breiten Straßen zeugten davon. Uns Bübchen und Mädchen zog es erstmal nach Heidelberg. Dort meinten wir damals, gehe die Post ab. Wo denn sonst? So einfach war damals noch Abenteuer! Die Pickel sprießten, und wir lechzten nach unseren ersten sexuellen Erfahrungen.
Ich trampte die 15 Kilometer nach Heidelberg. In den Siebzigern ging das noch. Überall an den Ortsausgängen standen Tramper. Wir hatten nicht genug Kröten, um uns Bus und Straßenbahn zu leisten – wir brauchten unser ganzes Taschengeld fürs Saufen. War einer von uns pleite, durfte er selbstverständlich bei seinen Kumpels mittrinken. Das war echte Solidarität!
Meist fiel das Abenteuer in Heidelberg ziemlich kurz aus. Entweder waren wir bereits zu betrunken, als wir starteten, oder uns ging das Geld aus. Der Nachhauseweg in der Nacht war dann oft eine Odyssee. Vor allem im Winter. Rückblickend hätten wir uns alle diese Ausflüge sparen können.
Ich war oft alleine unterwegs. Was gab es Aufregenderes, als mit fünf Mark in der Tasche nach Heidelberg zu trampen und am frühen Morgen durchgefroren zurück zum Elternhaus zu kommen? Meine erste Liebe lernte ich dagegen ganz konventionell in der Neunten kennen, als ich ein Jahr wiederholen musste. Von wegen „Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren“.
Ein einziges Mal hatte ich eine kurze Liaison mit einer 29jährigen Studentin. Eine Schwäbin, 10 Jahre älter als ich. Sie wohnte im letzten Haus der Krämergasse unterm Dach. Ihr Geld verdiente sie als Tellerwäscherin im Palmbräu, wo ich sie nachts abholte… Wenn ich daran zurückdenke, kommt mir diese Zeit total irrwitzig bis irreal vor. Das war Anfang der Achtziger. In den Kneipen wurde Foreigner gespielt „Cold as Ice“ oder Fischer Z „Cruise Missiles“. Nur so als Beispiel. Richtig gute Musik.

Vierzig Jahre später, also heute, war ich auf Spurensuche in Heidelberg. Okay, vielleicht etwas übertrieben – Ich schlappte einfach durch die Stadt und machte mir so meine Gedanken.
Die Wege waren noch da. Auch viele Orte. Meine Augen freuten sich. Ich hatte Glück mit dem Licht. Der Neckar unverändert in seinem Lauf vom Odenwald in die Ebene. Das Heidelberger Schloss thronte wie immer an seinem Platz darüber. Die Brücken ganz dieselben. Die Kirchen und Fassaden in der Altstadt. Der Philosophenweg. Der Heiligenberg und Königstuhl als höchste Erhebungen zu Seiten der Stadt. Überall begegnete ich meinen Fußspuren. Ich war ein Gespenst aus einer anderen Zeit kommend. Niemand sah mich. Der Tod machte den Bartender. Er zapfte mein Bier und reichte es mir mit den Worten: „Was hast du denn erwartet?“

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Heidelberg