Hundstage

Wie müsste wohl eine Kreatur aussehen, die all den Wahnsinn auf der Welt verkörpert? – Vor Augen habe ich die Monster in H.P. Lovecrafts Erzählungen, unvorstellbare Mixturen des Grauens, die mich durch manche Nacht begleiten.
Ich wache in der grauen Normalität eines Spätsommertages in Berlin auf. Spätsommertag? – Moment mal, wir befinden uns Mitte August in den Hundstagen. Seit vielen Wochen dümpelt der Sommer vor sich hin. Bei Temperaturen um die 20°C und Regenschauern reißt es hier in Deutschland niemanden vom Hocker. Na ja, immer noch besser, als in der Hitze zu versengen, meinte ich zu Necip. Der nickte. In Antalya und an anderen Orten am Mittelmeer hatte es vor einer Woche noch Temperaturen über 40°C. Dazu die verheerenden Waldbrände. Nein, da haben wir es in Berlin wirklich gut, sagte er, und auch vom Hochwasser blieben wir verschont… Nur nicht von der Corona-Idiotie, dachte ich zu Ende. Necip kippte sich eine Brise Schnupftabak auf den Handrücken. Er hatte sich das Schnupfen angewöhnt. Auf seiner Oberlippe blieb eine braune Spur zurück. Er zog ein schmutziges Tempotaschentuch aus dem Hosensack und wischte sich die Nase ab. Ich schaute angewidert weg.
Neben Corona brandete der Klimawandel in den Medien auf. Und wieder bliesen fast alle ins selbe Horn. Und wieder kamen sie mit ihren Zahlen… Die Menschheit hatte es verkackt, wollte es aber nicht akzeptieren. Allerhand Strategien wurden entworfen, mit Hilfe derer man das Schlimmste abwenden wollte. Klaus Schwab und einige andere Strippenzieher wussten längst, dass es viel mehr brauchte.
Ich sah die Verkörperung des menschlichen Wahnsinns aus den Tiefen des Ozeans auftauchen, tausendmal gewaltiger als Godzilla. Vor unserem Ende sollten wir unseres eigenen Wahnsinns angesichtig werden… Necip hatte sich bereits die nächste Brise Schnupftabak auf seinen Handrücken gekippt. Ich nahm einen großen Schluck meines Pils. Der Brunnen plätscherte angenehm im Hintergrund. Ein paar junge Araber lungerten um den Kiosk gegenüber herum. Ein Zwerg lief vorbei. Dahinter eine alte Frau mit Rollator. Eine Fixerin huschte in den Schankraum. Sie wollte schnell noch zur Toilette.

Gutenachtgeschichten von H.P. Lovecraft

Seit Kurzem lasse ich mich von Hörbüchern mit Erzählungen von H.P. Lovecraft in den Schlaf wiegen. Auf YouTube findet man eine schier endlose Anzahl an Hörbüchern. Lovecraft war mir bereits als hervorragender Schriftsteller der fantastischen Literatur bekannt, jedoch fand ich nie zur Lektüre seiner Werke. Nun also auf diesem Wege. Wunderbar seine Sprachfertigkeit, die sich nicht hinter einem Edgar Allan Poe verstecken muss. Er versteht es auf hervorragende Weise, die fantastischen Geschichten vor dem geistigen Auge des Lesers/Zuhörers plastisch werden zu lassen – die unheimliche Atmosphäre, der subtile Horror, nie kitschig überfrachtet… Einfach zuhören und in die Welten des Erzählers eintauchen (im GM-Factory Kanal präsentiert und sehr gut von Gregor Schweitzer gelesen). Eine klare Empfehlung für alle, die den Kitzel des Unheimlichen und des Horrors mögen. Lovecraft setzt unserer Seele einen Spiegel vor: Er entführt uns in menschliche Abgründe, in die Tiefen des Seins; er führt unsere Fantasie über alle Grenzen hinweg. Wir sollten nie vergessen, wie geheimnisvoll das Universum ist – leben wir doch meist allzu gefangen im Käfig des Alltags mit seinen schnöden Verrichtungen und Pflichten. Dabei ignorieren wir einen Großteil des Seins. Der Materialismus versteinert unsere Seelen. Und hierin liegt Lovecrafts Stärke: er verbindet die Welten – die Wissenschaften mit dem Okkulten, den rationalen Geist mit dem Fantastischen…