Die Steigerung

Die Menschen lassen sich nicht bremsen… Ich hatte Glück und ergatterte einen Platz, an dem ich mich nicht zu bedrängt fühlte. (Das mache ich auch ohne Corona-Abstandsregel.) Sonnenbrille auf, Bluetooth-Kopfhörer auf und bei meiner Lieblingsmusik in die Runde schauen. Ich konnte mich der um mich herum ausgelassenen Stimmung und Lebensfreude nicht verwehren – immer wieder war ich geradezu ergriffen… Wie gut mir das Bad in der Menge tat, wo ich eigentlich große Menschenansammlungen normalerweise meide. Als wäre ich lange weg gewesen, z.B. im Knast oder auf einer einsamen Insel.
Von der Staatsmacht nichts zu sehen. Nur ein einzelner Streifenwagen fuhr im Schritttempo die Parkwege ab. Die Polizisten taten gut daran, die Menschen nicht zu maßregeln… Ein alter Bekannter vom Sommer letzten Jahres tippte mir auf die Schulter. Flaschensammler und Alt-Freak. Er hatte sich den Frescobol-Spielern angeschlossen. Seine Tage bestanden aus Flaschensammeln, Frescobol und Joints. Ich reichte ihm meine leeren Bierflaschen und freute mich, dass es ihm gut ging.
Zwischendurch stand ich von meinem Platz auf und machte mit dem Smartphone ein paar Bilder… Die Bilder geben leider nur oberflächlich wieder, was ich sah und empfand. Das Ganze erschien mir wie ein zwangloses Happening der Hingabe an das Leben.




Groovie

Immerhin wurde es am Nachmittag noch schön, d.h. die Sonne schien. War dann nur noch halbtrist im Park bei einer Flasche Cidre und meiner Lieblingsmusik im Ohr. Die Menschen stapelten sich auf den Wiesen und Wegen. Mir zu viel. Aber ich hatte genug intus, um la-la-la… Ich saß wie meist auf der Holztribüne vor einer größeren Sandfläche und schaute jungen Leuten bei einem Ballspiel zu. Sie schlugen per Schläger einen roten Gummiball hin und her. Tok – tok – tok – tok… machten sie ausgesprochen gut. Ein Flaschensammler, Marke deutscher Krautrocker + Althippie, setzte sich dazu, rauchte einen Joint und unterhielt sich mit denen, die vom Spiel pausierten. Sie kannten ihn schon. Nette Leute. Sprachen spanisch untereinander, konnten aber auch exzellent deutsch. Ich sah sie schon öfters spielen. Ein paar machen das richtig professionell. Bestimmt gibt es Wettbewerbe. Das Tok – tok – tok -tok verschwand, als ich meine Ohrhörer einsetzte und die Musik auf volle Lautstärke drehte. Yeah, it`s groovie, yeah-yeah – ich wippte im Takt der Musik mit dem Kopf und sah dem Ball zu, wie er von Schläger zu Schläger flitzte. Der Flaschensammler erhob sich und suchte die Holztribüne nach Pfandflaschen und Dosen ab. Viele reichten ihm unaufgefordert das Leergut. Da auf der Tribüne eine Menge Menschen herumsaßen, schätzungsweise über hundert, konnte er alle halbe Stunde einsammeln gehen. Danach zauberte er den nächsten Joint hervor und witzelte mit den jungen Leuten… Cooler Typ. Ich motzte den Cidre mit Wodka auf und ließ mich treiben. Zwischenzeitlich bekriegte ich mich mit den Wespen, die heiß auf den Cidre waren. Als ich die Flasche mit einer Stofftasche abdeckte, hatte ich Ruhe. Diese Stofftasche muss magische Kräfte besitzen. Ich habe sie schon viele Jahre lang. Sie ist nicht einfach eine Stofftasche. Ich bekam sie von einem besonderen Menschen. Vielleicht schreibe ich mal davon. Aber nicht heute – la-la-la…

 

Warten auf die Haarschneidemaschine

Geil, dass heute erst Samstag ist. Mein Weinvorrat ist aufgebraucht. Man(n) kann ja nicht nur Bier trinken. Wenn das Wetter so bleibt, werde ich den Einkauf mit einem sonnigen Stündchen im Park verbinden. Vielleicht ist der alte Herr Flaschensammler auch wieder vor Ort. Ich mag ihn. Er hat Stil, immer ordentlich gekleidet und höflich. Ich schätze ihn auf (mindestens) Mitte Sechzig. Ich möchte ihm was zustecken, – womit ich hoffentlich nicht seinen Stolz verletze.
Vorerst harre ich allerdings zuhause aus und warte auf die Haarschneidemaschine. DHL kündigte die heutige Lieferung an. Mal sehen, ob ich dieses Wochenende den Mut aufbringe, damit das fahle Gemüse auf meinem Kopf zurechtzustutzen. Und nein, ist nicht das erste Mal, dass ich es mir selbst mache…
Sonst gibt`s eigentlich nichts Neues von meinem Corona-Frontabschnitt. Keine Ahnung, wo die Einschläge sind. Im Radio höre ich, dass es auf einen monatelangen Stellungskrieg rausläuft. Weiß der Teufel, was sich die Politik dabei denkt. Egal. Ich konnte es mit mir schon immer gut aushalten. Dann und wann in netter Gesellschaft hat freilich auch seinen Reiz, insbesondere seit den Tagen, als ich die Frauen entdeckte.
Auf die Frauen!
Und hoffentlich taucht der DHL-Bote nicht erst am Nachmittag auf…