Filme, die das Leben dreht

Viele Erinnerungen an mein Leben wirken auf mich irreal, wenn sie vergangene Lebensphasen markieren: meine Jugend, die Schulzeit, die vielen Jahre in der Altenpflege (besonders als Nachtwache), die Zeit mit den damaligen Kumpels und Freunden, die alte Heimat, verlorene Lieben…
Ich erzähle von Ereignissen aus meiner Vergangenheit und mich überkommt ein seltsames Gefühl der Fremdheit. Von wem rede ich? Wer sitzt hier und plaudert z.B. von einer vergangenen Liebe? War das alles real? Natürlich zeugen alte Fotos, Postkarten, Briefe, Geschenke und andere Relikte, dass ich mir mein vergangenes Leben nicht nur einbilde. Ich frage mich aber, wo alles hin ist. Ich blicke in den Spiegel und sehe einen alternden Mann. Gestern war ich beim Frisör. Man sollte auf Wunsch den Spiegel verhängen dürfen. Aber gut, das Problem hatte ich schon als halbwegs attraktiver junger Mann. Darum existieren kaum Fotos von mir. Will mich jemand fotografieren, kann ich echt sauer werden! Alle meine Frauenbekanntschaften übers Internet begannen als Blinddate, jedenfalls für die Frauen. Sehr mutig von ihnen. Na gut, in der Hauptsache geht es ja in der Liebe um die inneren Werte… Hust!
Immer wenn ich in einer beziehungslosen Phase stecke, die sich länger hinzieht, kann ich irgendwann kaum noch glauben, dass ich mal echten Sex mit einer Frau hatte (und das sogar regelmäßig); und all das andere wie Zärtlichkeiten, romantische Stunden und gemeinsame Unternehmungen selbstverständlich zu meinem Leben gehörten. Es ist gerade so, als würde ich behaupten, dass ich vor ein paar Jahren noch Zirkusartist war… (Genau: Das würde ich mir selbst nicht abnehmen.)
Das Leben ist nicht wie ein Film, sondern wie viele Filme. Die können mal lustig und mal traurig, spannend oder langweilig sein. Gerade stecke in einem scheußlich langweiligen Film. Ich wünschte, ich könnte einfach in eine andere Filmaufführung wechseln.

 

 

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einige meiner Lieblingsfilme

 

Lange Nacht, Traum, Horst Krause und affenwarmer Sonntag

Ich träumte von ihrem Vater. Er nahm mich mit auf ein russisches Fest in Berlin. Wir tranken einige Schnäpse – ich war eingeladen. Ich fand ihn gar nicht übel, den Vater. Bevor er abreiste, schenkte er mir irgendwas traditionell Russisches. Es gefiel mir, hatte schöne Farben und gab seltsame Töne von sich…

Was man nicht alles träumt, wenn die Nächte lang sind.
Als ich aufwachte, fand ich nicht mehr zurück in den Schlaf. Der Wecker zeigte Vier Uhr morgens. Ich stöberte in der Mediathek des Tablets und guckte schließlich den Film „Küss die Hand, Krüger“ mit Horst Krause. Darin reisen zwei Stammgäste der Berliner Kiezkneipe „Zum Flachbau“ ihrer Wirtin nach Österreich hinterher. Die Wirtin will die Kneipe verkaufen, weil sie sich in einen österreichischen Charmeur verliebte. Das darf natürlich auf keinen Fall geschehen! meinen die Stammgäste. Einer von ihnen ist außerdem verliebt in die Wirtin. Es geht nun darum, ihr die Heiratsflausen auszutreiben. Die Reise führt sie erst an den Wolfgangsee, dann nach Salzburg und zwischendurch nach Wien. Nach und nach wird klar, dass der österreichische Herzbube ein Heiratsschwindler ist. War eh klar, oder?
Happyend! Die Heirat platzt, und der Heiratsschwindler kriegt was in die Fresse. Die Wirtin ist freilich sehr traurig – aber geläutert. Zurück in Berlin feiern sie das Ganze im „Flachbau“ mit einem Eisbeinessen, Getränke frei. Juchhe!
Was man sich nicht alles reinzieht… Der Film war seichter Schmonsens (mehr wollte er auch nicht sein). Der dicke Krüger stemmte es. Eine Szene gab es, die mich echt anrührte. Krüger düst kurz vor Ende alleine nach Wien zum Prater. Seine verstorbene Frau hatte sich ehemals so sehr dort eine Riesenradfahrt mit ihm gewünscht. Doch weil Krüger immer nur seine Arbeit im Kopf hatte, kam es nie dazu. Er mietet also eine ganze Gondel für sich allein und dreht ein paar Runden… im Gedenken an seine Frau.
Bei Riesenrädern werde ich unwillkürlich schwach. Was bin ich doch für ein sentimentaler Hund!

Inzwischen stand ich auf. Es ist auch schon hell. Die Sonne scheint. Alle pennen noch. Na klar, es ist Sonntag. Ich sitze etwas verloren vorm Computer. Spaßeshalber googel ich nach der Kneipe „Zum Flachbau“. Und ja, die gibt`s wirklich in Kreuzberg, sieht auch genauso aus. Der Film ist bestimmt `ne gute PR für den echten Wirt oder die Wirtin. Gar nicht so weit von hier – zwei Kilometer. Wie das Wetter aussieht, sollte ich unbedingt rausgehen. Im Wetterbericht lese ich, dass es mit 16 Grad geradezu affenwarm wird. (Isses möglich!)
Mein letzter Tag in Freiheit, wenn ich meine Krankschreibung morgen nicht verlängere. Ich bin zwar noch verschleimt, fühle mich aber nicht mehr krank. Bringt ja nichts, noch länger zuhause rumzusitzen. Also, unbedingt den heutigen Tag genießen – Faltrad auffalten, und los geht`s!