Der Rückflug

Zurück ging`s mit einem Airbus A320. Die 30 Sitzreihen klebten förmlich aneinander. Der Sitzabstand betrug circa einen Dreiviertelmeter. In solchen Fliegern werden Menschen wie bei der Massentierhaltung eingepfercht. Es ist doch immer wieder ein Erlebnis in einer gut 30 Meter langen Blechbüchse mit 160 anderen Idioten 10.000 Meter über dem Erdboden ein paar Stunden abzusitzen.
Ich bewunderte die alten Säcke, wie sie stoisch ihr Schicksal ertrugen. Einige stöhnten und ächzten, aber ansonsten blieben sie ruhig, blätterten in Magazinen, lösten Kreuzworträtsel und vesperten brav. Ich hatte extra einen Sitzplatz am Mittelgang gebucht, um meine Beine seitlich ausstrecken und durchbewegen zu können. Doch kaum waren wir in der Luft und durften die Sicherheitsgurte lösen, begann eine nicht abreißende Karawane zu den Flugzeugtoiletten. Zudem ruckelten in regelmäßigen Abständen die Flugbegleiterinnen mit dem Versorgungswägelchen durch den Gang. Hin und zurück, und dann nochmal, um die Abfälle einzusammeln. An ein entspanntes Ausstrecken der Flossen war nicht zu denken. Gut, ich fliege nicht zum ersten Mal und kenne all diese misslichen Umstände. Und jedes Mal nehme ich mir vor, dass ich mir das nicht so schnell wieder antun will. Es ist wie beim Zahnarztbesuch – wobei man für die Folter auch noch eine ganze Menge Geld zahlt.
Die Situation in einem Flieger ist ausweglos. Besser nicht drüber nachdenken. Einfach die Augen schließen, ruhig und gleichmäßig atmen und an was Schönes denken, z.B. an den verbrachten Urlaub. Ich versuchte es… wirklich! Ich muss da wohl an mir und meinen Entspannungstechniken arbeiten. Da war dieser Typ in der Sitzreihe direkt vor mir, der seine Sitzlehne zurückstellte und mir damit noch einige Zentimeter Platz raubte. Seine Frau bemerkte meinen ärgerlichen Gesichtsausdruck und stupste ihn darauf an. Es wäre nicht anständig, bei solch engen Verhältnissen die Lehne zurückzustellen. Ich lächelte zustimmend. Doch der Typ war einer von der Sorte „Ich lass mir nichts sagen“ und meinte lediglich: „Er wird`s überleben.“ Dabei lachte er blöd. Ich hasse solche Großkotze – mein Gott, wie ich die hasse! Er ließ mir keine Wahl, ich musste ihn killen. Am liebsten hätte ich ihm von hinten die Kehle durchgeschnitten, aber mangels eines Messers rammte ich ihm meinen Kugelschreiber bis zum Anschlag ins rechte Ohr. „Gut gemacht“, sagte seine Frau. „Immer wieder gern“, sagte ich. Ich rammte dem Arsch, auf dessen Rübe ich die Flöhe zählen konnte, während des Fluges einige Dutzend Mal den Kugelschreiber ins Ohr – nur in meiner Fantasie freilich, denn ich bin ein äußerst friedliebender Zeitgenosse. Ich ließ mich noch nicht mal auf ein Wortgefecht mit dem Arsch ein. Es muss auch gute Menschen wie mich geben. Wenn ich mich mit dem Arsch streite, stelle ich mich mit ihm auf eine Stufe. Die fünf Stunden werden schon rumgehen. Einfach die Augen schließen, ruhig und gleichmäßig atmen und an was Schönes denken, z.B. wie ich den Typen vor mir massakriere…, dieses selbstgefällige ARSCHLOCH!!

Kaum bin ich einen Tag in Berlin, hat die Verschleimung meiner Atemwege wieder zugenommen. Eine Allergie? Habe ich mir auf dem Rückflug eine Erkältung eingefangen? Oder ist`s der großstädtische Feinstaub? Die Seeluft war sicher besser. Auch heute hängt wieder eine Dunstglocke über Berlin. Die Waschmaschine mit der Urlaubswäsche läuft. Der Blues läuft. Ein kalter Drink steht neben mir. Alles ist gut.