Wüstennacht
Mir ist es scheißegal, ob ihr nachempfinden könnt, welche unendliche Kälte uns umgibt – nichts als Wüste, die seit 14 Milliarden Jahren auseinanderdriftet. Möglicherweise gibt es uns nur deshalb, weil gewisse Naturkonstanten zur richtigen Zeit miteinander poppten… Immerhin schenkten sie uns den Mond und Jesus – somit sind wir nicht ganz allein, wenn sich das Licht der Sterne in unseren einsamen Augen spiegelt. Ich wünsche mir eine laue Sommernacht mit einem halben Mond, der sich durch die Wolken mogelt, mit dem Zirpen der Zikaden und einem fernen Lagerfeuer, den Stimmen meiner Vorfahren, während ich mich im Schutze eines Busches zusammenkauere und den Schlaf erwarte. Meine Haut brennt noch von der Hölle des Tages. Die Erde kühlt, ich küsse sie, als wäre sie meine Geliebte…
Warum hat alles Grenzen? – die Masse der Sonne, der Erde, des Monds, des Elektrons – wir Menschen sind Künstler des Ausmessens von den Quanten bis zu den Galaxien. Wir sind zum Messen verflucht. Selbst Gott würden wir vermessen. Unser Land haben wir längst verkauft, unsere Seelen klammern sich verzweifelt an die Ahnung von Liebe. Wir sollten endlich die Wüste, die Leere um uns herum erkennen…
Wir sind eine Familie und sitzen gemeinsam auf dieser wunderbaren Erde – it`s our home. Wir erzählen uns Geschichten von guten und schlechten Zeiten. Bevor wir uns schlafen legen, küssen wir uns, küssen die Erde.
Unser blauer Planet verschwindet im Sonnensystem, im Staub der Milchstraße, hinter Galaxienhaufen, Dunkler Materie und… und… und 10 weiteren Dimensionen, die allesamt nicht dazu taugen, die Liebe zu erklären, das Sein zu erklären und uns Halt zu geben. Ich genieße die Nacht, sie beruhigt mich hier und jetzt. Noch spähe ich manchmal zu euch herüber zum Lagerfeuer, sehe eure dämonischen Schatten tanzen…
03.04.2003