Keep Cool

Ganz schön was los im Haus. Das durchdringende Geräusch einer Bohrmaschine schmeißt mich aus dem Bett. Es ist so laut, als ob es direkt von der anderen Seite der Wand kommt, an der ich schlafe. Im Treppenhaus ein morgendliches Getrampel auf und ab – wahrscheinlich die Handwerker und Bewohner, die vor dem Lärm fliehen, stelle ich mir vor. Ich gucke nicht durch den Spion. Das Bohren kann nicht endlos dauern, denke ich, und tatsächlich ist nach einer halben Stunde erstmal Ruhe. Ich sitze im Halbdunkel am Schreibtisch und tippe drauflos, ohne zu wissen, wohin es mich führt. Befinde ich mich bereits im Tag? Freundlich beginnt er nicht. Es ist kühl, aber ich will darum noch nicht die Heizung aufdrehen. Laut Thermometer an der Pinwand liegt die Zimmertemperatur bei 20°C. Zum Eisklumpen werde ich schon nicht werden. Der Blick aus dem Fenster zeigt einen düsteren nasskalten Herbsttag in Berlin. Die Wettervorhersage bestätigt, was ich sehe. Nein, ich lasse mich vom Wetter nicht runterziehen. Da gibt es andere Dinge, die an meinen Nerven zerren, die wie Backsteine auf meiner Brust liegen. Schon relativ am Anfang der erklärten Pandemie mit Lockdowns und allerlei Maßregelungen konstatierte ich, dass ich vor den Menschen mehr Angst habe als vor dem Virus. Die meisten meiner Mitmenschen sehen es genau umgekehrt. Für sie bin ich ein Wirrkopf oder schlimmer. Es wird in der Öffentlichkeit und in den Medien in diesem Zusammenhang mit allerlei abwertenden Attributen herumgeworfen. Gute Bekannte melden sich nicht mehr. Verachtung liegt in der Luft. Man fühlt sich zum Bürger 2. Klasse degradiert. Ungeimpfte dürfen dies und das nicht mehr. Längst wurde die freiwillige Impfung durch vielfältige Verordnungen zum Impfzwang, besonders in einigen Berufsgruppen. Ich halte dieses ganze staatlich legitimierte Vorgehen gegen Ungeimpfte für menschenverachtend. Es passiert hier gesellschaftliches Mobbing der fiesesten Art. (Und nein, liebe Freni, ich steigere mich da in nichts hinein.)
Gut, dass es auch Menschen gibt, die sich impfen ließen aber das Ganze nicht so verbissen sehen, die ihren gesunden Menschenverstand noch nicht an Staat und Massenmedien abgegeben haben. Und dann gibt es natürlich jene, die mutig gegen die staatlichen Maßnahmen demonstrieren und im wahrsten Sinne des Wortes ihren Kopf hinhalten, oder die in den alternativen Medien kritisch berichten und nicht nachlassen, die Fehler, Widersprüche und Lügen unserer Regierenden zu benennen. Es ist gut zu wissen, dass man mit seiner Wahrnehmung und seinen Gefühlen nicht alleine steht – auch wenn es mir manchmal (z.B. auf meinen Blogs) so vorkommt. Viele trauen sich nicht, offen zum Thema Corona und Impfung zu reden, oder sie gehören zu denjenigen, die für Menschen wie mich nur Verachtung übrighaben.

That`s it.
Der Herbsttag grinst frech zu mir in die Wohnung, als wolle er sagen „keep cool, old boy“… Ich weiß, jeder Scheiß hat einmal ein Ende: Bohrmaschinen am Morgen, keifende Frauen, Regentage, Kälte, Winter, Hunger, schlechte Regierungen, Diktaturen, Faschismus, Unterdrückung, Gewalt, Kriege, Corona, Krankheiten…

Schätze, es wird Zeit für einen Drink.

 

Aaaaargh!

Das Schöne am Alleinleben ist, dass man in allen Ausprägungen vor sich hin stöhnen (und jammern) kann. Niemand fühlt sich gestört, keinen nervt`s – weil es keinen Arsch interessiert, ob es einem gerade schlecht oder gut geht. Hach! Was für ein Leben! sagte ich mir kurz nach dem Aufstehen und streckte parallel zu meiner Stöhn-Attacke meine alten Glieder – Aaaaargh! Ich blickte hinaus auf die Straße in die Morgendämmerung… Verrückte Welt! Gar seltsame Tiere sind wir Menschen… Dann schlurfte ich durch die Wohnung, hielt meinen Kopf unter den Wasserstrahl, riss das Küchenfenster auf, schnupperte die Morgenluft, schloss das Fenster wieder, mixte mir am Kühlschrank den ersten Drink…
Da sitze ich also. Am Schreibtisch. Suche meinen Kopf ab (von innen). Man kann ja nicht nur vom Input leben. Ab und zu muss auch mal was das Selbst verlassen. Nicht die kleinen und großen Geschäfte. Ich meine den geistigen Bullshit. Am besten aus originär eigener Produktion. Ich brauche das. Zeugnis ablegen davon, dass ich ein geistiges Wesen bin. Schön. Cogito ergo sum.  Je pense, donc je suis. Ich denke, also bin ich. Ich muss mir das ab und zu beweisen und rülpse also auch heute einige Worte in den unendlichen Äther. Anderen möge es reichen, wenn sie sich regelmäßig im Spiegel betrachten, Selfies machen oder vor einer Kamera posieren… Das wiederum vermeide ich weitgehendst – wen oder was sehe ich da schon? Da schaue ich mir lieber meine Mitmenschen an, insbesondere das schöne Geschlecht. Die Natur wollte es, dass ich als Mann mein Dasein friste. Meine Lust an der weiblichen Anmut/Grazie kann und will ich nicht verhehlen. Der Sexus ist immanent mit meinem Sein auf Erden verflochten… Darauf erstmal einen Drink!
Vorm Kühlschrank ein paar Dehnübungen und eine Schattenboxeinlage… Aaaaargh! Ein kurzer Blick nach draußen. Es regnet. Der Tag beginnt düster. Irgendwie werde ich ihn hinter mich bringen wie all die anderen Tage vorher. Tage, die sich aneinanderreihen wie Zahlen auf einem Zahlenstrahl. Die meisten davon total unbedeutend.

  

Schuld

Das Wochenende gut begonnen, indem ich mir Finger- und Fußnägel schnitt. Ich mache das immer fein mit der Nagelschere und nicht mit einem Nagelknipser. Trotzdem fällt bei der Prozedur schon mal ein Nagel zu Boden. Wo ist der nur wieder hin? Mit meinem Adlerblick suche ich den Boden ab. Nichts zu sehen. Dann streiche ich mit der flachen Hand über den Boden… und hab ihn! Aber nicht immer. Manchmal muss ich die Suche aufgeben. Fingernagel vermisst, irgendwo in der unendlichen Weite vor oder unter dem Schreibtisch. Es ist wirklich so, dass es Dinge gibt, die einfach so verschwinden, nicht nur kleine Dinge wie Fingernägel, Schrauben oder Unterlegscheiben von Schrauben. Seit einem Jahr vermisse ich eine Haushaltschere. Ich zweifelte bereits an meinem Verstand.
Ich denke besser nicht weiter drüber nach, was auf nicht nachvollziehbare Weise schon alles aus meinem Leben verschwand. Es ist nicht so sehr der Verlust, der mich nachhaltig wurmt, sondern dass ich nicht hinter das Verschwinden komme. Wieso? Habe ich nicht aufgepasst? War`s meine Schuld?
Womit ich endlich beim Thema dieses Beitrags wäre: Schuld. Ein sehr schweres Thema. Ich spüre, wie ich mich innerlich verkrampfe, wenn ich drüber nachdenke. Schuld. Besser noch einen Drink nehmen, bevor ich weiterschreibe…

Jegliches Sein lädt per se Schuld auf sich. Das Sein steht immer in Konkurrenz zum ihm umgebenden Sein. Sein gegen Sein. Aktion und Reaktion. Alle tragen wir ein Riesenpaket Schuld auf unseren Schultern, stehen unter einem permanentem Rechtfertigungsdruck. Ausnutzen tun dies diejenigen, die an der Macht sind. Sie liefern uns scheinheilig die Absolution, nach der wir lechzen. Dafür wollen sie lediglich unsere Seelen. Ein guter Deal für Menschen, die von der Seele wenig Ahnung haben. Sie tappen arglos in die Falle. Weltweit zu sehen. Religionen und Ideologien entstehen. Menschen wie du und ich erklären sich zu Moralwächtern über die gesamte Menschheit. Wir generieren eine Hitparade der Schuld. Diejenigen mit den besten Entschuldigungen stehen dabei besser da als die Menschen, die zu ihrer Schuld stehen.
Keine Seele ist ohne Schuld. Die Schuld verbindet uns mehr als alles andere auf der Welt. Es ist töricht, vor ihr wegzulaufen. Funktioniert sowieso nicht. Freilich können wir eine Mauer der Ignoranz und Selbstlüge errichten. Aber die hat ihren Preis…

Eines Tages wird die Menschheit von der Erde verschwunden sein. Die Sonne macht ein Nickerchen, wacht auf, reibt sich die Augen und denkt verwundert: Wo sind denn die Menschen hin? Wo sind diese wunderlichen Geschöpfe auf dem Planeten Erde geblieben? Bin ich etwa daran schuld?

 

Zeichen

Wenn man mich eines Tages hier rausträgt, hinterlasse ich wenigstens einen ordentlichen Eindruck. Ich will nicht tot in einer schmutzigen, zugemüllten Wohnung gefunden werden. Unangenehme Vorstellung. Nun ist mir schlecht vom Putzen. Für heute reicht`s. Ein scheiß Job. Ich denke an die vielen, für die Putzen den Brotverdienst bedeutet. Nicht Sport ist Mord, sondern Hausarbeit.
Ich reiße die Fenster auf und setze mich in den kühlen Luftzug. Dazu ein Drink, und mir geht`s langsam wieder besser. Von der Straße tönt die alltägliche Geschäftigkeit der Stadtbewohner zu mir herein. Ein schöner Novembertag grüßt.
Was bleibt mehr zu tun als die Instandhaltung und Verwaltung des Lebens? Die Freude auf das tägliche Feierabendbier, die Freude aufs Wochenende mit zweimal Ausschlafen und zwei Tagen, an denen ich nicht über den Tumorfällen brüten muss, die Freude auf den nächsten Urlaub und auf den nächsten Sommer… Ich blicke mich in meinen vier Wänden um. Mir gefällt, was ich sehe. Ich habe es mir schön gemacht. Ab und zu gönne ich mir eine kleine Freude in Form eines neuen Kleidungsstücks, eines Schmuckstücks oder eines Buches. Mir kam kürzlich ein Hörspiel von Günter Eich in den Sinn, welches ich vor vielen Jahren gehört und mich beeindruckt hatte. Keine Ahnung, warum ich mich daran erinnerte. Ein Akt der Langeweile oder ein Zeichen – wer weiß das schon? „Das Jahr Lazertis“ – leider fand ich keine Hörfassung im Internet. Bei der Recherche wurde mein Interesse am Autoren Günter Eich geweckt und ich beschloss, mir ein/zwei Bücher mit seinen Sachen zu bestellen. Ich bin gespannt.
Und was stellst du heute noch an, bro?
Gute Frage. Schätze, die übliche Runde. Vorerst noch `nen Drink. Ich warte auf ein Zeichen. Außerdem läuft die Waschmaschine noch.
Was für ein Zeichen?
Weiß nicht. Irgendein Impuls, eine Inspiration, ein glücklicher Zufall… etwas, das mich aus meiner Lethargie reißt.
Wird schon.
Klar.

Brasko und die geklauten Minuten

V

 

Es gibt nichts gruseligeres als die letzte Minute vor einem tragischen Unglück, das die Beteiligten in den Tod reißt. Brasko liest vom Einsturz einer Autobahnbrücke in Genua. Du denkst an nichts Böses, summst die Melodie eines Songs mit, den das Radio spielt – z.B. „Beds Are Burning“ von Midnight Oil, längst ein Klassiker, der aber immer noch rockt. Du siehst die riesige Brücke bereits vor dir. Es ist mitten am Tag. 100 Meter vor dir ein LKW. Vielleicht denkst du an deine Frau, deine Kinder, deine Eltern, oder du denkst an die Arbeit und an scheiß Probleme. Vielleicht denkst du auch an gar nichts, weil du ganz in der Musik aus dem Autoradio versinkst… the time has come, to say fair’s fair, to pay the rent, to pay our share, the time has come, a fact’s a fact, it belongs to them, let’s give it back… Du bist mit gut 100 Sachen auf der Brücke unterwegs. Du setzt den Blinker, um den LKW zu überholen. Im Rückspiegel dein bisheriges Leben. Vor dir… kein LKW mehr, vollkommen irreal. Dir bleiben nur noch wenige Sekunden, die Hände verkrampft am Lenkrad, die Augen weit aufgerissen…
Brasko wankt zur Küche, um seinen Drink nachzufüllen. Wie wäre das, wenn sich Minuten aus der Zukunft generieren ließen. Wozu etwas nacherleben, was längst vorbei ist? … Irgendwann wird auch seine letzte Minute kommen. Unter welchen Umständen auch immer. Wahrscheinlich wird es keine einstürzende Brücke sein, sondern eher Leberzirrhose oder ein Sturz besoffen die Treppe runter. Alles irgendwie gleichblöd.
Plötzlich klingelt es an der Tür. Er erwartet niemanden. Er ist ganz schön durch den Wind. Der Sandmann? Jetzt schon mit der Test-Minute?

„Mr. Brasko?“
„Äh ja.“
„Ich bin Mrs. Sandmann.“
„Das ist fantastisch! Kommen Sie doch bitte herein.“
An Brasko vorbei schwebt eine überirdische Erscheinung, glattes schulterlanges Haar, sandfarben, und eine Figur, die jeder Sanddüne Konkurrenz machen würde. Ein enganliegendes schwarzes Kleid betont die Kurven. Verdammt aber nochmal! Verlegen bittet er seinen Überraschungsgast Platz zu nehmen.
„Darf ich Ihnen einen Drink anbieten?“
„Nein danke. Ich vertrage nicht viel.“
„Ein Glas Wasser?“
„Gern.“

Abkühlung

Als ich heute Morgen das Fenster aufreiße, strömt eine kühle Brise an mir vorbei in die Wohnung. Wow! … Gleich mal ein paar Kilo Luft saufen. Aber von Luft allein kann man nicht leben nicht. Ich mixe mir also wie gewöhnlich einen Drink und fahre den Computer hoch. Zuerst die Mails: Nichts Neues. Dann die Nachrichten: Ich lese, dass sich die Welt weiterdreht. Viele Artikel klicke ich erst gar nicht an… Ein Asteroid auf Kollisionskurs mit der Erde. Gähn! Einschlag erst übermorgen. Auch sonst nichts Aufregendes. Das Übliche. Menschen sterben. Mal mehr und mal weniger tragisch… Politik und Wirtschaft lasse ich gleich außen vor. Wen interessiert der Scheiß? Dann diese elenden Diskussionen um Özil und seinem Rückzug aus der Nationalelf. Mamma-mia! Soll ich dazu kurz meine Meinung sagen? … Scheiß Fruchtfliegen! Diese versoffenen Biester machen sich an meinen Drink ran! Haut ab! … Wo war ich stehengeblieben? Özil – also ich vermisse ihn nicht. Klar sind wir alle Rassisten. Na ja, außer diesem Präsidenten in der Türkei. Der ist absolut immun gegen… alles, sowieso gegen Faschismus und Rassismus. Ich würde mich auch gern mit dem fotografieren lassen. Wann hat man schon mal die Gelegenheit, sich mit einem solchen Krösus zu zeigen? Apropos: Wohin hat sich eigentlich der Dalai-Lama verpisst? Lebt der noch? Ich fand ihn mindestens so sympathisch wie Erdogan, Putin, Trump, Merkel und Papst Franziskus zusammen. Fast würde ich sagen, er fehlt mir. Ich mochte sein verschmitztes Lachen. Ein echter Teufelskerl, der Dalai-Lama…
Nun haben diese kleinen Biester doch glatt meinen Drink ausgesoffen! Obwohl ich ihn mit einem Bierdeckel abdeckte – wie machten die das? Benutzen die Mini-Strohhalme? Ich muss besser aufpassen und vor allem schneller trinken.