„Wir sind das Volk!“ riefen viele DDR-Bürger auf Demonstrationszügen in den ostdeutschen Städten. Die Montagsdemonstrationen wurden zum Ritual. Ich weiß nicht viel von der friedlichen Revolution in der DDR. Ich verfolgte sie im Westfernsehen. Als schließlich die Grenze geöffnet wurde, rührten mich die Bilder zu Tränen. Willy Brand sagte bedeutungsschwanger „Es wächst zusammen, was zusammengehört“.
Wie lange existierte die DDR? Kaum ein halbes Jahrhundert schätze ich. Jedenfalls lernte die Generation der Babyboomer, zu denen ich gehöre, Deutschland nur als geteiltes Land kennen – eine geschichtliche Anomalie, vollzogen von den Siegermächten. Was weiß man als Kind und Heranwachsender von der deutschen Geschichte? Hitler wollte die ganze Welt erobern… Er hätte nicht in Russland einmarschieren sollen, sagte meine Mutter.
Heute weiß ich mehr von unserer Geschichte, aber es ist immer noch sehr wenig. Wer fügt die Puzzleteile zu einem stimmigen Bild zusammen? Die Geschichte überrennt die Menschen. Ehe wir uns versehen, befinden wir uns in einem anderen Zeitabschnitt und wundern uns, wie es so weit kommen konnte. Von Opfern werden wir zu Tätern, und andersherum. Die Geschichte der Völker bleibt ein Verwirrspiel. Ich probiere mich erst gar nicht an der Analyse. Ich sehe auch so, was gut und was schlecht ist. Hitler hatte schlechte Ideen. Jeglicher Totalitarismus führt die Gesellschaft ins Verderben. Die Machthaber sagen uns, dass sie nur unser Bestes wollen. Dabei verhöhnen sie uns, das gemeine Volk. Sie sind überheblich aber machen die Rechnung ohne den Wirt. Wir müssen uns der Staatspropaganda entziehen, wenn wir uns nicht in den Abgrund reißen lassen wollen.
Die friedliche Revolution in der DDR war ein Wunder der Geschichte. Wir bräuchten schon wieder eins.
DDR
Wahrheit in der Krise
Schwer zu sagen, wie viel uns Ottonormalbürgern von Politik, Hochfinanz und Wirtschaft an Informationen bewusst vorenthalten wird. Wir sehen nicht, was sich hinter den Kulissen abspielt. Bisher durften wir aber wenigstens darauf vertrauen (wenigstens hoffen), dass die ein oder anderen Vertuschungen und Lügen in den Medien aufgedeckt wurden. Die sogenannte vierte Gewalt im Staat als gesellschaftliches Korrektiv. Dass man Politikern und Wirtschaftsbossen nicht unbedingt trauen kann, ist systembedingt. Aber nun, spätestens seit Corona, habe ich auch das Vertrauen in unsere Medien und den seriösen Journalismus verloren. Natürlich war ich nie so naiv, alles zu glauben, was im Blätterwald so geschrieben steht, insbesondere in der Regenbogenpresse und in der BILD.
Jetzt in der Krise treten die Verflechtungen zwischen Politik und Medien klarer zutage als je zuvor. Kritisch-investigativer Journalismus wird unterdrückt, erhält keine Plattform. Corona-Kritiker werden nicht in Talk-Shows und zu Diskussionen eingeladen – sie werden diffamiert ohne die Gelegenheit zur Widersprache. Wer in den Redaktionen aufmuckt, kann sich einen neuen Job suchen. Ein solch negatives Framing unangenehmer Meinungen, eine solche Unterdrückung kritischer Stimmen gab es nicht mehr seit Ende des Naziregimes – jedenfalls nicht in dem Teil Deutschlands, in dem ich aufwuchs. Ehemalige DDR-Bürger haben selbstverständlich lebensgeschichtlich einen anderen Blick auf Werte wie Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Reisefreiheit… Es muss ihnen gespenstisch vorkommen, sich 2020/21 in einem Staat wiederzufinden, der Grundrechte zurücknimmt, die Polizei auf friedliche Demonstranten hetzt und seinen Bürgern mit Repressalien droht, wenn sie nicht schön artig sind – gibt es da vielleicht Parallelen zur guten alten DDR?
Die Krise erlebe ich als ein ungeheures Informations-Desaster. Der mündige, aufgeklärte Bürger ist politisch unerwünscht. Der gesunde Menschenverstand wurde weggeschlossen. Stattdessen Angst, Hetze, Propaganda. Gäbe es kein Corona-Virus, würde man was anderes aus dem Hut zaubern.
TV-Tipp
„Der Untertan“, 20 Uhr 15, 3sat
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