

Ich dachte, ich könnte mal mein Bücherregal abstauben. Es steht etwas verwaist in der Ecke des Zimmers. Ich lese seit geraumer Zeit wenig bis gar nicht Belletristik. Dafür gibt`s natürlich Gründe. Aktuell ist meine Lesefaulheit zu einem guten Teil meiner Arbeit geschuldet. Wenn du acht Stunden lang Tumoren dokumentierst, dabei hunderte Histos und Epikrisen lesen/studieren musst, bist du nach Feierabend mental relativ müde. Ich bin`s jedenfalls. Und meine Augen auch. Ich ziehe dann die einfache Berieselung durch TV und Mediathek vor. Schade – denn es gibt so viele tolle Bücher von tollen Autoren. Einige liegen ungelesen auf meinem Bücherregal. Eines trage ich sogar seit Monaten im Rucksack mit mir herum, ohne es weiterzulesen. Trotzdem würde mir was fehlen, wenn ich es nicht dabeihätte.
Kann auch sein, dass ich geistig abbaue. Sowas soll vorkommen, wenn man älter wird. Ich sehe mich bereits wieder auf dem Boden sitzend mit Bauklötzen spielen. Wahrscheinlich kam ich darum auf die Idee, einige meiner Lieblingsbücher wie Bauklötze zusammenzulegen.
Wesentlich angenehmer ist mir der Gedanke, dass mein geistiges Level das Lesen schnöder Literatur inzwischen (fast) überflüssig macht. Ich schreibe selbst das Beste! Es gibt kaum noch Autoren, die mich begeistern. Der letzte gute war John Fante.
Zu viele Langweiler schreiben langweilige Bücher. Seltsamerweise fällt das kaum jemandem auf. Außer Bukowski damals. Na ja, und mir heute. (Oder auch ein paar anderen, die ich aber nicht kenne.)
Da ich Putzen im Allgemeinen und Abstauben im Besonderen hasse, kam ich über den Gedanken, mein Bücherregal abzustauben, nicht hinaus. Lieber ganz instinktiv ein paar Bücher herausgreifen, zusammenlegen und ablichten. Gewisserweise als geistiges Familienfoto.
Der Campingbetreiber, bei dem ich in Jaroslawiec unterkam, sah aus wie der Schriftsteller Wiktor Pelewin, von dem einige Bücher in meinem Regal stehen. Ich war der einzige Zelter auf seinem Platz. Nachdem mein Zelt stand, schleppten wir gemeinsam einen Tisch mit Bank zu meinem Zelt. Es war seine Idee… Na gut, warum nicht.
Am Abend, nachdem ich das (sehr schöne) Ostseebad Jaroslawiec besichtigt hatte, trank ich am Tisch vor meinem Zelt einen Rotwein und genoss meine Lieblingsmusik aus den Ohrhörern. Ich floss nach der Anstrengung des Tourtages mental dahin…
Plötzlich erschien Wiktor Pelewin wie aus dem Nichts bei mir und begutachtete meine Flasche Rotwein. Sein Angebot: Er hätte da was Besseres, einen Wein aus eigener Herstellung, der mindestens doppelt so stark sei. Pelewin ließ sich nicht davon abbringen, stellte also eine gut halbvolle Flasche seiner Produktion (siehe oben – da hatte ich aber schon davon genippt) vor mir auf den Tisch…
War wirklich süffig – obwohl ich lieber trockene Weine trinke. Leider konnte ich Pelewin nicht dazu bewegen, sich zu mir zu setzen. Schade.
Ähnliche Schieflagen habe ich auch zuhause mit Wiktor Pelewin im Bücherregal (z.B. heute) (mit Musik ohne Ohrhörer).