Krank

Ich wusste, dass ich nicht drum rumkommen würde, ihm zu sagen, dass ich die Blutdruckmedikamente abgesetzt hatte. Der Arzt meinte nach der Blutdruckkontrolle, dass ich mit diesen Werten das Rentenalter kaum erreichen würde. Danach verabreichte er mir einen Hub Nitro.
„Wollen Sie nicht noch etwas länger leben?“, fragte er, „Sie sind so ein netter Mann…“
„Na ja“, lächelte ich und dachte: Ich bin wegen einer scheiß Erkältung hier, und brauche lediglich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, um mich auszukurieren.
„… und wir sind ein Jahrgang“, fügte er hinzu, „es täte mir sehr leid.“
„Ich verstehe“, erwiderte ich, „es liegt allein in meiner Verantwortung.“
So drucksten wir noch ein Weilchen herum. Ich denke, er spürte, dass bei mir sein gutes Zureden nicht fruchtete…
Mamma Mia! Das ist mein verdammtes Schicksal. Niemals dachte ich daran, so alt zu werden, wie ich inzwischen bin. Gut, wenn ich noch ein paar Jahre habe – wenn nicht, auch egal. Im Prinzip ist alles gesagt. Oder: Der Käs ist gegessen.

Die Krankschreibung geht über die gesamte Woche. Bis dahin dürfte ich die Rotzbirne los sein. Perfekt! Ich werde mich ein paar Tage lang einigeln. Das Übliche, bloß ohne Büro und Tumordokumentation.
Ich wollte endlich mit einem Bild anfangen…

Seltsam, dass ich in letzter Zeit von meiner Umwelt relativ viele Komplimente bekam. Egal, ob im Pub oder auf Arbeit. Auf der Weihnachtsfeier wurde ich sogar mit Sprüchen konfrontiert wie „Endlich mal ein schöner Mann!“. Das grenzte an sexuelle Belästigung! Peinlich, peinlich… Schon möglich, dass ich für die Kategorie Hässliche Entlein noch als gutaussehender Mann durchgehe.
Obwohl mir solcherlei Komplimente unangenehm sind, will ich nicht leugnen, dass ich mich ein wenig geschmeichelt fühle.
Nun noch mein Hausarzt, der mich als „netten jungen Mann“ bezeichnete. Hust! – Ist er krank oder schwul – oder was?

Wie man`s macht

Spätestens wenn ich vom Arzt komme, fühle ich mich wirklich krank. Heute Morgen Blutabnahme, Urinprobe, EKG… Ich hatte mir einen grippalen Infekt eingehandelt, mir ging es wirklich mies, aber ich wollte in der Hauptsache die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und nicht durch die Mangel gedreht werden. Da ich Bluthochdruckpatient bin, wurde freilich auch der Blutdruck kontrolliert. Und: 210 zu 100! Hoppla! Da erschrak ich dann auch ein wenig. Der Arzt verpasste mir gleich zwei Hübe Nitro. Schon klar, an was ich mal sterben werde. Wahrscheinlich fliegt mir irgendwann das Blech weg… Herztod oder Hirnschlag. Dann habe ich Ruhe. Vorher aber noch meinen Gran Canaria Urlaub genießen. Ich dachte noch nie weit in die Zukunft. Von Jahreszeit zu Jahreszeit, selten länger. Dass ich inzwischen auf die Sechzig zugehe…, hätte ich nie für möglich gehalten. Irgendwann ist es dann soweit, und man geht aus dem Leim. C`est la vie.
Ich hoffe nur, dass ich bis zu meinem Urlaub in eineinhalb Wochen halbwegs fit bin. Eine Reiserücktrittsversicherung habe ich nicht abgeschlossen. Okay, wenn ich umfalle und tot bin, spielt das auch keine Rolle. Nochmal das Meer sehen und arglos in die Sonne grinsen – wäre schon schön. Scheiße, ich bin zu sentimental. Vielleicht hätte ich heute besser arbeiten sollen, dann würde ich mich jetzt nicht so krank fühlen.

Verfluchter Blutdruck

„Warum haben Sie so einen hohen Blutdruck?“ fragte mich die Ärztin und schenkte mir ihr Koreanerinnen-Lächeln. Ich hatte Feierabend und wollte eigentlich nur ein neues Rezept für meine Medikamente. Nachdem ich eine gefühlte Ewigkeit hinter anderen Patienten angestanden war, hatte die Arzthelferin den glorreichen Einfall, mir ausserdem den Blutdruck zu messen. Dazu muss ich sagen, dass ich als Bluthochdruckpatient vor jeder Blutdruckmessung extrem angespannt bin. Ich weiß sowieso, dass er wieder zu hoch sein wird… Meine Hausärztin reichte mir die Rezepte. „Ich bin gestresst“, antwortete ich. Sie sagte noch etwas davon, dass ich dann nach Hause fahren solle und…, aber das ging bereits an mir vorbei. Ich grinste nur blöde. Das wäre erledigt, nun nur noch in die Apotheke, dachte ich. In der Apotheke hatten sie nur eines von den vier Medikamenten vorrätig, weshalb ich da heute noch mal hinmuss. Na gut. Ich schlappte um die Ecke zu einem Naturkostladen, weil die dort feines Brot und leckere Pizzastücke (aus Vollkorn) haben. Nichts im Regal. „Es sind Herbstferien“, sagte die Verkäuferin entschuldigend. „Ach so“, meinte ich und hörte bei ihren weiteren Ausführungen gar nicht mehr hin. Also weiter, rüber über die vor Verkehr brüllende Potsdamer Straße und zum Pub. Die Theke vollbesetzt. Ich nickte dem Barkeeper zu und setzte mich an einen Tisch. Das Bier kam ruckzuck. Mein Blutdruck normalisierte sich langsam…