Mein Traum mit David Bowie

Es war ein kleines Konzert. Ich kam, um David Bowie zu sehen und zu hören. Einige waren allerdings nur gekommen, um zu randalieren. Sie sprangen auf die Bühne und tobten herum. Es eskalierte soweit, dass sich Bowie mit ihnen prügelte. Wie konsterniert schaute ich eine Zeit lang auf die Szenerie, bis ich mich entschloss, helfend einzugreifen. Viel gab es aber nicht mehr zu tun. Der Mob verpisste sich.
„Es lief aus dem Ruder“, meinte ich an Bowie gewandt.
„Ja, irgendwann lief es aus dem Ruder“, sagte der.
Wir kamen ins Gespräch. Bowie war leicht angetrunken und Arm in Arm zogen wir los. Ich war stolz darauf, mit ihm unterwegs zu sein. Wir inspirierten uns gegenseitig zu Gedichten, die wir auf Zeitungsseiten kritzelten. Wir hatten viel Spaß.
Schließlich landeten wir bei John Malkovich, der mit einer abgewrackten Diva zugange war. Halb saßen und halb lagen wir auf einer großen Couch. Die Diva packte Malkovichs Schwanz aus und nahm ihn in den Mund, als wolle sie ihn verschlucken. Und ehe wir uns versahen, hatte sie ihn tatsächlich verschluckt!
„Jesus!“ riefen Bowie und ich wie aus einem Munde. Uns fielen vor ungläubigem Erstaunen wie vor Schreck die Kinnladen herunter. Die Diva lachte glucksend. Dann würgte sie, griff sich an den Mund, und Simsalabim der Schwanz war wieder an Ort und Stelle. Uff! Malkovich hatte nochmal Glück gehabt. Aber wie zum Teufel hatte sie das gemacht?!
Nachdem der Schreck verflogen war, brachen wir zusammen in Gelächter aus. Das war der beste Zaubertrick ever!
Ich hätte gern noch weitergeträumt, aber meine Blase drückte.

Sonntagmorgen

Ich träume von einem Zeitreisenden, der mir erklärt, dass es das Raumschiff Enterprise aus der TV-Serie Star Trek wirklich geben wird. Ich überlege, wie ich daraus eine Geschichte konstruieren kann, komme aber nicht weit. Die Blase drückt. Verschlafen schaue ich zum Wecker. Die Nacht ist vorbei, also fast. Noch ist nicht hell. Nachdem ich mich zur Toilette und zurück bewegt habe, lege ich mich wieder hin. Ich weiß, dass ich nicht mehr einschlafen werde. Das Tablet steht auf einem leeren Schuhkarton meiner Exfreundin neben dem Bett. (Der hat genau die richtige Höhe.) Ich schalte das Tablet ein und durchforste YouTube. Ich suche Bestimmtes. Bereits früh am Morgen läuten Die Achse des Guten sowie Kontrafunk den Sonntag mit teils interessanten Gesprächsrunden ein. Ich tauche in die unendlichen Weiten des Gesprächsraums ein, lasse mich von den Stimmen und Meinungen berieseln. Zeitreisender müsste man sein. Ich würde gern 50 Jahre in die Zukunft reisen und schauen, wohin sich unsere Welt entwickelt, speziell die deutsche Gesellschaft. Entweder schlage ich die Hände über dem Kopf zusammen, oder ich kehre beruhigt in die Gegenwart zurück mit dem Wissen, dass alles nicht so schlimm kommt, wie man befürchten könnte. Zweiteres wäre mir lieber. Ich habe keinen Bock auf Dramatik am Lebensende. Ich habe keinen Bock auf Krieg und politische Unruhen. Ich will die paar Jahre, die ich noch habe, in Frieden mit meinen Mitmenschen verbringen, möglichst angstfrei.
Genaugenommen sind wir alle Zeitreisende, sinniere ich, wir reisen von Tag zu Tag in die Zukunft…
Durch den Vorhang scheint erstes Tageslicht. Es hält mich nicht mehr im Bett. Ich bin Käpt’n Kirk und gebe Scotty die Zielkoordinaten durch. „Energie“, füge ich kurz und knapp hinzu, und Scotty im Maschinenraum antwortet: „Ei, ei, Käpt`n.“ Ich erhebe mich ächzend und taumele zum Fenster. Der Himmel über Berlin ist gleichmütig grau.

Zum Winterzauber reicht es nicht

Myriaden winziger Schneeflocken tanzen gen Boden. Die Blätter der Stadtbäume, die auf dem Pflaster darniederliegen wie verzuckert. Inseln des schmutziggrauen Pflasters sind weiß. Auch auf dem kalten Blech der parkenden Autos sammelt sich etwas Schnee. Das harte Realitätsgemälde verliert an Kontur, aber nur leicht. Zum Winterzauber reicht es nicht.
Die Fenster geschlossen vor dem unwirtlichen Draußen, die Augen offen vor dem Bildschirm des Computers suche ich nach Verknüpfungen. Der Schlaf ist noch nicht lange her, das Dunkel noch nicht lange dem Tageslicht gewichen. Ein diffuses Licht füllt den Stadtraum. Die Quelle versteckt sich am Himmel hinter einer Gardine aus Wolken und Dunst. Die Stadt schrumpft zur Spielzeuglandschaft. Über den Dächern taucht ein riesenhaftes Kindergesicht auf und blickt mit staunenden Kulleraugen auf uns herab.

Hand in Hand gehen Vater und Sohn durch eine Ausstellung von Miniaturwelten.
„Papa, er hat mich angeschaut“, sagt der kleine Mann. 
„Wer?“ fragt der Vater stirnrunzelnd.
„Ein Mann in einem Haus.“
„Das sind nur Figuren.“
Der kleine Mann macht einen Ausfallschritt nach vorne und ruft: „Aber es war wie echt! Echt wie echt!“
Der Vater lacht.

Das letzte Interview

Krieg sei eine der ältesten Krankheiten in der Menschheitsgeschichte ähnlich der Pest oder der Cholera, sagte Professor Lari Fari, man müsse dagegen eine Impfung entwickeln, schließlich drohe der 3. Weltkrieg. Man dürfe keine Zeit verlieren.
Gesagt getan. Prof. Lari Fari entwickelte in Windeseile einen Impfstoff gegen Krieg, speziell gegen den 3. Weltkrieg. „Das ist mein Geschenk an die Menschheit“, sagte der geniale Forscher. Was für ein Durchbruch! – Diese Impfung versprach „peace forever“!!
Aber anstatt Jubel und Ehrungen, rauschten Bedenken durch den journalistischen Blätterwald. Prof. Lari Fari wurde der Scharlatanerie bezichtigt und war alsbald nicht mehr gesehen. Gerüchte gingen herum, nach denen er in einem Kerker schmachtete oder eliminiert wurde. Kein Wunder, denn die Mächtigen hatten kein Interesse an einer friedlichen Welt.
Hier nun exklusiv das letzte Interview mit dem Forscher:

„Prof. Lari Fari, Sie gelten als einer der klügsten Köpfe auf der Welt. Wieso kam vor Ihnen noch niemand auf die Idee, einen Impfstoff gegen Krieg zu entwickeln?
„Alles hat seine Zeit, das Verhängnisvolle, denken Sie an die Entwicklung der Atomwaffen, wie auch das für die Menschheit Segensreiche… Wer konnte sich vor 100 Jahre eine Welt wie die heutige vorstellen? Wir steuern im Sauseschritt auf den 3. Weltkrieg zu. Ich musste etwas tun.“
„Dafür sollte ihnen die gesamte Menschheit danken, Professor. Stattdessen brandete von allen Seiten Skepsis auf. Sie wurden von der wissenschaftlichen Gemeinde ausgeschlossen und gelten inzwischen als Persona non grata. Können Sie sich diese Ablehnung erklären? – und wie gehen Sie damit um?“
„In der Tat rechnete ich eher mit dem Friedensnobelpreis“, Prof. Lari Fari lachte und fuhr fort, „nein, im Ernst: Es gibt Kräfte auf dieser Welt, die kein Interesse an meinen Forschungstätigkeiten für den Frieden haben. Trotzdem konnte ich die Entwicklung des Impfstoffs erfolgreich beenden. Dafür danke ich meinem Team und allen Unterstützern. Es war uns klar, dass es nicht leicht werden würde, die Impfung den Menschen zuzuführen…“
„Aber Sie mussten handeln, weil ein 3. Weltkrieg womöglich das Ende der Menschheit besiegelt.“
„Ganz genau – Gefahr in Verzug. Selbst die minimalste Möglichkeit, durch den Impfstoff die Welt zu retten, musste gewahrt werden. Schließlich will man abends noch in den Spiegel schauen können, oder nicht?“ und wieder lachte der Professor.
„Ihnen scheint das Lachen nicht vergangen zu sein.“
„Womit ich beantwortet habe, wie ich mit all den Anfeindungen umgehe. Wissen Sie, ich bin bald 60. Niemand lebt ewig. Es wäre mir eine Ehre gewesen, den künftigen Generationen den Frieden zu schenken.“
„Und diese Impfung würde tatsächlich wirken?“
„Worauf Sie einen lassen können.“


Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin

Wenn ich mein Leben schon wegwerfe, dann doch bitte auf meine Rechnung mit Alkohol oder Drogen. Ich kann jeden verstehen, der beide Beine in die Hand nimmt, um nicht in einem mörderischen Krieg verheizt zu werden… für irgendwelche dubiosen Machthaber, die von Vaterland und Patriotismus salbadern, um das Volk bei der Stange zu halten…, dabei geht es diesen Schwätzern hauptsächlich um ihren eigenen Machterhalt.
Warum machen nur immer wieder so viele mit? Warum lassen sich so viele Menschen vor den Karren der Mächtigen spannen? Solche Fragen quälen mich regelmäßig. Zeitlos aktuell bleibt der Slogan der Friedensbewegung „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“ (- eine wunderbare Utopie, oder nicht?) Als überzeugter Kriegsdienstverweigerer gehöre ich zu jenen, die nicht hingehen. Dabei geht es nicht allein um die Angst, im Krieg mein Leben zu verlieren… Ich will nicht zum Mörder werden (- schließlich hat man ein Gewissen). In jedem Krieg geschehen tausendfacher Mord und unfassbare Gräuel. Heutzutage verschleiert man die Kriege, indem man sie nicht mehr Kriege nennt. Man redet von Spezialoperationen oder Terrorbekämpfungen oder man verteidigt die Freiheit (wo auch immer und gegen wen auch immer). Welch Heuchelei!

Ich leistete lieber den sogenannten Ersatzdienst im Altenheim und landete, was ich mir nicht vorstellen konnte, in einer anderen Art Schützengraben…, wo täglich gestorben und gelitten wird, wo gute Menschen verheizt werden, mit ihren traumatischen Erlebnissen alleine gelassen werden, wo gelogen wird, dass sich die Balken biegen, wo Abstumpfung zur Notwendigkeit wird, wo Kritik nur hinter vorgehaltener Hand möglich ist… Ich befand mich fast 30 Jahre in einem Krieg in der Mitte unserer Gesellschaft, von vielen unbemerkt, von vielen ignoriert, von vielen peinlich berührt wahrgenommen, von den üblichen Schwätzern begleitet, die stets Verbesserungen versprechen.

Vielleicht sind Kriege, wie sie unübersehbar schrecklich und tödlich von Menschen gegen Menschen seit Jahrtausenden geführt werden, nichts anderes als ein grausiges Abbild innerer Kriege, die ständig ablaufen. Das Innere kehrt sich nach außen und zeigt die hässliche Fratze des Menschen. Oder ich bemühe das Bild des Vulkans, wo der Druck im Innern der Erde früher oder später einen Weg nach draußen finden muss, dann mit vernichtenden Auswirkungen.

„Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“ – Die Welt braucht Menschen und keine Schwätzer. Die Welt braucht Ehrlichkeit und keine Heuchelei. Die Welt braucht Entspannung und Liebe, nicht Druck und Hass. Die Welt braucht Menschen, die ihre Waffen niederlegen und sich umarmen.

Goldfische träumen gern

Im frühmorgendlichen Traum war ich auf einer Reise ans Meer. Irgendwo im Süden, unterwegs mit dem Fahrrad, aber auch mit Zug und Bus. Ich wollte zuhause anrufen, weil ich nicht mehr wusste, wie lange mein Urlaub ging, aber ich bekam keine Verbindung… Irgendwann gab ich es auf. Das Meer konnte nicht mehr weit sein.

… Das erste Tageslicht fällt durch die Vorhänge ins Zimmer. Ich reibe mir die Augen. Kein Zweifel, ich bin aufgewacht. Alles um mich herum kommt mir super bekannt vor. Das mit dem Anruf hat sich somit erübrigt. Das mit der Reise ans Meer auch. Immerhin warten vier Tage ohne Tumordokumentation auf mich.
Der Morgenblues lässt nicht lange auf sich warten. Er erreicht mich spätestens, wenn ich am Schreibtisch sitze und nicht recht weiß, was ich machen soll. Ich starte den Computer und überfliege Mails und Internetnachrichten… Willkommen im Goldfischglas.

Das gute an den Toten ist, dass sie nie mehr aufwachen

Nächtliche Träume sind nicht immer schön. Das Aufwachen auch nicht. Selbst wenn die Sonne scheint.

Zuerst zu den Träumen, die ich meist vergesse aber manchmal fetzenhaft im Gedächtnis behalte, vor allem jene, die mich beunruhigen.

Da war eine neue Pandemie – nein, es war eher eine Insektenplage. Jeder Quadratzentimeter des Erdbodens war voller Insekten. Es gab kein Mittel gegen sie. Ein Fünftel der Menschheit fiel ihnen zum Opfer… Ich wachte auf, die Blase drückte, und ich ging Pinkeln.

Danach fand ich mich wieder in einer Gruppe teilweise mir bekannter und unbekannter Menschen. Wir saßen um einen großen ovalen Tisch herum. Ein Typ, den ich eigentlich immer für einen guten Kumpel gehalten hatte, begann mit einer miesen Rede über mich… verhöhnte mich ausschweifend. Was war mit ihm los? Ich lachte darüber und wunderte mich, warum er damit nicht aufhörte. Bald verging mir das Lachen. Er stimmte ein Spottlied an, und einige aus der Gruppe sangen mit.

Als ich aufwachte, war das Tageslicht ins Zimmer eingedrungen. Die Wirklichkeit hatte mich wieder. So genau weiß ich aber nicht, was die Wirklichkeit ist. Langsam wurde ich mir selbst gewahr in dem Leben, welches sich bei meiner Geburt auftat und mich seitdem gefangen hielt mit seinen Gesetzen, Regeln und Forderungen. Ich stand auf und schob den Vorhang zurück, blickte in den morgendlich blauen Himmel. Alles zeigte sich wie am Vortag.

   

Eine Fantasie, die an ihrem Ende ist

Ärgerliche Wolken schieben meine Träume beiseite. Ich schwächele. Der Dienstag schlägt den Montag tot, der Mittwoch den Dienstag, der Donnerstag den Mittwoch und der Freitag den Donnerstag. Heute ist Samstag. Der Wodka schmeckt immer gleich.
Worte fressen sich wie saurer Regen durch mein Herz. Ich kann ihnen nicht entweichen. Die Enttäuschung ist übermächtig. Ich schwächele.
Ich fliehe vor der Hilfe. Ich werde niemals ein Vogel sein. Und auch kein Fisch. Oder Eisbär.
Auf der Couch lasse ich meine Arschbacken tanzen.

Wach bleiben!

„Wach bleiben!“ schrie der Kontrolleur, als er durch die Reihen schritt. Wozu? dachte ich bei mir… Der neben mir sitzende Jüngling raunte: „Hey, Opa, warum bist du hier?“ „Ungeimpft“, gab ich zurück und verzog keine Miene. Ich glaubte, ein Flüstern und Kichern zu vernehmen. „Ruhe!“ schrie der Kontrolleur. Ich schaltete ab und versank in einen Wachtraum. Mauern wurden hochgezogen und gleichzeitig wieder eingerissen. Es war ein Wettlauf. Das Ende offen. Gesichter fielen von Gesichtern ab – maskengleich. Ich sah mich als Kind mit einem Lutscher im Mund durch die Gassen meiner Heimatstadt schlendern. Die Häuser wurden zu Raumschiffen. Ich wollte weg von den Kontrolleuren und Schreihälsen. Sie machten mich krank. Ihre Welt überzeugte mich nicht. Tarzan dagegen fand ich cool. Oder Robin Hood…
Der Zug, in dem wir saßen, fuhr in seinen Bestimmungsbahnhof ein. Die Weichen waren gestellt. Durch das Ruckeln kehrte ich zurück in die unliebsame Realität. Der Jüngling neben mir grinste mich breit an: „Wieder wach, Opa?“ Ich entgegnete nichts. Wozu?… Zauberland ist abgebrannt.