ABGEBRANNT
Ich habe keine müde Mark mehr im Sack, aber ich bin doch noch ein Mensch?! Zwei Tage und zwei Nächte schwitzte ich in meinem Bett, grübelte, was zu tun sei. Ich erniedrige mich in jedem Falle.
Das Beste wäre, einfach nicht daran zu denken. Was soll`s: Eine Woche oder zwei ohne Geld… Der Hunger verschwindet, und fließend Wasser habe ich allemal.
Ich dusche mir Schweiß und Gestank von Körper und Seele, bringe mich in Form. Danach fühle ich mich wieder halbwegs als Mensch.
Es drängt mich nach draußen.
Würde doch eine verheißungsvolle Nachricht oder ein WUNDERBRIEF im Briefkasten liegen. Oh, dass die Welt zu einem leeren Geldbeutel schrumpfen kann!
Ich schaue aus dem Fenster und verstehe nichts: Die Helligkeit des Tages, Geräusche emsiger Betriebsamkeit, ein leichter Wind, Nachrichten aus dem Radio, Nachrichten von weit her – Krieg in Europa. Alles durchdringt mich, schmerzt und lähmt, weil…, weil ich traurig bin über die Unabänderlichkeit, über die Kleinkariertheiten, über die vergangene Liebe, über diesen schwindeligen Kreislauf von Tag und Nacht – endlose Wiederholungen in den alltäglichen Verrichtungen.
Aber: Raffe dich auf! Zähme deine Gedanken! Du bist doch noch ein Mensch!
Draußen wartet die Welt.
Und ich bringe es, setze mich mit einer Lektüre in den Park. Das Panorama der Kleinstadt breitet sich vor mir aus, zur Mittagszeit eine friedliche Idylle – zu friedlich für meinen haltlosen Geist. Ich finde keine rechte Muße in dieser heilen Welt. Alle meine Gedanken drehen sich um die Zukunft: Was soll werden?
Ich überdenke die Situation immer und immer wieder, wie sich das abzeichnende Dilemma vermeiden ließe, die Erniedrigung!
Als ich nach Hause gehe, taumele ich – und dann plötzlich eine fixe Idee – ich greife zum Telefon. Es ist einen Versuch wert. Doch die niederschmetternde Auskunft folgt auf dem Fuße:
„P. ist in Urlaub“, sagt die Stimme am anderen Ende der Leitung.
Und ich weiß nichts davon… Sie hatte bei unserem letzten Zusammentreffen nichts davon erwähnt. Mir schießen die Tränen in die Augen. Welche Auswege bleiben noch? Natürlich, sie hat ihre eigenen Angelegenheiten. Was erwarte ich noch von ihr?
Ich rolle mich in mein Bett. Mein Stolz…, mein Stolz, denke ich verwirrt und zittere vor Schmerz, winde mich, springe auf… zum Kühlschrank. Hungern muss ich noch nicht.
Ich stelle mir vor, wie du mich mitleidig beobachtest. Oft genug nervte ich dich mit meinen Tiraden, angetrunken, mit meiner Ablehnung gegen die Konventionen, meinem billigen Sarkasmus:
„… nur nichts Ungebräuchliches tun, gel?“
Ich ließ es dich spüren, dass ich dich davon nicht ausschloss, ebenso deine Familie, deine Freunde, einfach jeden, mit dem du Kontakt hattest.
War ich gut drauf, also fünf Bier aufwärts, wollte ich gegen die ganze beschissene Welt anrennen.
Wie gutmütig und geduldig ertrugst du meine menschenverachtenden Ausbrüche, die dich oft verletzen mussten… bis zuletzt.
Du hattest den Mut und betätigtest den Schleudersitz, um dich aus dieser schlingernden Maschine mit Triebwerksschaden herauskatapultieren zu lassen – um dich zu retten, wie du sagtest.
Langsam finde ich mich wieder. Was sind schon fünf Jahre?
Ich identifiziere meine Vergangenheit an meinen Gedichten und Bildern, an den Büchern meiner Lieblingsautoren, meinen Lieblingsschallplatten und meinen Freunden.
Ich bin noch derselbe. Habe ich die Demütigungen nötig, dass mein Stolz wie über Eis von mir schlittert und mit ihm meine ganze Kraft, mein Selbstbewusstsein?
Oh nein, ihr Dämonen, ihr zwingt mich nicht so schnell in die Knie, und ihr Menschen zweimal nicht! Ihr schmeckt nach Einheitskost. Eure Seelen habt ihr, pflichtbewusst, wie ihr seid, beim Eismann abgegeben…
Fünf Jahre Exkursion ins Innere intellektueller Spießer – da muss doch außer Entbehrungen noch was abfallen, oder? Ich weiß, P., du verstehst mich nicht… Du weißt dich bei allem, was ich sage, nur umso mehr bestätigt.
Ich trinke! Ich trinke auf unsere Unverbesserlichkeit!
(Sommer 1990)
Verzweifelt, wütend, verletzt, sich aufbäumend gegen den Schmerz, leidenschaftlich, innere Zerrissenheit, gedemütigter Stolz, sarkastisch, zynisch, unverstanden, frustriert … Das sind die Worte, die mir als erstes zu deinem obigen Text einfallen. Wirklich tolle, sehr emotionale Zeilen, die nachwirken, wenn man sich darauf einlassen kann.
Gefällt mirGefällt 1 Person
wenigstens abgebrannt bin ich zur zeit nicht.
Gefällt mirGefällt mir
Das ist doch schon mal positiv.
Gefällt mirGefällt mir
es hätte schlimmer kommen können.
Gefällt mirGefällt 1 Person
Eben. Behalte das im Hinterkopf.
Gefällt mirGefällt mir
den zusammenhang mit meinem hinterkopf verstehe ich nicht.
Gefällt mirGefällt mir
Soll heißen: Behalte das in deinen Gedanken, wenn du mal wieder ein emotionales Tief hast. Manchmal hilft das, schneller wieder da herauszukommen.
Gefällt mirGefällt mir
ichhabeschonverstandenwiedudasmeintest.
Gefällt mirGefällt mir
Dannistesjagut.Uff.
Gefällt mirGefällt mir
mein hinterkopf sagt, dass da sowieso alles abgespeichert ist.
Gefällt mirGefällt mir
Das kann leider auch ein Fluch sein.
Gefällt mirGefällt mir
eine interessante idee, wenn man einiges aus seinem kopf löschen könnte… für einen neuanfang.
Gefällt mirGefällt mir
Genau so. Was meinst du, wie oft ich mir schon gewünscht habe, mich nicht an bestimmte Personen und/oder Szenarien mehr erinnern zu können?!
Gefällt mirGefällt 1 Person
keine ahnung… wie viele männer hattest du?
Gefällt mirGefällt mir
Das ist jetzt keine ernstgemeinte Frage, oder? Und falls doch, werde ich diese sicher nicht in meinem öffentlich lesbaren Blog beantworten. Auch meine Extrovertiertheit hat Grenzen.
Gefällt mirGefällt mir
es ging doch um personen/szenarien, an die dich lieber nicht mehr erinnern würdest… darum diese frage von mir.
Gefällt mirGefällt mir
Ich sage es mal so: Ich würde mir oft wünschen, dass ich mich weniger detailliert an die schönen Zeiten und Szenarien meiner letzten Beziehung zurückerinnern würde. Ich denke, dann würde es mir oft besser gehen.
Über die Beziehungen, die ich davor führte, bin ich lange hinweg.
Gefällt mirGefällt mir
im hinterkopf knabbern auch die lange vergangenen weiter.
Gefällt mirGefällt mir
Leider ja. Widerliche Erinnerungsbiester!
Gefällt mirGefällt mir
ich habe mich heute mal wieder so einem biest gestellt.
Gefällt mirGefällt mir
Und dann hast du dir deinen Text dazu von der Seele geschrieben und in deinen Blog eingestellt?
Gefällt mirGefällt mir
erstmal habe ich meinen alten text gelesen, korrigiert und in den blog gestellt.
Gefällt mirGefällt mir
Ah, ok.
Gefällt mirGefällt mir
Ich denke es ist/war nicht einfach in deinen Beziehungen.
So liest es sich zumindest hier im Text.
Aber es zeigt auch dass es sich lohnt weiter zumachen, zumindest sind deine Taschen nicht mehr leer.
Gefällt mirGefällt 1 Person
ob es sich lohnt oder nicht, will ich nicht beurteilen. das leben fordert seinen tribut.
jedenfalls war ich meistens ehrlich… möglicherweise zu ehrlich, vor allem nach ein paar bier.
Gefällt mirGefällt 1 Person
Ehrlichkeit ist ein wichtiger Grundpfeiler. Ohne dem hätte es wenig Sinn.
Gefällt mirGefällt mir
wenn`s so einfach wäre…
Gefällt mirGefällt mir
Ich halte es stets so und bin damit immer gut gefahren.
Es trennt die Spreu vom Weizen wie man so schön sagt.
Ich kann aber nicht anders.
Gefällt mirGefällt 2 Personen
die frage ist: wie ehrlich ist man wirklich, wenn man vorgibt ehrlich zu sein?
Gefällt mirGefällt 1 Person
Das kann nur jeder für sich selbst beantworten.
Ehrlichkeit ist nicht immer einfach und wird nicht immer gewünscht.
Es macht auf Dauer auch etwas einsamer als andere Menschen.
Gefällt mirGefällt mir
ehrlichkeit ist oft mit seelischem schmerz verbunden… und auch immer mit zweifel/selbstzweifel.
Gefällt mirGefällt 1 Person
Wenn mehr Menschen so wären, wäre es leichter.
Gefällt mirGefällt mir
am leichtesten wäre es, gar nie geboren worden zu sei.
Gefällt mirGefällt mir
Das hat man nicht in der Hand und darüber denke ich auch nicht nach.
Gefällt mirGefällt mir
ich wollte damit sagen, das nichts wirklich leicht im leben ist.
Gefällt mirGefällt mir
Ist ja auch nicht das Paradies oder etwas für Feiglinge.
Gefällt mirGefällt 1 Person
ängste sollte man akzeptieren.
Gefällt mirGefällt mir
Das sowieso, aber aufgeben ist keine Option.
Gefällt mirGefällt mir
für mich schon.
Gefällt mirGefällt mir
Warst du nie ein Kämpfer?
Gefällt mirGefällt mir
ich habe es nicht so mit dem kämpfen.
Gefällt mirGefällt mir
Könnte sich manchmal lohnen.
Gefällt mirGefällt mir
ich habs auch so geschafft älter zu werden.
Gefällt mirGefällt 1 Person
alle Gefühle reingepackt..
manchmal meint man wirklich am Ende mit allem zu sein. kein Ausweg, keine Zukunft, nicht einmal mehr ein Licht am Horizont. trotzdem rappelt sich der Mensch wieder auf. erstaunlich. abgebrannt kenne ich auch. ein schlimmes Gefühl. man könnte ja jemanden fragen, aber dann ist da wieder der Stolz der Nein sagt.
Gefällt mirGefällt 1 Person
so war es damals… ein jammertal.
Gefällt mirGefällt 1 Person
ich kenne dieses Jammertal nur vom Zusehen als dritte Person. Das reichte mir.
Gefällt mirGefällt mir
p. muss es damals ähnlich gegangen sein.
Gefällt mirGefällt 1 Person