Das Leben hat keinen Sinn, außer man gibt ihm einen. Mit Gott verhält es sich ebenso. Ich entschied für mich, dass ich weder einen Sinn noch einen Gott brauche. Die Angebote reizen mich nicht. Regelmäßig tauchen nun die Vertreter für Sinn- und Gottesfragen bei mir auf. Äußerst aufdringliche Burschen. Schlimmer als die Zeugen Jehovas. Sie lauern mich überall auf. Schätze, sie haben es auf mich abgesehen. Ich gehöre zu den hartnäckigen Gott- und Sinnverweigerern. Wenn es nach ihnen ginge, so sagen sie, dürfte es so was wie mich gar nicht geben. Ich sei renitent und eine Gefahr für die Allgemeinheit… Erst neulich kurz vor Ostern nahm mich mal wieder einer ins Gebet. Ich hatte mein Küchenfenster zum Lüften ein paar Minuten geöffnet, und plötzlich stand der Typ mitten in meiner Wohnung. Er war angezogen wie diese „Men in Black“. Sie sehen alle so aus.
„Hey, so geht das aber nicht!“ fuhr ich ihn an. Er lächelte und pflanzte sich auf meine Couch.
„Lieber Mr. Brasko, Sie wissen, wir sind vom großen Rat ermächtigt, Sie überall und jederzeit aufzusuchen. Wären Sie nur etwas zugänglicher…“
„Ach, hör mir doch auf! Ich ändere meine Meinung nicht!“
„Wir wollen Ihnen nur helfen. Schauen Sie Ihr armseliges Leben an. Wenn Sie auf eines unserer Angebote eingingen, wäre Ihr Leben fortan viel reicher… reicher in jeder Hinsicht!“
„Ich berufe mich auf mein Grundrecht, „Nein“ sagen zu dürfen!“
Der Vertreter für Sinn- und Gottesfragen lachte laut auf: „Ja-ha-ha, das dürfen Sie, Mr. Brasko, das dürfen Sie…“ Und mit eiserner Miene fuhr er fort: „Doch nicht mehr allzu lange. Die Zeichen stehen auf Sturm. Keine Extrawürste mehr! Machen Sie es sich selbst und uns doch nicht so schwer… Noch können Sie aus unseren Angeboten frei wählen…“
Am Liebsten hätte ich diesen unverschämten Eindringling von meiner Couch geschmissen, aber 1. bin ich nicht gewalttätig, und 2. hätte ich ihn oder einen seiner Kollegen binnen Kurzem wieder an der Backe gehabt. Es war besser, ihn noch ein Weilchen zu erdulden… Also schlappte ich in die Küche, schloss das noch offenstehende Fenster und griff mir ein Bier aus dem Kühlschrank.
„Sie trinken zu viel, Mr. Brasko.“
„Wollen Sie auch eins?“
„Nein Danke, Alkohol und Drogen sind die falschen Götter. Sie vernebeln den Verstand, schädigen den Charakter und unterjochen das Individuum. Sie machen krank – Mr. Brasko, Sie sollten dem Alkohol abschwören. Wir können Ihnen dabei helfen.“
„Prost!“ Ich setzte mich dem Vertreter gegenüber und stellte das Bier auf den Couchtisch. „Warum nehmt Ihr eigentlich nie die Sonnenbrille ab? Habt Ihr allesamt Augenkrebs?“
„Lenken Sie nicht ab, Mr. Brasko. Ich machte mir die Mühe, ein Angebot extra für Sie herauszusuchen. Wie ich hörte, sind Sie derzeit solo und leben alleine. Wäre da nicht eine Familiengründung sinnstiftend? Auch in Ihrem Alter ist es dazu noch nicht zu spät. Wir würden Ihnen die passende Partnerin frei Haus liefern…“, er grinste mich breit an, „Sie sehen, wir sind sehr um Ihr Wohl bemüht… Adäquat der Beitritt in eine der Freikirchen, die momentan hoch im Kurs stehen… Was sagen Sie?“
Ich starrte den Vertreter für Sinn- und Gottesfragen an und versuchte seine Augen hinter den dunkel getönten Brillengläsern zu entdecken. Warum ließen sie mich nicht einfach in Ruhe? Ich kam meines Erachtens ganz gut ohne Lebenssinn und Gott aus.
„Ich scheiße auf das Angebot wie auf alle vorherigen! – Schert Euch endlich zum Teufel! Die allermeisten Menschen habt Ihr doch schon im Sack… Streicht mich einfach von der Liste. Einer, der Euch nicht folgt – na und?!“
„Mr. Brasko, Sie wissen genau, dass wir keine Ausnahmen zulassen können. Sie wären eine ständige Gefahr – wie ein Virus, der sich quasi aus dem Nichts ausbreiten könnte. Überlegen Sie sich mein Angebot gut. Vielleicht ist es das letzte… Es täte mir leid um Sie… Ich sehe doch, dass es Ihnen nicht gut geht. Die Einsamkeit zermürbt.“
„Danke für Ihr Mitgefühl – und nun verschwinden Sie!“ Ich begleitete den Vertreter für Sinn- und Gottesfragen zur Wohnungstür. Kurz überkam mich ein Anflug von Zuneigung. Er tat ja nur seine Arbeit…
Herrlich! Hoffentlich stehen die nicht auch mal vor meiner Tür!
LikeGefällt 1 Person
Du bist ihnen bestimmt schon begegnet…
LikeGefällt 1 Person
leider. die sind auch nicht totzukriegen.
LikeGefällt 1 Person
es beginnt schon in der gebärmutter. sie versuchen dich einzuwickeln.
man muss sich ständig wieder „auswickeln“.
oder du gehst den weg, den sie für dich vorgesehen haben… wie die meisten.
LikeGefällt 1 Person
Genau. Habe ich kürzlich in einem Webinar gelernt. Das größte Potenzial hat die Eizelle. Schon ab dem Moment, wenn sie befruchtet wird, geht es bergab… dann wird das Kind geboren und versucht sich sein Leben lang von der Beeinflussung, den Massnahmen, den Beschränkungen, dem Zwang etc..pp zu befreien. Dann stirbt der Mensch. Voilà. Der eine hatte ein befreites, selbstbestimmtes Leben, der andere nicht. Manchmal bekommt es der Mensch gar nicht mit, dass er EIGENTLICH ein viel größeres, anderes Potenzial hatte.
Okay, nur der Anfang war aus dem Webinar, der Rest von mir. viel bla bla für einen Feiertag.
LikeGefällt 1 Person
lach! passt schon. in einer zombie-welt hat man es als zombie leichter…
ich sollte nicht so widerspenstig sein. bringt ja nichts, ermüdet nur.
LikeGefällt 1 Person
doch es bringt was! für einen selbst!!
LikeGefällt 1 Person
stimmt schon – darum hielt ich auch durch. aber manchmal werde ich schwach.
LikeGefällt 1 Person
Klasse!
Der Weg in die Arme Gottes ist breit und bequem, der ins Eigene eng und steinig. Die Vertreter sehen es natürlich genau umgekehrt…
LikeGefällt 1 Person
viele menschen lassen sich lieber einen lebenssinn sowie einen glauben vorschreiben. das ganze mutet an wie ein großes gesellschaftsspiel. wer auffällt, fliegt raus.
LikeLike