Das Logbuch

Das Logbuch ist auf ihrem Mist gewachsen. Die Chefin will uns eine innerbetriebliche Fortbildung ihrer Gnaden angedeihen lassen. Alle Dokumentationsassistenten/-assistentinnen sind dazu eingeladen. Die Teilnahme ist freiwillig. Am Ende werden wir damit belohnt, dass wir als (vollwertige) Dokumentare eingestuft werden. Für mich bedeutet das im Monat ca. 10 – 15 Bier mehr, die ich mir im Pub leisten kann. Ich hielt das für keine schlechte Idee, als ich vor einem Jahr damit anfing. Etwas mehr medizinisches Wissen kann nicht schaden. Und die Hühner, die allgemein ehrgeiziger sind, ermutigten mich. Nun ist das Logbuch recht umfangreich. Alle Tumorentitäten sind enthalten und darüber hinaus noch eine Menge formalistischer Schwachsinn. Insgesamt bedeutet dies ca. 30 persönliche Sitzungen mit der Chefin à 90 Minuten. Was für ein hanebüchener Zeitaufwand! Ich glaube, ich habe inzwischen etwa ein gutes Drittel hinter mir. Wenn ich in dem Tempo weitermache, bin ich mit dem Logbuch in eineinhalb Jahren durch. Auch von den Hühnern höre ich ob des Logbuch-Umfangs viele Unmutsäußerungen. Die Sitzungen haben Prüfungscharakter, und die Hühner machen sich eine Menge Stress. Meine Bürokollegin Uli war nach einem ihrer letzten Termine so fertig, dass sie in Tränen ausbrach.
Die Chefin kommt aus der Strahlentherapie und hebt stets auf ihr Fach ab. Sie verliert sich in Details, die ich mir gar nicht vorstellen kann, und die mit meiner Arbeit wirklich null zu tun haben. Sie gefällt sich augenscheinlich in der Rolle der Lehrerin. Ich glaube, dass sie das Ganze mehr für sich macht als für uns. Oft denke ich: Soll sie sich doch das fuckin` Logbuch sonst wohin schieben!
Trotz allem nahm ich mir erstmal vor, bei der Stange zu bleiben. Ich zeige damit meinen guten Willen. Außerdem sind die vielen Stunden, die ich bei der Chefin hocke, eine kleine Abwechslung zum sonst öden Arbeitsalltag. Ich kann ja soooo nett sein!

 

9 Gedanken zu “Das Logbuch

  1. Hallo Bo.,
    seit der Wende habe ich schon zahlreiche Weiterbildungen absolviert und es war bei allen gleich. Die Mädels haben gebüffelt und die Jungs haben sich entspannt zurückgelehnt.
    Weiß der Teufel, warum wir Frauen das mit dem Lernen immer so genau nehmen, denn am Ende schnitten die „Jungs“ auch nicht schlechter ab, als die Mädels. Und es gab noch einen Unterschied. Wir Mädels nahmen unsere Zensuren so hin, die Jungs diskutierten noch eine gefühlte Ewigkeit den Lehrern deshalb rum.
    LG La We

    Gefällt 1 Person

    • bist du sicher, dass es nicht umgekehrt war mit dem herumdiskutieren?
      warum die mädels oft ehrgeiziger als die jungs sind, frage ich mich auch.
      die hühner könnten ihre nerven schonen, wenn sie das mit dem logbuch etwas lockerer nähmen.

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