Wendepunkt

Wir sollten heutzutage jede Menge Zeit haben. Viele Tätigkeiten, die wir damals noch leisten mussten, nimmt uns heute die moderne Technik ab. Ich spare mir hier eine Aufzählung der vielen Beispiele. Seltsamerweise nahm aber der Stress zu, zumindest der subjektiv empfundene. Ich frage: Wo blieb die Zeit, die wir durch Erleichterungen im Alltag und in der Industrie einsparten? Sind wir geil auf volle Terminkalender? Kriegen wir den Hals nicht voll genug? Alles könnte doch durch den technischen Fortschritt heute viel gemächlicher ablaufen, stattdessen habe ich den Eindruck, dass eine seltsame Unruhe die Welt beherrscht… ähnlich einem Karussell, das sich immer schneller dreht.
Warum hasten wir wie die letzten Idioten durchs Leben? Stets soll man am Ball bleiben, sich fortbilden, mobil und flexibel sein… Wir befinden uns in einer Art Zentrifuge, welche nur noch Oberflächlichkeit produziert. Die eigentliche Substanz des Lebens geht verloren. So empfinde jedenfalls ich es. In meinem Leben kann ich sogar einen Wendepunkt diesbezüglich feststellen: nach den Achtzigern kam nichts mehr Gescheites… Die Welt explodierte förmlich zu Beliebigkeiten. Sicher gab es den Trend dazu schon vorher. Vielleicht schon immer. Ich weiß nicht. Ich spüre aber, dass ich mich zunehmend unwohl fühle in diesem Karussell, in welchem fast nur noch Geld, Eitelkeiten und geistige Flachheit die tragende Rolle spielen. Soll das unsere Zukunft sein?
Ich will weiß Gott keinen Rückschritt. Aber ich wünsche mir eine Welt, die ihre Werte besser sortiert und allgemeinverständlich darlegt. Vor allem wünsche ich mir eine Welt, in der wir jede Menge Zeit haben dürfen, ohne dass uns der Arsch auf Grundeis geht.
Weniger Ellenbogen und dafür mehr Mitgefühl. Und mehr Zeit für alles! Zeit dafür, dass wir erstmal erkennen, was es heißt zu atmen, zu leben, ein Mensch zu sein.

15 Gedanken zu “Wendepunkt

  1. Hier hast du meine vollste Zustimmung! Meine Erfahrung damit möchte ich mal so zusammenfassen: Diese Zeit muss man sich nehmen, dann wird sie einem auch geschenkt.

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  2. Den Druck mache ich mir höchstens selber, aber ich leide nicht darunter. Ich stelle nur fest, dass die Zeit sehr schnell zu vergehen scheint. Generell stimme ich aber zu, dass die „Beschleunigung“ schon ein ziemlicher Holler ist. Und ich denke auch, dass hier der Turbokapitalismus der Amerikaner ganz schön verbrecherisch durchschlägt.
    Andererseits haben wir heute aber auch Möglichkeiten, die es früher nicht gab. Ein billiger PC reicht aus, und die ganze Welt steht offen. Ich muss heute nicht mehr um den Erdball fliegen, um ALLES sehen zu können. Ich will zwar noch immer auf die Jungfrau (den Berg) und die Kosten erscheinen mir hoch. Aber ich kann mich jetzt damit trösten, dass es unzählige Videos gibt, die mir den Eindruck schon ganz schön vermitteln können. Allerdings klappt das auch nur deswegen so gut, weil ich ja schon viel herumgekommen bin.
    https://www.youtube.com/watch?v=YObZ1Hdi6Dk
    Ist das nicht geil?

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  3. Wenn man sich darauf konzentriert, sein Leben zu vereinfachen, erkennt man auch leicht, was im Weg steht, ohne es zuerst analysieren zu müssen.
    Zu wissen, was man will, bedeutet nicht, alles analysieren zu können, was dagegen spricht. Es reicht, sich in die Richtung zu drehen, in die man gehen will, und einen Schritt zu tun. Einfach.

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  4. steppenhund, die beschleunigung sorgt doch aber in erster linie dafür, dass viele menschen einfach nicht mehr mitkommen.
    ich selbst komme kaum noch damit klar. und ich bin bestimmt nicht zu blöd.
    du hast recht, es stehen uns heute viele wahnsinnige möglichkeiten offen durch internet und mobilität. aber wie nutzen wir das? schaue dich um! diese informationsflut überfordert doch die meisten!

    ich denke, dass du dich glücklich schätzen kannst. es gibt eine menge menschen, die sehr zufrieden sind mit ihrem leben. denen will ich es nicht absprechen. aber was ist mit den vielen anderen?

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  5. iging das problem ist, dass wir nicht immer wissen, wohin wir wollen. darum sind wir für religionen, ideologien und nationalismus empfänglich.
    ich weiß selbst nicht, wohin ich eigentlich will. aber immerhin weiß ich einigermaßen, wohin ich nicht will.

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  6. Wieso weißt du jetzt auf einmal nicht, was du willst?

    „Zeit dafür, dass wir erstmal erkennen, was es heißt zu atmen, zu leben, ein Mensch zu sein.“

    Damit wolltest du doch sagen, dass es das ist, was du willst, oder?

    Das soll jetzt kein dummer „guter Rat“ sein, aber etwas wegzulassen, was dich daran hindert, ist doch schon ein guter Anfang.

    Und mach dir doch nicht ständig die Gedanken für und über Andere, Andere haben schließlich auch die Möglichkeit, für sich etwas zu erkennen und/oder zu verändern.

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  7. „die anderen“ Lieber BM, Du hast natürlich recht, wenn Du meinst, dass man auch an die denken soll, denen nicht alles so frei steht. Aber ich muss da auf meinem eigenen Standpunkt der Unfairness beharren.
    Als ich ein Kind war, hatte ich zwar einen oder zwei gute Freunde, aber im allgemeinen wurde ich nicht besonders von meinen Alterskollegen geschätzt. D.h. in der Schule schon, aber im Park, am Fussballplatz, etc. war ich eher immer Außenseiter. Damals hatte ich aber noch ein gewisses „Gutmenschengen“ in mir und ich versuchte manchmal, andere von etwas zu überzeugen, was ich für sie gut und richtig hielt. Das gelang mir natürlich nicht. Später sah ich dann auch gewisse Diskrepanzen, die politisch bedingt waren. Ich fühlte mich aber persönlich angegriffen und konnte damit nicht richtig umgehen. Ich sah es als einen Kampf zwischen den Dummen und den Gescheiten an. Natürlich bezog ich Partei.
    Was mich am meisten ärgert, sind Aussagen wie: alle Menschen sind gleich. Natürlich sollten sie gleiche Chancen haben. Die hängen auch nicht von einem Maß an Intellektualität ab. Aber ich bin schon einige Male als „elitär“ angegriffen worden. Irgendwann habe ich dann nicht mehr zu argumentieren versucht, sondern mir gesagt: ok, wenn mich die anderen als elitär verarschen, dann verwende ich meinen Grips nicht dazu, den anderen zu helfen, sondern mir ein besseres Leben zu verschaffen. Das bessere Leben bedeutet nicht, dass ich mehr habe, sondern dass ich „leichter“ lebe. Selbst wenn ich Stress habe.
    Daher sind mir nicht alle, aber viele andere ziemlich gleichgültig – inzwischen …

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  8. iging du hast recht. ich bin ziemlich eigenbrödlerisch.
    die anderen sind aber nunmal da. eine ganze welt umgibt mich. auch noch mein körper… wahnsinn, was ich alles habe: arme beine kopf bauch hintern.
    uff, entschuldige, es gibt momente, wo mir alles zu viel wird. da ist zum einen das leben an sich, und dann kommt von draußen die gesellschaft und fordert… und fordert… und fordert…
    ich hatte noch nie große lust, mich anzupassen.
    aber ich arrangiere mich mit dem scheiß, der halt einfach da ist.

    ich weiß nicht, was ich will. das leben erscheint mir unerklärlich, und ebenso erscheint mir unerklärlich, dass es nicht viel mehr menschen gibt, die dies ebenso empfinden und ausdrücken.

    ich liebe… ich kann nicht nur mich selbst lieben. das ist etwas zu wenig.

    warum sind mir die sterne des nachthimmels näher als die menschen auf diesem planeten?

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  9. steppenhund ich mag menschen, die ungleich sind.
    ich war nicht gerade ein außenseiter. aber ich fühlte mich zu den außenseitern mehr hingezogen als zu denen mit der großen klappe, die alle um sich versammelten.
    ist auch heute noch so.
    menschen müssen nicht gleich sein. aber sie sollen gleich gerecht behandelt werden.
    das ist schon alles.

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  10. „warum sind mir die sterne des nachthimmels näher als die menschen auf diesem planeten?“

    Wer sagt denn, dass es den Anderen nicht genauso geht? Und wer sagt, dass [alle oder auch nur einige] Menschen untereinander sich nah sein müssen? Es kann ja durchaus für etwas gut sein, wenn es nicht so ist.

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  11. wer sagt irgendwas…
    aber wollen wir nicht alle ein gefühl der zugehörigkeit erfahren?
    ich kann nicht sagen, was die anderen menschen spüren. ich erlebe sie allein in beziehung zu mir.
    und umgekehrt…
    mein gott, wie sehen mich wohl die anderen?

    und da oben die sterne! ich liebe sie. vielleicht genau deswegen, weil sie so weit weg sind und trotzdem leuchten.

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  12. also ich hab zeit, ich stelle fest, dass andere oft keine haben. termine whatever, bla bla bla. ich hab das noch nie verstanden, wie die leute keine zeit haben. man nimmt sich doch für die wichtigen dinge und menschen zeit, oder nicht?
    ich genieße das, jemanden zu treffen, der ebenfalls zeit hat. davon gibts aber nicht mehr allzu viele menschen. aber ein paar glücklicherweise doch. die meisten haben nur abgezählte zeit.

    ein erholsames wochenende wünsche ich.
    liebe grüße, s.

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  13. danke – war ein stressfreies wochenende in schwerin.

    ich glaube nicht, dass die menschen wirklich keine zeit haben. es ist vielmehr eine art getriebenheit…, das leben nach der uhr, zugepflastert mit terminen. man glaubt, etwas zu verpassen…, muss immer auf der höhe der zeit -, mobil und flexibel sein. in vielen berufszweigen ist das leider auch nötig.

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