Was ich nicht glauben kann

Ich mache mir schon irre lange Gedanken über den Tod – genaugenommen ein Leben lang, oder solang ich mich erinnere. Was ich nicht glauben kann, dass ein Mensch keine Angst hat vor ihm. Einige behaupten es. Sie hatten Erlebnisse, wo der Sensenmann bereits hinter ihnen stand, und sie empfanden keinerlei Angst. Soll ich solche Aussagen nun erstaunlich finden oder erschreckend? Sie sagen, dass sie bekümmerte, vielleicht nicht mehr von ihren Lieben Abschied nehmen zu können, aber der Tod machte ihnen keine Angst. Wenn sie es sagen, denke ich achselzuckend. Ich sah das Sterben im Altenheim: ich erlebte die letzten Atemzüge von Menschen und hielt ihre Hand; ich berührte die Leichname kurz danach, als sie noch warm waren, und bettete sie für die Angehörigen; ich sah die Leichenflecken, als der Arzt sie (kurz) untersuchte. Und bevor sie starben redete ich mit ihnen manchmal über den Tod. Nicht einer hatte keine Angst. Sie wussten, dass hier (im Altenheim) alles zu Ende gehen würde. Es war erbarmungswürdig mitanzusehen, wie sie sich wehrten. Einige wenige schienen dem Tod wirklich gelassen entgegenzusehen, sie wirkten sehr abgeklärt. Ich mochte sie (fast) alle und spürte ihre Angst. Jeder hatte seine Art und Weise, damit umzugehen.
Ich persönlich habe ganz schön Mores vor dem Tod. Dass jeder und alles sterben muss, beruhigt mich nicht. Ich finde, dass der Tod nicht zum Menschen passt. Wozu? Muss man an Gott glauben, um das zu verstehen? Wenn es soweit ist, was passiert dann mit mir?
Es ist ganz schön schwer, über den Tod zu reden.

28 Gedanken zu “Was ich nicht glauben kann

  1. Ja, wozu das alles, wenn am Ende doch der Sensenmann auf jeden wartet?!

    Irgendwann wissen wir Menschen – und ich bin mir sicher Tiere auch, nur sie grübeln wohl nicht so darüber nach – dass wir eines Tages sterben müssen. Vergällt einem dieses Wissen nicht irgendwie das Leben?

    Ich denke seit meiner frühsten Jugend an den Tod. Nie ohne Angst! Gut, es gab und gibt Momente in denen ich mir sage:

    Den Tod hat bisher noch jeder überstanden.

    Hilft aber nicht wirklich. Da müssen wir durch!

    Gute Nacht.

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  2. schwierig das thema tod. für mich bedeutet der tod einfach nur innere ruhe und frieden. ich müsste mir keine sorgen mehr machen, ich hätte keinen zeitdruck mehr, ich wäre einfach nicht mehr da. allerdings das sterben können wir uns nicht aussuchen. und wie wir sterben, das kann schon angst machen. aber der tod an sich gehört zu unserem leben wie die geburt. ich glaube die angst liegt im sterben. wenn man dann tod ist, merkt man doch nichts mehr….

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  3. Ich möchte nichts „Gescheites“ dazu schreiben, daher schließe ich mich Gehirnsplitter an. Ich sehe das fast wortwörtlich als nachvollziehbare Aussage an.
    Anmerkung: wenn man dann tod ist, merkt man schon etwas, denn dann ist man „der Tod“. Aber vermutlich ist „wenn man dann tot is, …“ gemeint. Dann ist man wirklich hin 🙂

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  4. Mit jemand über das Sterben oder den Tod zu sprechen, dabei unterscheide ich selbst zwei Möglichkeiten: Ob die erzählende Person die iridische orientierte Sicht bevorzugt, bei der das Menschenleben in dieser Form mit dem Tod entdet. Ohne ein davor oder danach in Erwägung zu ziehen.
    Oder ob die erzählende Person eine spirituell orientierte Sicht bevorzugt, die sich mit der geistigen Welt hinter den sichtbaren Dingen vertraut gemacht hat.

    Dein jahrelanges Kreisen um den Tod mich an die Geschichte mit dem Embryo im Bauch einer Mutter. Ihm zu erklären, er wird eines Tages aus der gemütlichen warmen Höhle entschlüpfen, selbstständig atmen und Milch trinken, winkt er ungläubig ab. Der Säugling kann sich eine Welt außerhalb des Mutterleibs nicht vorstellen. Trotzdem gibt es sie.

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  5. hi karens das wissen vom tod kann einem das leben vergällen – die endlichkeit schwebt wie ein damoklesschwert über unserem leben. wir sind alle zum tode verurteilt. wenn man sich das ehrlich klar macht, ist der tod eine ziemlich bittere pille, die wir zu schlucken haben.
    viele menschen suchen darum antworten und trost im glauben und in spirituellen weltanschauungen, oder sie verdrängen die gedanken an das ende einfach. jeder mensch hat seine persönliche auseinandersetzung mit dem thema.
    stimmt, jeder muss da durch. früher oder später.

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  6. hi lady u. steppenhund im altenheim empfand ich das meist auch so, wenn ein mensch gestorben war: ruhe und frieden, fast eine art von feierlichkeit.
    der alte mensch hatte es geschafft, ich schloss seine augen… und hatte das gefühl, als wäre er noch irgendwo im raum. ich sagte ein paar worte zu ihm und nahm so abschied.
    selbstverständlich gehört der tod zum leben. leben und tod bedingen sich. wenn man sich aber mitten im leben stehend fühlt, ist die vorstellung an ein „nicht mehr da sein“ irgendwie absurd und beängstigend. alles ist plötzlich weg – jedenfalls gibt es keine (glaubhaften) berichte über eine existenz nach dem tod.
    ich tröste mich manchmal damit, dass ich ja vor meiner geburt (eigentlich zeugung) auch nicht da -, also im prinzip tot war. Ich war also schon einmal tot und kann mich an nichts negatives aus dieser zeit erinnern…
    das wirft andere fragen auf: wer oder was bin ich eigentlich? bin ich nur dieser mensch in dieser hülle, mit dieser persönlichkeit, in dieser zeit, an diesem ort?

    ja, vorm sterben kann einem auch grauen. im altenheim erlebte ich einiges siechtum, schmerz, verzweiflung und irrsinn. da kommt einem der tod als erlösung vor.

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  7. es gibt einige modelle und bilder, die den tod als „zwischenstation“ ansehen.
    ich mag das bild von der raupe, die zum schmetterling wird.
    davon abgesehen bedeutet der tod immer abschied von so ziemlich allem, was einen bis dahin ausmachte. ob es danach etwas gibt oder nicht, ändert daran nichts.
    wir menschen träumen über den tod hinaus: wir schreiben bücher und gedichte, wir hinterlassen etwas, sehen uns in unseren kindern etc.
    als embryo im mutterbauch hatte ich alle gene in mir, um auf ein leben „dadraußen“ vorbereitet zu sein, auch wenn ich vielleicht angst davor hatte (bzw. es mir nicht vorstellen konnte). ich konnte gar nichts dagegen unternehmen, das leben passierte einfach mit mir nach einem vorgeschriebenen plan. am lebensende wird es wieder so (ähnlich) sein: es wird passieren, ob ich will oder nicht – dann ist der plan erfüllt.

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  8. „dass ich ja vor meiner geburt (eigentlich zeugung) auch nicht da -, also im prinzip tot war. Ich war also schon einmal tot“

    Was mich wirklich interessiert und worauf ich ehrlich gespannt bin, ist, inwiefern die Erfahrungen in diesem Leben einen Unterschied zu dem vorgeburtlichen Zustand bewirkt haben werden – oder ob tatsächlich die Erlebnisse auf dieser Erde völlig irrelevant sind und sozusagen spurlos im Nichts verschwinden und man einfach wieder das-(der-?)jenige ist, das/der man vorher war. Dann wäre das Erdendasein nur sowas wie ein kleiner Ausflug, den wir genießen sollten. Diesen Aspekt werden die meisten nicht erfüllt haben, wenn sie ins Wohinauchimmer zurückkehren! Also bemühe ich mich darum, dass mir wenigstens der Genuss des Lebens nicht entgeht. Was auf mich zukommt, das wird mir keinesfalls entgehen, also warum sich darum sorgen?

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  9. sich darum sorgen? das verstehe ich nicht, iging. worum?
    wir können uns sowieso nur um irdisches und begrenztes dasein sorgen.
    die angst, die ich habe, haftet meinem bewusstsein an…, am leben zu sein. der kummer, den ich habe, ist meine existenz selbst.
    im leben, das wir erfahren, gilt der zeitpfeil, der ausschließlich von der vergangenheit über die gegenwart in die zukunft zielt. dies bedeutet für die „zeitgeschöpfe“ an sich kein problem; aber es wird dann zu einem konflikt mit dem dasein, wenn eine kreatur sich seiner selbst „übermäßig bewusst“ wird.

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  10. @BoMa:
    Mit „sich sorgen“ meinte ich Leute, die im hiesigen Dasein für das Danach quasi vorsorgen wollen, indem sie sich darum kümmern, sich [je nach ihrer Glaubensausrichtung] einen guten Platz im Himmel zu sichern oder etwas Ähnliches. Über das, was nach diesem Leben kommt, nachzudenken, ist eigentlich schon der falsche Weg; auch zu meinen, man müsse eine bestimmte Einstellung zum ‚Leben nach dem Tod‘ fördern auf der einen oder bekämpfen auf der anderen Seite, zeigt eigentlich schon, dass man falsch liegt.
    Deshalb, wie gesagt: HIER UND JETZT GENIESSEN und was dann kommt, kommt von allein.

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  11. hallo iging herzliche sonntägliche grüße!

    dass viele menschen aus religiösen gründen an ein leben nach dem tod (in hölle, paradies oder sonstwie) glauben, ist ein faktum. ich kann diese sehnsucht verstehen, bin aber selbst zu rationalistisch eingestellt, um mich einem solchen glauben zu ergeben.
    wie du es sagst: es spielt keine rolle – alles kommt, wie`s kommt. trotzdem verfalle ich oft ins grübeln über die bedeutung von leben und tod.
    jeder mensch muss nach seiner facon glücklich werden. das leben erstmal zu genießen, ist sicherlich wünschenswert; aber auch verzweiflung, trauer und schmerz gehören dazu.

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  12. zum thema das leben genießen vs. sich über den tod gedanken machen – rein dialektisch gesehen ist das eine von dem anderen nicht zu trennen. zumindest für einen halbwegs selbstständig denkenden menschen..

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  13. gegensätze bedingen sich in der regel. wobei ich mich frage, ob tod und leben wirklich in einem gegensätzlichen verhältnis stehen. vielmehr leben und nicht-leben. kann man nicht-leben und tod einfach gleichsetzen? es gibt menschen, die schon im leben nicht leben, und für andere beginnt das wahre leben erst nach dem tod im paradies (jedenfalls hoffen sie das).

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  14. klar, auch das ist die frage der einstellung. nicht-leben ist einerseits natürlich nicht gleich tot, denn die physiologischen prozesse laufen immer noch vor sich hin. auf der anderen seite ist man da eben auch tot, denn man funktioniert nicht mehr als mensch – im geistigen sinne.

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  15. im physischen sinne braucht es zum leben lediglich einen „laufenden bioapparat“.
    und der tod bedeutet dann, dass dieser apparat seinen geist aufgab. so simpel ist das – und doch so kompliziert, wenn der besagte menschliche geist hinzukommt.

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  16. Ich finde die Diskussion … hier besser als das meiste, was ich auf dem Internet je darüber gelesen habe. Dieses „Was würdest Du tun, wenn Du noch einen Tag zu leben hättest“-Klischee fällt hier völlig weg, weil sich Ihre Erfahrung nicht einfach mit irgendwelchen Klischees wegschieben lässt. Vielen Dank dafür! Bei mir geht der Gedanke an den Tod häufig mit der Vorstellung einher, dann endlich ruhen zu können, nicht mehr von Pflichten und Ängsten gejagt zu werden.

    Aber ich weiss, dass ich fassungslos wäre angesichts meines eigenen Todes, und Angst hätte. Das war bei mir ja schon so, als ich erstmals ertaubt bin.

    Damals rührte ein Teil der Ängste auch daher, dass ich nachher weiter das Leben zu bewältigen hatte. Das hätte ich ja dann nicht mehr, wenn ich sterben würde. Dafür ist der Tod der ganz grosse Unbekannte, die allerschmerzlichste Veränderung im Leben.

    Meine Grossmutter wäre beinahe an einem Schlaganfall gestorben, als sie 85 war. Sie überlebte und sagte später dann immer: „Sterben ist ganz einfach. Damals wäre ich ganz leicht gestorben.“

    Einmal bin ich auf einem grösseren Platz in der Stadt ohnmächtig zusammengebrochen. Vorher war mir fünf Minuten leicht übel, mein Blutdruck war sehr tief – wenn ich damals gestorben wäre, hätte ich nicht einmal gewusst, dass ich jetzt sterbe. Ich wäre einfach weggewesen. So stelle ich mir das Totsein vor.

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  17. danke fürs lesen und antworten, diefrogg wenn der tod ganz überraschend über uns kommt, erscheint uns für wünschenswert. er reißt uns dann zwar mitten aus dem leben, aber es ist eine „schnelle, saubere“ sache. wir kriegen es unter umständen gar nicht mit. ebenso wünschen wir uns, im schlaf zu sterben.
    der „unerwartete tod“ gibt ängsten keine zeit. allerdings ist der schock für die angehörigen und freunde umso größer.

    als lebewesen hat man gegenüber dem tod am besten eine fatalistische einstellung: wenn er kommt, dann kommt er halt. leider ist es nicht immer so einfach, und die furcht vor dem nahenden tod nimmt besitz von uns.
    seit ich meine lebensmitte altersmäßig überschritt, denke ich öfter über meine (ganz eigene) endlichkeit nach – die sanduhr des lebens läuft langsam aber unwiederbringlich ab… damit stellt sich auch die frage, wie ich meine verbleibende zeit verbringen möchte, was ich unternehmen und evtl. verändern will (überhaupt kann). welche ziele habe ich?

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  18. jeder mensch muss nach seiner facon glücklich werden. das leben erstmal zu genießen, ist sicherlich wünschenswert; aber auch verzweiflung, trauer und schmerz gehören dazu.“ (s.o. BoMa)

    Das ist ein weit verbreitetes (Un-)Verständnis, dass Verzweiflung, Trauer und Schmerz dem Genuss des Lebens entgegenstehen, ihn sogar unmöglich machen. Ich glaube, wer das verstanden hat mit dem Genießen, der genießt auch die Möglichkeit, Verzweiflung, Trauer und Schmerz fühlen zu können – weil er auch das eben nur hier auf der Erde kann. Und das meine ich jetzt wirklich nicht masochistisch! Ich habe das an mir selbst wenigstens insoweit erfahren, dass ich weiß, je mehr mein Dasein mit Genießen unterlegt ist, desto leichter finde ich aus den negativen Gefühlen auch dahin zurück. Also jeden Moment nutzen, das Leben zu bejahen! Das ist mein ganzes Ziel.

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  19. die kultur des materialismus suggeriert dies den menschen. glücklichsein wird oberflächlich gleichgesetzt mit geld und besitz – damit einhergehend mit den ganzen produkten, die uns glücklicher machen und unser leben erleichtern sollen. verzweiflung, trauer und tod passen nicht in eine welt, die auf leistung, konsum und materielle befriedigung ausgerichtet ist. dabei geraten wir menschen zunehmend in einen konflikt zwischen dem, was wir in uns fühlen, und dem, was uns als erstrebenswert vorgespiegelt wird.

    was heißt das dasein genießen?
    es ist längst eine binsenweisheit, dass die menschen nicht unbedingt dort glücklicher sind, wo der lebensstandard am höchsten ist (natürlich auch nicht in einer gesellschaft, wo armut und verelendung herrschen).
    die beste umgebung für ein glückliches leben ist die, wo wir menschen auch mit weniger zufrieden sein können, wo uns durch werbung und falsche ideale nicht der kopf verdreht wird; wo wir auch raum fürs unglücklichsein vorfinden und dann gegebenenfalls von freundlichen, mitfühlenden menschen begleitet werden.
    wie menschen mit dem tod umgehen, ist auch ein maß dafür, wie sie leben…

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  20. Das Dasein zu genießen heißt nichts anderes als dankbar zu sein dafür, dass man am Leben ist. Das hat nichts mit materiellem Besitz zu tun.

    Für etwas Materielles auch dankbar zu sein, ist aber zumindest besser als die verbreitete Egomanie von Stolz, Anspruchsdenken und Rechthaberei. Finde ich jedenfalls.

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  21. hi iging,
    jedenfalls braucht der mensch materiell eine basis, welche ihm ein menschenwürdiges dasein erlaubt, ansonsten ist es ziemlich schwer, das leben zu genießen.
    auch gesundheitliche (physische oder psychische) probleme können einem den genuß am leben vergällen.

    ich kann mich auch über schöne dinge freuen, die ich mir kaufe… aber alles hat seine grenzen, und die sehe ich in unserer gesellschaft in vielen bereichen bei weitem überschritten.

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